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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
ich wohl, daß es euch sauer wird, so viel bey
eurer Armuth zu entbehren; aber, mein Kind,
fünf Schragen Holz, bedenkt es nur selbst, fünf
Schragen hartes Holz! Wie geschwind wird
hier euer Flachs in die Höhe lodern! - - - - - -
Nun meinethalben! Wenn ihr glaubt, es besser
zu verstehen, so geht immer hin. Jch wünsche
euch Glück!

Der Mann dauert mich. Er hat ein ehrli-
ches Herz, er hat eine gerechte Sache; aber Geld
hat der Narr nicht. Jnzwischen habe ich doch
aus seinen Reden so viel angemerkt, daß er von
der Wahrheit unsers Sprüchworts: Eine Hand
wäscht die andere,
völlig überzeugt ist. Die
Hüner sollten dem Schreiber. "Aber warum eben
diesem?" fragte ich. Je Herr, sagte der Bauer,
er steht gut bey der Frau Amtmanninn. "Und das
Mehl?" Das kriegt des Bürgermeisters Frau!
"Aber wie kömmt diese dazu?" Hum! Unser
Herr Amtmann kann sie wohl leiden.

Die Logik unsers Bauers ist gar nicht unrecht;
aber der Nachdruck fehlt seinen Schlüssen. Der
Bauer den Schreiber, dieser die Amtmanninn, diese
ihren Mann: Auf der andern Seite, der Bauer
die Bürgermeisterinn, und diese den Amtmann. So
waschen diese Hände einander in der schönsten
Ordnung; und gar weibliche Hände, die waschen
scharf!

Und doch verliert der arme Bauer gewiß. Er
hat einen zu wichtigen Gegner. Dieser badet

gar.

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ich wohl, daß es euch ſauer wird, ſo viel bey
eurer Armuth zu entbehren; aber, mein Kind,
fuͤnf Schragen Holz, bedenkt es nur ſelbſt, fuͤnf
Schragen hartes Holz! Wie geſchwind wird
hier euer Flachs in die Hoͤhe lodern! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Nun meinethalben! Wenn ihr glaubt, es beſſer
zu verſtehen, ſo geht immer hin. Jch wuͤnſche
euch Gluͤck!

Der Mann dauert mich. Er hat ein ehrli-
ches Herz, er hat eine gerechte Sache; aber Geld
hat der Narr nicht. Jnzwiſchen habe ich doch
aus ſeinen Reden ſo viel angemerkt, daß er von
der Wahrheit unſers Spruͤchworts: Eine Hand
waͤſcht die andere,
voͤllig uͤberzeugt iſt. Die
Huͤner ſollten dem Schreiber. „Aber warum eben
dieſem?„ fragte ich. Je Herr, ſagte der Bauer,
er ſteht gut bey der Frau Amtmanninn. „Und das
Mehl?„ Das kriegt des Buͤrgermeiſters Frau!
„Aber wie koͤmmt dieſe dazu?„ Hum! Unſer
Herr Amtmann kann ſie wohl leiden.

Die Logik unſers Bauers iſt gar nicht unrecht;
aber der Nachdruck fehlt ſeinen Schluͤſſen. Der
Bauer den Schreiber, dieſer die Amtmanninn, dieſe
ihren Mann: Auf der andern Seite, der Bauer
die Buͤrgermeiſterinn, und dieſe den Amtmann. So
waſchen dieſe Haͤnde einander in der ſchoͤnſten
Ordnung; und gar weibliche Haͤnde, die waſchen
ſcharf!

Und doch verliert der arme Bauer gewiß. Er
hat einen zu wichtigen Gegner. Dieſer badet

gar.
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[125/0147] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ich wohl, daß es euch ſauer wird, ſo viel bey eurer Armuth zu entbehren; aber, mein Kind, fuͤnf Schragen Holz, bedenkt es nur ſelbſt, fuͤnf Schragen hartes Holz! Wie geſchwind wird hier euer Flachs in die Hoͤhe lodern! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Nun meinethalben! Wenn ihr glaubt, es beſſer zu verſtehen, ſo geht immer hin. Jch wuͤnſche euch Gluͤck! Der Mann dauert mich. Er hat ein ehrli- ches Herz, er hat eine gerechte Sache; aber Geld hat der Narr nicht. Jnzwiſchen habe ich doch aus ſeinen Reden ſo viel angemerkt, daß er von der Wahrheit unſers Spruͤchworts: Eine Hand waͤſcht die andere, voͤllig uͤberzeugt iſt. Die Huͤner ſollten dem Schreiber. „Aber warum eben dieſem?„ fragte ich. Je Herr, ſagte der Bauer, er ſteht gut bey der Frau Amtmanninn. „Und das Mehl?„ Das kriegt des Buͤrgermeiſters Frau! „Aber wie koͤmmt dieſe dazu?„ Hum! Unſer Herr Amtmann kann ſie wohl leiden. Die Logik unſers Bauers iſt gar nicht unrecht; aber der Nachdruck fehlt ſeinen Schluͤſſen. Der Bauer den Schreiber, dieſer die Amtmanninn, dieſe ihren Mann: Auf der andern Seite, der Bauer die Buͤrgermeiſterinn, und dieſe den Amtmann. So waſchen dieſe Haͤnde einander in der ſchoͤnſten Ordnung; und gar weibliche Haͤnde, die waſchen ſcharf! Und doch verliert der arme Bauer gewiß. Er hat einen zu wichtigen Gegner. Dieſer badet gar.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/147>, abgerufen am 27.11.2024.