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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
einem jeden der folgenden fünf Jahre verschwanden
einige Reizungen, und also ward das dritte Bild
nicht reizend, nicht schön, aber doch angenehm.
Dieses Angenehme behauptete sich noch beym
vierten Bilde. Seine Frau trat eben in das vier-
zigste Jahr, als er sie zum fünften male zeichnete.
Sie schwur, sie sey gar nicht getroffen; denn sie
fand das Muntere der Farbe nicht mehr, und warf
dem Manne vor, er habe zu viel Schatten gemalt.
Fünf Jahre drauf vermehrte dieser unpartheyische
Maler das Bild mit einigen Runzeln über den
Augen. Die Frau seufzete, und hatte doch das
Herz nicht, ihrem Manne, und ihrem Spiegel zu
widersprechen. Sie faßte sich endlich; denn sie
war in der That vernünftig. Sie freute sich,
daß das nächste Bild eine gesetzte, und verehrungs-
würdige Miene zeigte. Nach fünf Jahren malte
er sie wieder, und die Miene ward andächtig.
Endlich malte er das letzte Bild, da sie ihrem sech-
zigsten Jahre sich näherte. Sie scherzte selbst
über die viele Mühe, die ihm ihre Runzeln, und
grauen Haare machten. Sie wies das Bild
Kennern, und man versicherte sie, der Maler habe
ein Meisterstück von einem schönen alten Kopfe
gezeichnet.

Jch erzähle diese Geschichte nicht umsonst.
Wollte der Himmel, unsere Weiber ließen sich
alle fünf Jahre malen! Wie lehrreich wäre diese
Sammlung der Bilder für ihre Töchter! Eine
Schöne von sechzehen Jahren würde vielleicht

etwas
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
einem jeden der folgenden fuͤnf Jahre verſchwanden
einige Reizungen, und alſo ward das dritte Bild
nicht reizend, nicht ſchoͤn, aber doch angenehm.
Dieſes Angenehme behauptete ſich noch beym
vierten Bilde. Seine Frau trat eben in das vier-
zigſte Jahr, als er ſie zum fuͤnften male zeichnete.
Sie ſchwur, ſie ſey gar nicht getroffen; denn ſie
fand das Muntere der Farbe nicht mehr, und warf
dem Manne vor, er habe zu viel Schatten gemalt.
Fuͤnf Jahre drauf vermehrte dieſer unpartheyiſche
Maler das Bild mit einigen Runzeln uͤber den
Augen. Die Frau ſeufzete, und hatte doch das
Herz nicht, ihrem Manne, und ihrem Spiegel zu
widerſprechen. Sie faßte ſich endlich; denn ſie
war in der That vernuͤnftig. Sie freute ſich,
daß das naͤchſte Bild eine geſetzte, und verehrungs-
wuͤrdige Miene zeigte. Nach fuͤnf Jahren malte
er ſie wieder, und die Miene ward andaͤchtig.
Endlich malte er das letzte Bild, da ſie ihrem ſech-
zigſten Jahre ſich naͤherte. Sie ſcherzte ſelbſt
uͤber die viele Muͤhe, die ihm ihre Runzeln, und
grauen Haare machten. Sie wies das Bild
Kennern, und man verſicherte ſie, der Maler habe
ein Meiſterſtuͤck von einem ſchoͤnen alten Kopfe
gezeichnet.

Jch erzaͤhle dieſe Geſchichte nicht umſonſt.
Wollte der Himmel, unſere Weiber ließen ſich
alle fuͤnf Jahre malen! Wie lehrreich waͤre dieſe
Sammlung der Bilder fuͤr ihre Toͤchter! Eine
Schoͤne von ſechzehen Jahren wuͤrde vielleicht

etwas
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[225/0247] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. einem jeden der folgenden fuͤnf Jahre verſchwanden einige Reizungen, und alſo ward das dritte Bild nicht reizend, nicht ſchoͤn, aber doch angenehm. Dieſes Angenehme behauptete ſich noch beym vierten Bilde. Seine Frau trat eben in das vier- zigſte Jahr, als er ſie zum fuͤnften male zeichnete. Sie ſchwur, ſie ſey gar nicht getroffen; denn ſie fand das Muntere der Farbe nicht mehr, und warf dem Manne vor, er habe zu viel Schatten gemalt. Fuͤnf Jahre drauf vermehrte dieſer unpartheyiſche Maler das Bild mit einigen Runzeln uͤber den Augen. Die Frau ſeufzete, und hatte doch das Herz nicht, ihrem Manne, und ihrem Spiegel zu widerſprechen. Sie faßte ſich endlich; denn ſie war in der That vernuͤnftig. Sie freute ſich, daß das naͤchſte Bild eine geſetzte, und verehrungs- wuͤrdige Miene zeigte. Nach fuͤnf Jahren malte er ſie wieder, und die Miene ward andaͤchtig. Endlich malte er das letzte Bild, da ſie ihrem ſech- zigſten Jahre ſich naͤherte. Sie ſcherzte ſelbſt uͤber die viele Muͤhe, die ihm ihre Runzeln, und grauen Haare machten. Sie wies das Bild Kennern, und man verſicherte ſie, der Maler habe ein Meiſterſtuͤck von einem ſchoͤnen alten Kopfe gezeichnet. Jch erzaͤhle dieſe Geſchichte nicht umſonſt. Wollte der Himmel, unſere Weiber ließen ſich alle fuͤnf Jahre malen! Wie lehrreich waͤre dieſe Sammlung der Bilder fuͤr ihre Toͤchter! Eine Schoͤne von ſechzehen Jahren wuͤrde vielleicht etwas P

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/247>, abgerufen am 23.11.2024.