der zu erlangen, damit er sich an denen rächen könne, welche itzt über ihn triumphirt hatten. Jn wenig Tagen ward er wieder der vertraute Liebling, der er sonst gewesen. Nun ist er seinen Mitschülern weit gefährlicher, als iemals. Es ist keine Art der Verfolgung, die er nicht wider sie ausübt. Mein Onkel ist ein Liebhaber von jun- gen Tauben; der Bösewicht weis das, und dreht ihnen allen in einer Nacht die Hälse um. Den Morgen darauf wird eine scharfe Untersuchung an- gestellt. Unser Tartüffe tritt auf, und zeiht die That dem Sohne eines Barbiers, dessen unver- söhnlicher Feind er ist, weil dieser bey der großen Execution ihm die Hosen gehalten hatte. Was für Ungerechtigkeiten wird dieser Knabe in zwan- zig Jahren begehen, wenn er Stadtschulze wer- den sollte!
Jch rauche in müßigen Stunden eine Pfeife Tabak bey einem Würzkrämer, welcher eine ziem- liche Anzahl Kinder hat. Unter diesen bin ich besonders auf zween Knaben und ein Mädchen aufmerksam.
Der älteste von ihnen ist ein stilles und fleißi- ges Kind, welches alle Tage seinen Spruch lernt, weil ihm die Mutter für ieden Spruch einen Pfen- nig giebt. Er bekömmt auch bey andern Gele- genheiten einige Groschen in seine Sparbüchse, die er sehr sorgfältig sammelt, an statt daß seine übrigen Geschwister ihr Geld vernaschen. So oft er aus
der
Antons Panßa von Mancha
der zu erlangen, damit er ſich an denen raͤchen koͤnne, welche itzt uͤber ihn triumphirt hatten. Jn wenig Tagen ward er wieder der vertraute Liebling, der er ſonſt geweſen. Nun iſt er ſeinen Mitſchuͤlern weit gefaͤhrlicher, als iemals. Es iſt keine Art der Verfolgung, die er nicht wider ſie ausuͤbt. Mein Onkel iſt ein Liebhaber von jun- gen Tauben; der Boͤſewicht weis das, und dreht ihnen allen in einer Nacht die Haͤlſe um. Den Morgen darauf wird eine ſcharfe Unterſuchung an- geſtellt. Unſer Tartuͤffe tritt auf, und zeiht die That dem Sohne eines Barbiers, deſſen unver- ſoͤhnlicher Feind er iſt, weil dieſer bey der großen Execution ihm die Hoſen gehalten hatte. Was fuͤr Ungerechtigkeiten wird dieſer Knabe in zwan- zig Jahren begehen, wenn er Stadtſchulze wer- den ſollte!
Jch rauche in muͤßigen Stunden eine Pfeife Tabak bey einem Wuͤrzkraͤmer, welcher eine ziem- liche Anzahl Kinder hat. Unter dieſen bin ich beſonders auf zween Knaben und ein Maͤdchen aufmerkſam.
Der aͤlteſte von ihnen iſt ein ſtilles und fleißi- ges Kind, welches alle Tage ſeinen Spruch lernt, weil ihm die Mutter fuͤr ieden Spruch einen Pfen- nig giebt. Er bekoͤmmt auch bey andern Gele- genheiten einige Groſchen in ſeine Sparbuͤchſe, die er ſehr ſorgfaͤltig ſammelt, an ſtatt daß ſeine uͤbrigen Geſchwiſter ihr Geld vernaſchen. So oft er aus
der
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Antons Panßa von Mancha
der zu erlangen, damit er ſich an denen raͤchen
koͤnne, welche itzt uͤber ihn triumphirt hatten.
Jn wenig Tagen ward er wieder der vertraute
Liebling, der er ſonſt geweſen. Nun iſt er ſeinen
Mitſchuͤlern weit gefaͤhrlicher, als iemals. Es iſt
keine Art der Verfolgung, die er nicht wider ſie
ausuͤbt. Mein Onkel iſt ein Liebhaber von jun-
gen Tauben; der Boͤſewicht weis das, und dreht
ihnen allen in einer Nacht die Haͤlſe um. Den
Morgen darauf wird eine ſcharfe Unterſuchung an-
geſtellt. Unſer Tartuͤffe tritt auf, und zeiht die
That dem Sohne eines Barbiers, deſſen unver-
ſoͤhnlicher Feind er iſt, weil dieſer bey der großen
Execution ihm die Hoſen gehalten hatte. Was
fuͤr Ungerechtigkeiten wird dieſer Knabe in zwan-
zig Jahren begehen, wenn er Stadtſchulze wer-
den ſollte!
Jch rauche in muͤßigen Stunden eine Pfeife
Tabak bey einem Wuͤrzkraͤmer, welcher eine ziem-
liche Anzahl Kinder hat. Unter dieſen bin ich
beſonders auf zween Knaben und ein Maͤdchen
aufmerkſam.
Der aͤlteſte von ihnen iſt ein ſtilles und fleißi-
ges Kind, welches alle Tage ſeinen Spruch lernt,
weil ihm die Mutter fuͤr ieden Spruch einen Pfen-
nig giebt. Er bekoͤmmt auch bey andern Gele-
genheiten einige Groſchen in ſeine Sparbuͤchſe, die
er ſehr ſorgfaͤltig ſammelt, an ſtatt daß ſeine uͤbrigen
Geſchwiſter ihr Geld vernaſchen. So oft er aus
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/210>, abgerufen am 25.11.2024.
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