wenn sie uns gleich nicht mehr zur Zärtlichkeit be- wegen können. Dieses Recept ist für die Mannspersonen.
Für die Frauenzimmer will ich ein Mittel be- kannt machen, das ihre Schönheit, und also einen großen Theil ihres Werths, sehr dauerhaft, und sie ihren Männern lange Zeit schätzbar erhalten soll. Sie müssen sich vor solchen unanständigen Heftigkeiten hüten, die ihnen alle Lineamente in Unordnung bringen, und ihnen wirklich ihre gan- zen Gesichtszüge verzerren, wenn sie sich derglei- chen heftigen Bewegungen zu oft überlassen. Ein hochmüthiges Frauenzimmer, welches ihre kleine Person allen andern vorzieht, läuft Gefahr, sehr geschwind ungestaltet zu werden. Sie bekömmt einen steifen Nacken, verrückte Schultern, einen schweren bäurischen Gang, kurzen Athem, weil sie ihre Brust beständig hervorpreßt; ihre Unter- lippe senkt sich, und sie kann die Zähne kaum be- decken; ihre Nase verliert die richtige Stellung, und tritt in die Höhe; ihre Augen werden grösser, als sie seyn sollten, sie werden starr und schielend, weil sie nichts mit einer gebührenden Achtsamkeit, sondern alles nur von der Seite mit halb gebroche- nen Blicken ansieht. Die Sprache selbst leidet durch den Hochmuth; sie wird unangenehm, weil sich die Worte wider ihren Willen aus der hohlen Brust hervor drängen, und durch den für die Ge- sellschaft nur halb geöffneten Mund brechen müs- sen. Ein neidisches boshaftes Mädchen ist in
eben
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
wenn ſie uns gleich nicht mehr zur Zaͤrtlichkeit be- wegen koͤnnen. Dieſes Recept iſt fuͤr die Mannsperſonen.
Fuͤr die Frauenzimmer will ich ein Mittel be- kannt machen, das ihre Schoͤnheit, und alſo einen großen Theil ihres Werths, ſehr dauerhaft, und ſie ihren Maͤnnern lange Zeit ſchaͤtzbar erhalten ſoll. Sie muͤſſen ſich vor ſolchen unanſtaͤndigen Heftigkeiten huͤten, die ihnen alle Lineamente in Unordnung bringen, und ihnen wirklich ihre gan- zen Geſichtszuͤge verzerren, wenn ſie ſich derglei- chen heftigen Bewegungen zu oft uͤberlaſſen. Ein hochmuͤthiges Frauenzimmer, welches ihre kleine Perſon allen andern vorzieht, laͤuft Gefahr, ſehr geſchwind ungeſtaltet zu werden. Sie bekoͤmmt einen ſteifen Nacken, verruͤckte Schultern, einen ſchweren baͤuriſchen Gang, kurzen Athem, weil ſie ihre Bruſt beſtaͤndig hervorpreßt; ihre Unter- lippe ſenkt ſich, und ſie kann die Zaͤhne kaum be- decken; ihre Naſe verliert die richtige Stellung, und tritt in die Hoͤhe; ihre Augen werden groͤſſer, als ſie ſeyn ſollten, ſie werden ſtarr und ſchielend, weil ſie nichts mit einer gebuͤhrenden Achtſamkeit, ſondern alles nur von der Seite mit halb gebroche- nen Blicken anſieht. Die Sprache ſelbſt leidet durch den Hochmuth; ſie wird unangenehm, weil ſich die Worte wider ihren Willen aus der hohlen Bruſt hervor draͤngen, und durch den fuͤr die Ge- ſellſchaft nur halb geoͤffneten Mund brechen muͤſ- ſen. Ein neidiſches boshaftes Maͤdchen iſt in
eben
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
wenn ſie uns gleich nicht mehr zur Zaͤrtlichkeit be-
wegen koͤnnen. Dieſes Recept iſt fuͤr die
Mannsperſonen.
Fuͤr die Frauenzimmer will ich ein Mittel be-
kannt machen, das ihre Schoͤnheit, und alſo einen
großen Theil ihres Werths, ſehr dauerhaft, und
ſie ihren Maͤnnern lange Zeit ſchaͤtzbar erhalten
ſoll. Sie muͤſſen ſich vor ſolchen unanſtaͤndigen
Heftigkeiten huͤten, die ihnen alle Lineamente in
Unordnung bringen, und ihnen wirklich ihre gan-
zen Geſichtszuͤge verzerren, wenn ſie ſich derglei-
chen heftigen Bewegungen zu oft uͤberlaſſen. Ein
hochmuͤthiges Frauenzimmer, welches ihre kleine
Perſon allen andern vorzieht, laͤuft Gefahr, ſehr
geſchwind ungeſtaltet zu werden. Sie bekoͤmmt
einen ſteifen Nacken, verruͤckte Schultern, einen
ſchweren baͤuriſchen Gang, kurzen Athem, weil
ſie ihre Bruſt beſtaͤndig hervorpreßt; ihre Unter-
lippe ſenkt ſich, und ſie kann die Zaͤhne kaum be-
decken; ihre Naſe verliert die richtige Stellung,
und tritt in die Hoͤhe; ihre Augen werden groͤſſer,
als ſie ſeyn ſollten, ſie werden ſtarr und ſchielend,
weil ſie nichts mit einer gebuͤhrenden Achtſamkeit,
ſondern alles nur von der Seite mit halb gebroche-
nen Blicken anſieht. Die Sprache ſelbſt leidet
durch den Hochmuth; ſie wird unangenehm, weil
ſich die Worte wider ihren Willen aus der hohlen
Bruſt hervor draͤngen, und durch den fuͤr die Ge-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/245>, abgerufen am 23.11.2024.
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