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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
müßig giengen. Sollte meine Absicht etwan diese
seyn, den Leuten die Feyer des Sonntags nach
dem Exempel unsrer ungesitteten Vorfahren anzu-
preisen: so möchte ich es nur selbst verlegen, oder
es dem Wäisenhause in Halle geben; denn bey
uns würde sich so gar der Setzer ein Gewissen
daraus machen, dergleichen oft aufgewärmtes
Gewäsche zu drucken. Was ich mit der Ehrlich-
keit haben wollte, das verstünden sie gar nicht,
und ließen sich auch nicht darauf ein, weil sie sich
nicht getrauten, so viel damit zu verdienen, als
Papier und Druckerlohn betragen würden.

Das waren ohngefähr die Antworten, welche
mir fast in allen Buchläden gegeben wurden, als
ich mit meinem kostbaren Werke hausiren gieng.
Jch verlangte nicht einmal etwas für meine Arbeit;
aber auch umsonst, welches fast unglaublich ist, woll-
te es kein Verleger annehmen. Ein einziger un-
ter ihnen war noch so billig, und bot mir zur Ver-
geltung Scrivers Seelenschatz an, wofern ich den
Vorschuß auf meine Gefahr thun, zwey hundert
Exemplare für baares Geld annehmen, für die
zweyte Auflage nichts verlangen, und für alle Ver-
antwortung stehen wollte.

So empfindlich mir damals diese abschläglichen
Antworten fielen: so sehr erfreue ich mich itzo dar-
über. Jch habe die Welt seit dem viel besser ken-
nen lernen. Noch auf dem Todbette würde ich
mich über das Unrecht geängstigt haben, das ich mei-
nem Vaterlande angethan hätte, und ich bekenne

itzo
F 4

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
muͤßig giengen. Sollte meine Abſicht etwan dieſe
ſeyn, den Leuten die Feyer des Sonntags nach
dem Exempel unſrer ungeſitteten Vorfahren anzu-
preiſen: ſo moͤchte ich es nur ſelbſt verlegen, oder
es dem Waͤiſenhauſe in Halle geben; denn bey
uns wuͤrde ſich ſo gar der Setzer ein Gewiſſen
daraus machen, dergleichen oft aufgewaͤrmtes
Gewaͤſche zu drucken. Was ich mit der Ehrlich-
keit haben wollte, das verſtuͤnden ſie gar nicht,
und ließen ſich auch nicht darauf ein, weil ſie ſich
nicht getrauten, ſo viel damit zu verdienen, als
Papier und Druckerlohn betragen wuͤrden.

Das waren ohngefaͤhr die Antworten, welche
mir faſt in allen Buchlaͤden gegeben wurden, als
ich mit meinem koſtbaren Werke hauſiren gieng.
Jch verlangte nicht einmal etwas fuͤr meine Arbeit;
aber auch umſonſt, welches faſt unglaublich iſt, woll-
te es kein Verleger annehmen. Ein einziger un-
ter ihnen war noch ſo billig, und bot mir zur Ver-
geltung Scrivers Seelenſchatz an, wofern ich den
Vorſchuß auf meine Gefahr thun, zwey hundert
Exemplare fuͤr baares Geld annehmen, fuͤr die
zweyte Auflage nichts verlangen, und fuͤr alle Ver-
antwortung ſtehen wollte.

So empfindlich mir damals dieſe abſchlaͤglichen
Antworten fielen: ſo ſehr erfreue ich mich itzo dar-
uͤber. Jch habe die Welt ſeit dem viel beſſer ken-
nen lernen. Noch auf dem Todbette wuͤrde ich
mich uͤber das Unrecht geaͤngſtigt haben, das ich mei-
nem Vaterlande angethan haͤtte, und ich bekenne

itzo
F 4
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[87/0109] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. muͤßig giengen. Sollte meine Abſicht etwan dieſe ſeyn, den Leuten die Feyer des Sonntags nach dem Exempel unſrer ungeſitteten Vorfahren anzu- preiſen: ſo moͤchte ich es nur ſelbſt verlegen, oder es dem Waͤiſenhauſe in Halle geben; denn bey uns wuͤrde ſich ſo gar der Setzer ein Gewiſſen daraus machen, dergleichen oft aufgewaͤrmtes Gewaͤſche zu drucken. Was ich mit der Ehrlich- keit haben wollte, das verſtuͤnden ſie gar nicht, und ließen ſich auch nicht darauf ein, weil ſie ſich nicht getrauten, ſo viel damit zu verdienen, als Papier und Druckerlohn betragen wuͤrden. Das waren ohngefaͤhr die Antworten, welche mir faſt in allen Buchlaͤden gegeben wurden, als ich mit meinem koſtbaren Werke hauſiren gieng. Jch verlangte nicht einmal etwas fuͤr meine Arbeit; aber auch umſonſt, welches faſt unglaublich iſt, woll- te es kein Verleger annehmen. Ein einziger un- ter ihnen war noch ſo billig, und bot mir zur Ver- geltung Scrivers Seelenſchatz an, wofern ich den Vorſchuß auf meine Gefahr thun, zwey hundert Exemplare fuͤr baares Geld annehmen, fuͤr die zweyte Auflage nichts verlangen, und fuͤr alle Ver- antwortung ſtehen wollte. So empfindlich mir damals dieſe abſchlaͤglichen Antworten fielen: ſo ſehr erfreue ich mich itzo dar- uͤber. Jch habe die Welt ſeit dem viel beſſer ken- nen lernen. Noch auf dem Todbette wuͤrde ich mich uͤber das Unrecht geaͤngſtigt haben, das ich mei- nem Vaterlande angethan haͤtte, und ich bekenne itzo F 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/109>, abgerufen am 27.11.2024.