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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
Barone war es nichts neues, eben so zu schwören.
Die leichtgläubige Brigitta war vor Vergnügen
ganz außer sich. Aber die Zeit kam, wo der Ba-
ron nach Hause gehen mußte. Er verließ die Uni-
versität, schwur beym Abschiede noch hundertmal,
und vergaß Brigitten. Diese Unglückliche hatte
den Baron zu vertraut geliebt; die Folgen davon
waren ihr und ihrer Familie beschwerlich. Jm kur-
zen erfuhr sie, daß der Baron gleich nach seiner Zu-
rückkunft geheirathet hatte. Diese Nachricht ver-
doppelte ihre Thränen; aber sie hörte nicht auf, ihn
zu lieben, auch alsdenn, da sie ihn ganz ohne Hoff-
nung liebte. Jn dieser Einsamkeit waren zwanzig
Jahre vorbey gegangen. Der Sohn ihres Mein-
eidigen kam auf eben die hohe Schule, und fand
Gelegenheit, Brigitten kennen zu lernen. Es
giebt Gesichter, die so frisch sind, daß sie auch
noch in ihrem vier und dreyßigsten Jahre einen
jungen Menschen reizen können, der zum ersten
mal in die Welt kömmt. Ja oft reizen sie mit bes-
serm Erfolge, wenn ihre Annehmlichkeiten mit einer
künstlichen Coqvetterie verbunden sind. Brigitta
war entzückt, den Sohn desjenigen vor ihren Füs-
sen zu sehen, den sie noch nicht vergessen hatte,
und den sie nunmehr in seinem Sohne zu lieben
glaubte. Sie liebte den jungen Baron, und liebte
ihn so ernstlich, wie den Vater; doch mit dem
Unterschiede, daß sie ihn allein schwören ließ, und
selbst nicht schwur. Die Erfahrung hatte sie seit
der Zeit gelehrt, daß ein Universitätsroman län-
ger nicht, als höchstens drey Jahre, dauert. Jtzt

sahe

Antons Panßa von Mancha
Barone war es nichts neues, eben ſo zu ſchwoͤren.
Die leichtglaͤubige Brigitta war vor Vergnuͤgen
ganz außer ſich. Aber die Zeit kam, wo der Ba-
ron nach Hauſe gehen mußte. Er verließ die Uni-
verſitaͤt, ſchwur beym Abſchiede noch hundertmal,
und vergaß Brigitten. Dieſe Ungluͤckliche hatte
den Baron zu vertraut geliebt; die Folgen davon
waren ihr und ihrer Familie beſchwerlich. Jm kur-
zen erfuhr ſie, daß der Baron gleich nach ſeiner Zu-
ruͤckkunft geheirathet hatte. Dieſe Nachricht ver-
doppelte ihre Thraͤnen; aber ſie hoͤrte nicht auf, ihn
zu lieben, auch alsdenn, da ſie ihn ganz ohne Hoff-
nung liebte. Jn dieſer Einſamkeit waren zwanzig
Jahre vorbey gegangen. Der Sohn ihres Mein-
eidigen kam auf eben die hohe Schule, und fand
Gelegenheit, Brigitten kennen zu lernen. Es
giebt Geſichter, die ſo friſch ſind, daß ſie auch
noch in ihrem vier und dreyßigſten Jahre einen
jungen Menſchen reizen koͤnnen, der zum erſten
mal in die Welt koͤmmt. Ja oft reizen ſie mit beſ-
ſerm Erfolge, wenn ihre Annehmlichkeiten mit einer
kuͤnſtlichen Coqvetterie verbunden ſind. Brigitta
war entzuͤckt, den Sohn desjenigen vor ihren Fuͤſ-
ſen zu ſehen, den ſie noch nicht vergeſſen hatte,
und den ſie nunmehr in ſeinem Sohne zu lieben
glaubte. Sie liebte den jungen Baron, und liebte
ihn ſo ernſtlich, wie den Vater; doch mit dem
Unterſchiede, daß ſie ihn allein ſchwoͤren ließ, und
ſelbſt nicht ſchwur. Die Erfahrung hatte ſie ſeit
der Zeit gelehrt, daß ein Univerſitaͤtsroman laͤn-
ger nicht, als hoͤchſtens drey Jahre, dauert. Jtzt

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[114/0136] Antons Panßa von Mancha Barone war es nichts neues, eben ſo zu ſchwoͤren. Die leichtglaͤubige Brigitta war vor Vergnuͤgen ganz außer ſich. Aber die Zeit kam, wo der Ba- ron nach Hauſe gehen mußte. Er verließ die Uni- verſitaͤt, ſchwur beym Abſchiede noch hundertmal, und vergaß Brigitten. Dieſe Ungluͤckliche hatte den Baron zu vertraut geliebt; die Folgen davon waren ihr und ihrer Familie beſchwerlich. Jm kur- zen erfuhr ſie, daß der Baron gleich nach ſeiner Zu- ruͤckkunft geheirathet hatte. Dieſe Nachricht ver- doppelte ihre Thraͤnen; aber ſie hoͤrte nicht auf, ihn zu lieben, auch alsdenn, da ſie ihn ganz ohne Hoff- nung liebte. Jn dieſer Einſamkeit waren zwanzig Jahre vorbey gegangen. Der Sohn ihres Mein- eidigen kam auf eben die hohe Schule, und fand Gelegenheit, Brigitten kennen zu lernen. Es giebt Geſichter, die ſo friſch ſind, daß ſie auch noch in ihrem vier und dreyßigſten Jahre einen jungen Menſchen reizen koͤnnen, der zum erſten mal in die Welt koͤmmt. Ja oft reizen ſie mit beſ- ſerm Erfolge, wenn ihre Annehmlichkeiten mit einer kuͤnſtlichen Coqvetterie verbunden ſind. Brigitta war entzuͤckt, den Sohn desjenigen vor ihren Fuͤſ- ſen zu ſehen, den ſie noch nicht vergeſſen hatte, und den ſie nunmehr in ſeinem Sohne zu lieben glaubte. Sie liebte den jungen Baron, und liebte ihn ſo ernſtlich, wie den Vater; doch mit dem Unterſchiede, daß ſie ihn allein ſchwoͤren ließ, und ſelbſt nicht ſchwur. Die Erfahrung hatte ſie ſeit der Zeit gelehrt, daß ein Univerſitaͤtsroman laͤn- ger nicht, als hoͤchſtens drey Jahre, dauert. Jtzt ſahe

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/136>, abgerufen am 23.11.2024.