per, seinen gut gestalteten und flüchtigen Fuß, gegen seinen schmeichelhaften Mund, und seine erobernden Blicke empfand. Sie gab ihm ihre Hand, und ward seine Frau.
Und seine Frau mußte sie bleiben, ungeachtet bey einem täglichen Umgange sich mit ihrem Reize auch seine tugendhaften Vollkommenheiten verloren. Seine artige Person war nicht mehr für sie artig; sein Mund schmeichelte allen Schönen, nur ihr nicht; und seine erobernden Blicke, hatten sich in mürrische Blicke eines misvergnügten Ehemanns verwandelt. Womit beruhigt sich diese Unglück- liche? Mit dem Schicksale, welches so grausam ist, daß es den Thoren nicht mit Gewalt verwehrt, Thoren zu seyn, oder, andächtig zu reden, mit dem Himmel, in welchem ihre närrische Ehe soll geschlossen worden seyn!
Es kann dieses genug seyn, den Satz von den Ehen zu erläutern, welche aus Neigung geschlos- sen werden. Allemal ist es nicht nöthig, daß so vielerley reizende Umstände zusammen kommen, welche zwo junge Personen zärtlich machen. Ein einziger ist oft hinreichend. Ein weiße runde Hand, welche zu rechter Zeit aus den Falten eines schwar- zen Sammtmantels einen verrätherischen Ausfall that, hat einen jungen Menschen um seine Frey- heit gebracht, der auf seinen flatterhaften Leicht- sinn stolz war. Eine volle Brust, welche hinter dem leichten Palatin auf Eroberungen lauerte,
hat
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
per, ſeinen gut geſtalteten und fluͤchtigen Fuß, gegen ſeinen ſchmeichelhaften Mund, und ſeine erobernden Blicke empfand. Sie gab ihm ihre Hand, und ward ſeine Frau.
Und ſeine Frau mußte ſie bleiben, ungeachtet bey einem taͤglichen Umgange ſich mit ihrem Reize auch ſeine tugendhaften Vollkommenheiten verloren. Seine artige Perſon war nicht mehr fuͤr ſie artig; ſein Mund ſchmeichelte allen Schoͤnen, nur ihr nicht; und ſeine erobernden Blicke, hatten ſich in muͤrriſche Blicke eines misvergnuͤgten Ehemanns verwandelt. Womit beruhigt ſich dieſe Ungluͤck- liche? Mit dem Schickſale, welches ſo grauſam iſt, daß es den Thoren nicht mit Gewalt verwehrt, Thoren zu ſeyn, oder, andaͤchtig zu reden, mit dem Himmel, in welchem ihre naͤrriſche Ehe ſoll geſchloſſen worden ſeyn!
Es kann dieſes genug ſeyn, den Satz von den Ehen zu erlaͤutern, welche aus Neigung geſchloſ- ſen werden. Allemal iſt es nicht noͤthig, daß ſo vielerley reizende Umſtaͤnde zuſammen kommen, welche zwo junge Perſonen zaͤrtlich machen. Ein einziger iſt oft hinreichend. Ein weiße runde Hand, welche zu rechter Zeit aus den Falten eines ſchwar- zen Sammtmantels einen verraͤtheriſchen Ausfall that, hat einen jungen Menſchen um ſeine Frey- heit gebracht, der auf ſeinen flatterhaften Leicht- ſinn ſtolz war. Eine volle Bruſt, welche hinter dem leichten Palatin auf Eroberungen lauerte,
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
per, ſeinen gut geſtalteten und fluͤchtigen Fuß, gegen
ſeinen ſchmeichelhaften Mund, und ſeine erobernden
Blicke empfand. Sie gab ihm ihre Hand, und
ward ſeine Frau.
Und ſeine Frau mußte ſie bleiben, ungeachtet bey
einem taͤglichen Umgange ſich mit ihrem Reize auch
ſeine tugendhaften Vollkommenheiten verloren.
Seine artige Perſon war nicht mehr fuͤr ſie artig;
ſein Mund ſchmeichelte allen Schoͤnen, nur ihr
nicht; und ſeine erobernden Blicke, hatten ſich in
muͤrriſche Blicke eines misvergnuͤgten Ehemanns
verwandelt. Womit beruhigt ſich dieſe Ungluͤck-
liche? Mit dem Schickſale, welches ſo grauſam
iſt, daß es den Thoren nicht mit Gewalt verwehrt,
Thoren zu ſeyn, oder, andaͤchtig zu reden, mit
dem Himmel, in welchem ihre naͤrriſche Ehe ſoll
geſchloſſen worden ſeyn!
Es kann dieſes genug ſeyn, den Satz von den
Ehen zu erlaͤutern, welche aus Neigung geſchloſ-
ſen werden. Allemal iſt es nicht noͤthig, daß ſo
vielerley reizende Umſtaͤnde zuſammen kommen,
welche zwo junge Perſonen zaͤrtlich machen. Ein
einziger iſt oft hinreichend. Ein weiße runde Hand,
welche zu rechter Zeit aus den Falten eines ſchwar-
zen Sammtmantels einen verraͤtheriſchen Ausfall
that, hat einen jungen Menſchen um ſeine Frey-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/235>, abgerufen am 28.11.2024.
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