sichere Mittel ausfindig machte, diesen gefährlichen Reizungen zu steuern.
Dadurch möchte man dergleichen zärtlichen Uebereilungen wohl schwerlich vorbeugen, wenn man das Frauenzimmer auf morgenländische Art beständig im Zimmer, oder unter Kappen gefan- gen hielte. Ja es würde die Mannspersonen zu verliebten Einbrüchen, und galanten Gewaltthä- tigkeiten verführen. Die Verhüllung des Gesichts würde nichts helfen; sie würde uns nur neugieri- ger machen. Der Ellbogen, die Spitze von einem kleinen Fuße, würde unter den empfindenden Mannspersonen alsdenn eben die traurige Verwü- stung anrichten, welche wir einem ganz aufgedeck- ten Gesichte Schuld geben.
Wäre es nicht rathsamer, man gewöhnte die Jugend beiderley Geschlechts gleich in den ersten Jahren dazu an, daß sie vertraut mit einander umgehen müßten? Geschieht das nicht schon mehr, als zu sehr? wird man sagen. Nein, so sehr noch lange nicht, als ich will, daß man es thun solle.
Bey dem Umgange junger Leute, den man bisher zugelassen hat, ist eine beständige Art des Zwanges, den man Wohlstand nennt. Es sind nur gewisse Jahrszeiten, gewisse feyerliche Lustbar- keiten, gewisse Stunden des Tages, wo man der Jugend verstattet, mit einander umzugehen. Bey diesen abgemessenen Zusammenkünften bringen die Mädchen alle ihre Reize und Schönheiten in die
Waf-
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſichere Mittel ausfindig machte, dieſen gefaͤhrlichen Reizungen zu ſteuern.
Dadurch moͤchte man dergleichen zaͤrtlichen Uebereilungen wohl ſchwerlich vorbeugen, wenn man das Frauenzimmer auf morgenlaͤndiſche Art beſtaͤndig im Zimmer, oder unter Kappen gefan- gen hielte. Ja es wuͤrde die Mannsperſonen zu verliebten Einbruͤchen, und galanten Gewaltthaͤ- tigkeiten verfuͤhren. Die Verhuͤllung des Geſichts wuͤrde nichts helfen; ſie wuͤrde uns nur neugieri- ger machen. Der Ellbogen, die Spitze von einem kleinen Fuße, wuͤrde unter den empfindenden Mannsperſonen alsdenn eben die traurige Verwuͤ- ſtung anrichten, welche wir einem ganz aufgedeck- ten Geſichte Schuld geben.
Waͤre es nicht rathſamer, man gewoͤhnte die Jugend beiderley Geſchlechts gleich in den erſten Jahren dazu an, daß ſie vertraut mit einander umgehen muͤßten? Geſchieht das nicht ſchon mehr, als zu ſehr? wird man ſagen. Nein, ſo ſehr noch lange nicht, als ich will, daß man es thun ſolle.
Bey dem Umgange junger Leute, den man bisher zugelaſſen hat, iſt eine beſtaͤndige Art des Zwanges, den man Wohlſtand nennt. Es ſind nur gewiſſe Jahrszeiten, gewiſſe feyerliche Luſtbar- keiten, gewiſſe Stunden des Tages, wo man der Jugend verſtattet, mit einander umzugehen. Bey dieſen abgemeſſenen Zuſammenkuͤnften bringen die Maͤdchen alle ihre Reize und Schoͤnheiten in die
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſichere Mittel ausfindig machte, dieſen gefaͤhrlichen
Reizungen zu ſteuern.
Dadurch moͤchte man dergleichen zaͤrtlichen
Uebereilungen wohl ſchwerlich vorbeugen, wenn
man das Frauenzimmer auf morgenlaͤndiſche Art
beſtaͤndig im Zimmer, oder unter Kappen gefan-
gen hielte. Ja es wuͤrde die Mannsperſonen zu
verliebten Einbruͤchen, und galanten Gewaltthaͤ-
tigkeiten verfuͤhren. Die Verhuͤllung des Geſichts
wuͤrde nichts helfen; ſie wuͤrde uns nur neugieri-
ger machen. Der Ellbogen, die Spitze von einem
kleinen Fuße, wuͤrde unter den empfindenden
Mannsperſonen alsdenn eben die traurige Verwuͤ-
ſtung anrichten, welche wir einem ganz aufgedeck-
ten Geſichte Schuld geben.
Waͤre es nicht rathſamer, man gewoͤhnte die
Jugend beiderley Geſchlechts gleich in den erſten
Jahren dazu an, daß ſie vertraut mit einander
umgehen muͤßten? Geſchieht das nicht ſchon mehr,
als zu ſehr? wird man ſagen. Nein, ſo ſehr noch
lange nicht, als ich will, daß man es thun ſolle.
Bey dem Umgange junger Leute, den man
bisher zugelaſſen hat, iſt eine beſtaͤndige Art des
Zwanges, den man Wohlſtand nennt. Es ſind
nur gewiſſe Jahrszeiten, gewiſſe feyerliche Luſtbar-
keiten, gewiſſe Stunden des Tages, wo man der
Jugend verſtattet, mit einander umzugehen. Bey
dieſen abgemeſſenen Zuſammenkuͤnften bringen die
Maͤdchen alle ihre Reize und Schoͤnheiten in die
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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