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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
muß auf diejenigen Acht geben, welche die große
Welt vorstellen. Die wenigen Exempel, die ich
bisher angeführt habe, sind nur Kleinigkeiten,
welche unbemerkt bleiben, so bald man seine Auf-
merksamkeit auf diejenigen richtet, welche ihre Ge-
burt, oder auch eben so oft ihre Einbildung über
andre erhebt. Eine jede Handlung, die sie vor-
nehmen, wenn man sie recht betrachtet, ist nichts
anders, als die Beschäfftigung, andern die Hände
zu waschen, damit sie die ihrigen wieder waschen
mögen. Eine Verbeugung verlangt eine Gegen-
verbeugung; Ein unterthäniger Diener fodert
einen ganz unterthänigen Diener heraus. Jn
öffentlichen Gesellschaften redet man von demjeni-
gen Gutes, den man in seinem Herzen, oder in
der Gesellschaft weniger Freunde so sehr verachtet,
als er es verdient. Warum? Die Unverschämt-
heit dieses Mannes kann uns bey dem gefährlich
seyn, der unser Glück in seinen Händen hat. Er
soll wieder Gutes von uns reden. Der eigennützige
Rath, den man in seiner Stadt kennen wird, so bald
ich ihn eigennützig nenne, verspielt in einem Abende
mit einer gelaßnen Miene hundert Ducaten an die
Gemahlinn des Präsidenten. Man wundert sich;
aber man weis nicht, daß er im Begriffe ist, mit
Erlaubniß des Präsidenten, sein Amt zu verkau-
fen, und sich für seinen zehenjährigen patriotischen
Müßiggang eine Pension von hundert Ducaten
zu erbitten. Er wird sie gewiß erhalten; denn
die Gemahlinn versteht das Spiel, und sie ist
Präsident.

Die
J 2

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
muß auf diejenigen Acht geben, welche die große
Welt vorſtellen. Die wenigen Exempel, die ich
bisher angefuͤhrt habe, ſind nur Kleinigkeiten,
welche unbemerkt bleiben, ſo bald man ſeine Auf-
merkſamkeit auf diejenigen richtet, welche ihre Ge-
burt, oder auch eben ſo oft ihre Einbildung uͤber
andre erhebt. Eine jede Handlung, die ſie vor-
nehmen, wenn man ſie recht betrachtet, iſt nichts
anders, als die Beſchaͤfftigung, andern die Haͤnde
zu waſchen, damit ſie die ihrigen wieder waſchen
moͤgen. Eine Verbeugung verlangt eine Gegen-
verbeugung; Ein unterthaͤniger Diener fodert
einen ganz unterthaͤnigen Diener heraus. Jn
oͤffentlichen Geſellſchaften redet man von demjeni-
gen Gutes, den man in ſeinem Herzen, oder in
der Geſellſchaft weniger Freunde ſo ſehr verachtet,
als er es verdient. Warum? Die Unverſchaͤmt-
heit dieſes Mannes kann uns bey dem gefaͤhrlich
ſeyn, der unſer Gluͤck in ſeinen Haͤnden hat. Er
ſoll wieder Gutes von uns reden. Der eigennuͤtzige
Rath, den man in ſeiner Stadt kennen wird, ſo bald
ich ihn eigennuͤtzig nenne, verſpielt in einem Abende
mit einer gelaßnen Miene hundert Ducaten an die
Gemahlinn des Praͤſidenten. Man wundert ſich;
aber man weis nicht, daß er im Begriffe iſt, mit
Erlaubniß des Praͤſidenten, ſein Amt zu verkau-
fen, und ſich fuͤr ſeinen zehenjaͤhrigen patriotiſchen
Muͤßiggang eine Penſion von hundert Ducaten
zu erbitten. Er wird ſie gewiß erhalten; denn
die Gemahlinn verſteht das Spiel, und ſie iſt
Praͤſident.

Die
J 2
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[131/0153] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. muß auf diejenigen Acht geben, welche die große Welt vorſtellen. Die wenigen Exempel, die ich bisher angefuͤhrt habe, ſind nur Kleinigkeiten, welche unbemerkt bleiben, ſo bald man ſeine Auf- merkſamkeit auf diejenigen richtet, welche ihre Ge- burt, oder auch eben ſo oft ihre Einbildung uͤber andre erhebt. Eine jede Handlung, die ſie vor- nehmen, wenn man ſie recht betrachtet, iſt nichts anders, als die Beſchaͤfftigung, andern die Haͤnde zu waſchen, damit ſie die ihrigen wieder waſchen moͤgen. Eine Verbeugung verlangt eine Gegen- verbeugung; Ein unterthaͤniger Diener fodert einen ganz unterthaͤnigen Diener heraus. Jn oͤffentlichen Geſellſchaften redet man von demjeni- gen Gutes, den man in ſeinem Herzen, oder in der Geſellſchaft weniger Freunde ſo ſehr verachtet, als er es verdient. Warum? Die Unverſchaͤmt- heit dieſes Mannes kann uns bey dem gefaͤhrlich ſeyn, der unſer Gluͤck in ſeinen Haͤnden hat. Er ſoll wieder Gutes von uns reden. Der eigennuͤtzige Rath, den man in ſeiner Stadt kennen wird, ſo bald ich ihn eigennuͤtzig nenne, verſpielt in einem Abende mit einer gelaßnen Miene hundert Ducaten an die Gemahlinn des Praͤſidenten. Man wundert ſich; aber man weis nicht, daß er im Begriffe iſt, mit Erlaubniß des Praͤſidenten, ſein Amt zu verkau- fen, und ſich fuͤr ſeinen zehenjaͤhrigen patriotiſchen Muͤßiggang eine Penſion von hundert Ducaten zu erbitten. Er wird ſie gewiß erhalten; denn die Gemahlinn verſteht das Spiel, und ſie iſt Praͤſident. Die J 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/153>, abgerufen am 23.11.2024.