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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
Waffen, und werden gefährlich. Die jungen
Mannspersonen richten ihre ganze Natur und Klei-
dung auf Eroberungen ein. So bald die ersten
Gepränge des Wohlstands vorbey sind, so seufzen
sie ein wenig, werden ziemlich unverschämt, und
siegen. Man weis wohl, wie gefährlich eine
Mannsperson ist, die bey einem wohlgebauten
Körper, die vornehme Kunst weis, mit Anstand
unverschämt zu seyn. Es ist also diese Art des
Umgangs meinen Absichten mehr hinderlich, als
nutzbar.

Jch will, ich wünsche es wenigstens, daß man
künftig jungen Personen beiderley Geschlechts, ohne
Unterschied der Stunden, ohne die geringste Ein-
schränkung, die Freyheit lasse, sich zu sprechen,
und zu besuchen. Hier muß keine argwöhnische
Mutter, keine mürrische Tante in den Weg kom-
men. Dieser Zwang würde dem Besuche eine ge-
wisse Annehmlichkeit geben, deren Folgen gefähr-
lich wären. Wie viel werden manche Mädchen
verlieren, wenn man sie überrascht, ehe sie Zeit
gehabt haben, ihr Gesicht in Ordnung zu bringen!
Nach der Einrichtung, wie junge Leute itzt einan-
der besuchen, ist es bey nahe nicht möglich, den
wahren Charakter eines Frauenzimmers zu ent-
decken. Sie ist beständig auf ihrer Hut, um ar-
tig, um sittsam, um gefällig, um gelassen zu schei-
nen. Man überfalle sie einmal alsdenn, wenn
sie noch nicht Zeit gehabt hat, die zornigen Run-
zeln aus ihrem kleinen heuchlerischen Gesichte zu
streichen, welche sich über den Eigensinn ihrer Mut-

ter,

Antons Panßa von Mancha
Waffen, und werden gefaͤhrlich. Die jungen
Mannsperſonen richten ihre ganze Natur und Klei-
dung auf Eroberungen ein. So bald die erſten
Gepraͤnge des Wohlſtands vorbey ſind, ſo ſeufzen
ſie ein wenig, werden ziemlich unverſchaͤmt, und
ſiegen. Man weis wohl, wie gefaͤhrlich eine
Mannsperſon iſt, die bey einem wohlgebauten
Koͤrper, die vornehme Kunſt weis, mit Anſtand
unverſchaͤmt zu ſeyn. Es iſt alſo dieſe Art des
Umgangs meinen Abſichten mehr hinderlich, als
nutzbar.

Jch will, ich wuͤnſche es wenigſtens, daß man
kuͤnftig jungen Perſonen beiderley Geſchlechts, ohne
Unterſchied der Stunden, ohne die geringſte Ein-
ſchraͤnkung, die Freyheit laſſe, ſich zu ſprechen,
und zu beſuchen. Hier muß keine argwoͤhniſche
Mutter, keine muͤrriſche Tante in den Weg kom-
men. Dieſer Zwang wuͤrde dem Beſuche eine ge-
wiſſe Annehmlichkeit geben, deren Folgen gefaͤhr-
lich waͤren. Wie viel werden manche Maͤdchen
verlieren, wenn man ſie uͤberraſcht, ehe ſie Zeit
gehabt haben, ihr Geſicht in Ordnung zu bringen!
Nach der Einrichtung, wie junge Leute itzt einan-
der beſuchen, iſt es bey nahe nicht moͤglich, den
wahren Charakter eines Frauenzimmers zu ent-
decken. Sie iſt beſtaͤndig auf ihrer Hut, um ar-
tig, um ſittſam, um gefaͤllig, um gelaſſen zu ſchei-
nen. Man uͤberfalle ſie einmal alsdenn, wenn
ſie noch nicht Zeit gehabt hat, die zornigen Run-
zeln aus ihrem kleinen heuchleriſchen Geſichte zu
ſtreichen, welche ſich uͤber den Eigenſinn ihrer Mut-

ter,
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[216/0238] Antons Panßa von Mancha Waffen, und werden gefaͤhrlich. Die jungen Mannsperſonen richten ihre ganze Natur und Klei- dung auf Eroberungen ein. So bald die erſten Gepraͤnge des Wohlſtands vorbey ſind, ſo ſeufzen ſie ein wenig, werden ziemlich unverſchaͤmt, und ſiegen. Man weis wohl, wie gefaͤhrlich eine Mannsperſon iſt, die bey einem wohlgebauten Koͤrper, die vornehme Kunſt weis, mit Anſtand unverſchaͤmt zu ſeyn. Es iſt alſo dieſe Art des Umgangs meinen Abſichten mehr hinderlich, als nutzbar. Jch will, ich wuͤnſche es wenigſtens, daß man kuͤnftig jungen Perſonen beiderley Geſchlechts, ohne Unterſchied der Stunden, ohne die geringſte Ein- ſchraͤnkung, die Freyheit laſſe, ſich zu ſprechen, und zu beſuchen. Hier muß keine argwoͤhniſche Mutter, keine muͤrriſche Tante in den Weg kom- men. Dieſer Zwang wuͤrde dem Beſuche eine ge- wiſſe Annehmlichkeit geben, deren Folgen gefaͤhr- lich waͤren. Wie viel werden manche Maͤdchen verlieren, wenn man ſie uͤberraſcht, ehe ſie Zeit gehabt haben, ihr Geſicht in Ordnung zu bringen! Nach der Einrichtung, wie junge Leute itzt einan- der beſuchen, iſt es bey nahe nicht moͤglich, den wahren Charakter eines Frauenzimmers zu ent- decken. Sie iſt beſtaͤndig auf ihrer Hut, um ar- tig, um ſittſam, um gefaͤllig, um gelaſſen zu ſchei- nen. Man uͤberfalle ſie einmal alsdenn, wenn ſie noch nicht Zeit gehabt hat, die zornigen Run- zeln aus ihrem kleinen heuchleriſchen Geſichte zu ſtreichen, welche ſich uͤber den Eigenſinn ihrer Mut- ter,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/238>, abgerufen am 24.11.2024.