sie? Sie sollen ihn recht schön haben! So bald ich dieses gesprochen hatte, lächelte sie mich dankbar an, drückte sich die Augen selbst zu, und verschied.
Sieht man wohl oft ein so ruhiges Ende, als das Ende dieser Heldinn war! Noch ihre letzte Miene war ein Beweis, daß man das im Alter, und im letzten Augenblicke des Lebens thut, was man in der Jugend sich angewöhnt hat.
Diese drey Exempel sind so überzeugend deut- lich, daß ich nicht Ursache haben würde, noch weitläuftiger meinen Satz zu beweisen, daß das Sprüchwort: Jung gewohnt, alt gethan; eine ziemlich allgemeine Wahrheit sey. Aber ich darf hiebey nicht stehen bleiben. Diese Exempel sind alle drey von dem weiblichen Geschlechte entlehnet. Dadurch würde ich mich den empfindlichen Vor- würfen einer meiner Freundinnen in Cleve bloß stellen, welche mir immer Schuld giebt, daß ich mich in meinen Reden und Schriften zu sehr an dem Frauenzimmer versündige. Sie lobt mich mit Beyfalle, wenn sie findet, daß ich keinem Stande und keinem Alter schmeichle. Die Ge- lehrten, den Soldatenstand, auch die Geistlichen, alle überläßt sie mir: Ja, gewisser Ursachen we- gen, würde sie es gern sehen, wenn ich weniger behutsam mit den Obern verführe; denn sie ist eine hitzige Patriotinn, und ihr Mann ist kein Freund von Steuern und Gaben. Aber, das kann sie durchaus nicht leiden, daß ich das Frauen-
zimmer
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſie? Sie ſollen ihn recht ſchoͤn haben! So bald ich dieſes geſprochen hatte, laͤchelte ſie mich dankbar an, druͤckte ſich die Augen ſelbſt zu, und verſchied.
Sieht man wohl oft ein ſo ruhiges Ende, als das Ende dieſer Heldinn war! Noch ihre letzte Miene war ein Beweis, daß man das im Alter, und im letzten Augenblicke des Lebens thut, was man in der Jugend ſich angewoͤhnt hat.
Dieſe drey Exempel ſind ſo uͤberzeugend deut- lich, daß ich nicht Urſache haben wuͤrde, noch weitlaͤuftiger meinen Satz zu beweiſen, daß das Spruͤchwort: Jung gewohnt, alt gethan; eine ziemlich allgemeine Wahrheit ſey. Aber ich darf hiebey nicht ſtehen bleiben. Dieſe Exempel ſind alle drey von dem weiblichen Geſchlechte entlehnet. Dadurch wuͤrde ich mich den empfindlichen Vor- wuͤrfen einer meiner Freundinnen in Cleve bloß ſtellen, welche mir immer Schuld giebt, daß ich mich in meinen Reden und Schriften zu ſehr an dem Frauenzimmer verſuͤndige. Sie lobt mich mit Beyfalle, wenn ſie findet, daß ich keinem Stande und keinem Alter ſchmeichle. Die Ge- lehrten, den Soldatenſtand, auch die Geiſtlichen, alle uͤberlaͤßt ſie mir: Ja, gewiſſer Urſachen we- gen, wuͤrde ſie es gern ſehen, wenn ich weniger behutſam mit den Obern verfuͤhre; denn ſie iſt eine hitzige Patriotinn, und ihr Mann iſt kein Freund von Steuern und Gaben. Aber, das kann ſie durchaus nicht leiden, daß ich das Frauen-
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſie? Sie ſollen ihn recht ſchoͤn haben! So bald ich
dieſes geſprochen hatte, laͤchelte ſie mich dankbar
an, druͤckte ſich die Augen ſelbſt zu, und verſchied.
Sieht man wohl oft ein ſo ruhiges Ende, als
das Ende dieſer Heldinn war! Noch ihre letzte
Miene war ein Beweis, daß man das im Alter,
und im letzten Augenblicke des Lebens thut, was
man in der Jugend ſich angewoͤhnt hat.
Dieſe drey Exempel ſind ſo uͤberzeugend deut-
lich, daß ich nicht Urſache haben wuͤrde, noch
weitlaͤuftiger meinen Satz zu beweiſen, daß das
Spruͤchwort: Jung gewohnt, alt gethan; eine
ziemlich allgemeine Wahrheit ſey. Aber ich darf
hiebey nicht ſtehen bleiben. Dieſe Exempel ſind
alle drey von dem weiblichen Geſchlechte entlehnet.
Dadurch wuͤrde ich mich den empfindlichen Vor-
wuͤrfen einer meiner Freundinnen in Cleve bloß
ſtellen, welche mir immer Schuld giebt, daß ich
mich in meinen Reden und Schriften zu ſehr an
dem Frauenzimmer verſuͤndige. Sie lobt mich
mit Beyfalle, wenn ſie findet, daß ich keinem
Stande und keinem Alter ſchmeichle. Die Ge-
lehrten, den Soldatenſtand, auch die Geiſtlichen,
alle uͤberlaͤßt ſie mir: Ja, gewiſſer Urſachen we-
gen, wuͤrde ſie es gern ſehen, wenn ich weniger
behutſam mit den Obern verfuͤhre; denn ſie iſt
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/183>, abgerufen am 24.11.2024.
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