genug sind, Schlüssel zu machen, wo keine Schlussel nöthig sind; die tückische Bosheit de- rerjenigen, welche sich getroffen finden, und schweigen, und welche doch hämisch im Namen dererjenigen seufzen, die gewiß nicht gemeynt, und gewiß nicht getroffen sind; die beleidigende Unbilligkeit des witzigen Pöbels, welcher im- mer an dem Orte, wo der Verfasser schreibt, die Originale zuerst sucht, eine Unbilligkeit, die mir bey meinem gegenwärtigen Amte doppelt empfindlich seyn muß: Alles dieses sind Ursa- chen, welche mir meinen Vorsatz ernstlich machen.
Ueberhaupt ist wohl Deutschland das Land nicht, in welchem eine billige und bessernde Sa- tire es wagen darf, ihr Haupt mit der Frey- müthigkeit empor zu heben, mit welcher sie ge- wohnt ist, die Laster, oder die Thorheiten der Menschen zu strafen. Es giebt Städte in Deutschland, in denen man nur beschäfftigt ist, Reichthümer zu sammeln, und in denen man kein Laster weiter kennt, als die Armuth. Wer wird es wagen dürfen, ihren feisten Bürgern zu sagen, daß sie lasterhaft sind, weil sie nur mit Ungerechtigkeit wuchern; daß sie Thoren sind, weil sie auf ihren erwucherten Reichthum stolz seyn können? Es giebt mächtige Städte in Deutschland, wo man unter dem prächtig- sten Aufwande seine Armuth, unter den lär- menden Vergnügungen seine innerliche Unruhe zu verbergen sucht, wo man seinen Freund küßt, und umarmt, um ihn niederzuwerfen, wo man
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Vorbericht.
genug ſind, Schluͤſſel zu machen, wo keine Schluſſel noͤthig ſind; die tuͤckiſche Bosheit de- rerjenigen, welche ſich getroffen finden, und ſchweigen, und welche doch haͤmiſch im Namen dererjenigen ſeufzen, die gewiß nicht gemeynt, und gewiß nicht getroffen ſind; die beleidigende Unbilligkeit des witzigen Poͤbels, welcher im- mer an dem Orte, wo der Verfaſſer ſchreibt, die Originale zuerſt ſucht, eine Unbilligkeit, die mir bey meinem gegenwaͤrtigen Amte doppelt empfindlich ſeyn muß: Alles dieſes ſind Urſa- chen, welche mir meinen Vorſatz ernſtlich machen.
Ueberhaupt iſt wohl Deutſchland das Land nicht, in welchem eine billige und beſſernde Sa- tire es wagen darf, ihr Haupt mit der Frey- muͤthigkeit empor zu heben, mit welcher ſie ge- wohnt iſt, die Laſter, oder die Thorheiten der Menſchen zu ſtrafen. Es giebt Staͤdte in Deutſchland, in denen man nur beſchaͤfftigt iſt, Reichthuͤmer zu ſammeln, und in denen man kein Laſter weiter kennt, als die Armuth. Wer wird es wagen duͤrfen, ihren feiſten Buͤrgern zu ſagen, daß ſie laſterhaft ſind, weil ſie nur mit Ungerechtigkeit wuchern; daß ſie Thoren ſind, weil ſie auf ihren erwucherten Reichthum ſtolz ſeyn koͤnnen? Es giebt maͤchtige Staͤdte in Deutſchland, wo man unter dem praͤchtig- ſten Aufwande ſeine Armuth, unter den laͤr- menden Vergnuͤgungen ſeine innerliche Unruhe zu verbergen ſucht, wo man ſeinen Freund kuͤßt, und umarmt, um ihn niederzuwerfen, wo man
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[0011]
Vorbericht.
genug ſind, Schluͤſſel zu machen, wo keine
Schluſſel noͤthig ſind; die tuͤckiſche Bosheit de-
rerjenigen, welche ſich getroffen finden, und
ſchweigen, und welche doch haͤmiſch im Namen
dererjenigen ſeufzen, die gewiß nicht gemeynt,
und gewiß nicht getroffen ſind; die beleidigende
Unbilligkeit des witzigen Poͤbels, welcher im-
mer an dem Orte, wo der Verfaſſer ſchreibt,
die Originale zuerſt ſucht, eine Unbilligkeit, die
mir bey meinem gegenwaͤrtigen Amte doppelt
empfindlich ſeyn muß: Alles dieſes ſind Urſa-
chen, welche mir meinen Vorſatz ernſtlich
machen.
Ueberhaupt iſt wohl Deutſchland das Land
nicht, in welchem eine billige und beſſernde Sa-
tire es wagen darf, ihr Haupt mit der Frey-
muͤthigkeit empor zu heben, mit welcher ſie ge-
wohnt iſt, die Laſter, oder die Thorheiten der
Menſchen zu ſtrafen. Es giebt Staͤdte in
Deutſchland, in denen man nur beſchaͤfftigt iſt,
Reichthuͤmer zu ſammeln, und in denen man
kein Laſter weiter kennt, als die Armuth. Wer
wird es wagen duͤrfen, ihren feiſten Buͤrgern
zu ſagen, daß ſie laſterhaft ſind, weil ſie nur
mit Ungerechtigkeit wuchern; daß ſie Thoren
ſind, weil ſie auf ihren erwucherten Reichthum
ſtolz ſeyn koͤnnen? Es giebt maͤchtige Staͤdte
in Deutſchland, wo man unter dem praͤchtig-
ſten Aufwande ſeine Armuth, unter den laͤr-
menden Vergnuͤgungen ſeine innerliche Unruhe
zu verbergen ſucht, wo man ſeinen Freund kuͤßt,
und umarmt, um ihn niederzuwerfen, wo man
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/11>, abgerufen am 21.11.2024.
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