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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Vorbericht.

Ein andrer Einwurf sollte vielleicht für mich
noch wichtiger seyn: Nach meinem Tode werde
ich den Beyfall der Leser nicht hören! Es ist
wahr; aber auch ihren Tadel nicht! Meine
Schriften sind durch die gütige Aufnahme der
Kenner, und andrer so glücklich gewesen, daß
ich mich, wenn ich mich so stolz ausdrücken darf,
an dem Lobe meiner Leser gewisser maßen schon
gesättigt habe. Dieser Beyfall verdient von
mir die erkenntlichste Achtung für den Ge-
schmack, und das Vergnügen meiner künftigen
Leser. Jch besitze gewiß Eigenliebe genug, die-
ses Lob auch nach meinem Tode verdienen zu
wollen, je vortheilhafter alsdann für mein An-
denken ein so unpartheyisches Lob ist, und je
weniger ich hernach im Stande bin, meine Feh-
ler zu entschuldigen, oder wider scheinbare Vor-
würfe mich zu verantworten.

Jch habe bey meinen Satiren ein zu freudi-
ges Gewissen, und zu der fortdauernden Bil-
ligkeit meiner Leser ein zu großes Vertrauen,
als daß ich hiebey einen Vorwurf befürchten
sollte, der mir bey einer Stelle des Seneca ein-
gefallen ist. Labienus, ein Mann, der seinen
republikanischen Haß, und die bittersten Leiden-
schaften unter dem prächtigen Namen eines Pa-
trioten verbergen wollte, welcher seine Schmä-
hungen wider die Großen in Rom satirischen
Witz, und persönliche Beleidigungen historische
Wahrheiten nannte, welcher den Rath zu einem
vorher unerhörten Befehle zwang, den in fol-

genden
Vorbericht.

Ein andrer Einwurf ſollte vielleicht fuͤr mich
noch wichtiger ſeyn: Nach meinem Tode werde
ich den Beyfall der Leſer nicht hoͤren! Es iſt
wahr; aber auch ihren Tadel nicht! Meine
Schriften ſind durch die guͤtige Aufnahme der
Kenner, und andrer ſo gluͤcklich geweſen, daß
ich mich, wenn ich mich ſo ſtolz ausdruͤcken darf,
an dem Lobe meiner Leſer gewiſſer maßen ſchon
geſaͤttigt habe. Dieſer Beyfall verdient von
mir die erkenntlichſte Achtung fuͤr den Ge-
ſchmack, und das Vergnuͤgen meiner kuͤnftigen
Leſer. Jch beſitze gewiß Eigenliebe genug, die-
ſes Lob auch nach meinem Tode verdienen zu
wollen, je vortheilhafter alsdann fuͤr mein An-
denken ein ſo unpartheyiſches Lob iſt, und je
weniger ich hernach im Stande bin, meine Feh-
ler zu entſchuldigen, oder wider ſcheinbare Vor-
wuͤrfe mich zu verantworten.

Jch habe bey meinen Satiren ein zu freudi-
ges Gewiſſen, und zu der fortdauernden Bil-
ligkeit meiner Leſer ein zu großes Vertrauen,
als daß ich hiebey einen Vorwurf befuͤrchten
ſollte, der mir bey einer Stelle des Seneca ein-
gefallen iſt. Labienus, ein Mann, der ſeinen
republikaniſchen Haß, und die bitterſten Leiden-
ſchaften unter dem praͤchtigen Namen eines Pa-
trioten verbergen wollte, welcher ſeine Schmaͤ-
hungen wider die Großen in Rom ſatiriſchen
Witz, und perſoͤnliche Beleidigungen hiſtoriſche
Wahrheiten nannte, welcher den Rath zu einem
vorher unerhoͤrten Befehle zwang, den in fol-

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[0017] Vorbericht. Ein andrer Einwurf ſollte vielleicht fuͤr mich noch wichtiger ſeyn: Nach meinem Tode werde ich den Beyfall der Leſer nicht hoͤren! Es iſt wahr; aber auch ihren Tadel nicht! Meine Schriften ſind durch die guͤtige Aufnahme der Kenner, und andrer ſo gluͤcklich geweſen, daß ich mich, wenn ich mich ſo ſtolz ausdruͤcken darf, an dem Lobe meiner Leſer gewiſſer maßen ſchon geſaͤttigt habe. Dieſer Beyfall verdient von mir die erkenntlichſte Achtung fuͤr den Ge- ſchmack, und das Vergnuͤgen meiner kuͤnftigen Leſer. Jch beſitze gewiß Eigenliebe genug, die- ſes Lob auch nach meinem Tode verdienen zu wollen, je vortheilhafter alsdann fuͤr mein An- denken ein ſo unpartheyiſches Lob iſt, und je weniger ich hernach im Stande bin, meine Feh- ler zu entſchuldigen, oder wider ſcheinbare Vor- wuͤrfe mich zu verantworten. Jch habe bey meinen Satiren ein zu freudi- ges Gewiſſen, und zu der fortdauernden Bil- ligkeit meiner Leſer ein zu großes Vertrauen, als daß ich hiebey einen Vorwurf befuͤrchten ſollte, der mir bey einer Stelle des Seneca ein- gefallen iſt. Labienus, ein Mann, der ſeinen republikaniſchen Haß, und die bitterſten Leiden- ſchaften unter dem praͤchtigen Namen eines Pa- trioten verbergen wollte, welcher ſeine Schmaͤ- hungen wider die Großen in Rom ſatiriſchen Witz, und perſoͤnliche Beleidigungen hiſtoriſche Wahrheiten nannte, welcher den Rath zu einem vorher unerhoͤrten Befehle zwang, den in fol- genden

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/17>, abgerufen am 21.11.2024.