Wiegenlieder hervor, und der kleinste Geist flattert, so weit er kann, in die Höhe, um über den geschwärzten Wol- ken rauschend hoch daher zu donnern. Mit den Briefen gehet es uns eben so, und wir sind in Gefahr, bey dieser Art des Witzes noch mehr auszustehn, ie ge- wisser ein jeder glaubt, daß es sehr leicht sey, Briefe zu schreiben, und ie leich- ter es ist, aus allem, was man geschrie- ben hat, einen Brief zu machen.
Mit Erlaubniß dieser meiner Her- ren Collegen, will ich hier die Kunst ih- res Handwerks ein wenig verrathen. Sie haben gelesen, daß man einen Brief so schreiben soll, wie man rede; aber weiter haben sie nicht gelesen, sonst wür- den sie gefunden haben, daß man vor- her im Stande seyn müsse, vernünftig zu reden und zu denken, wenn man es wagen wolle, vernünftige Briefe zu
schrei-
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Vorbericht.
Wiegenlieder hervor, und der kleinſte Geiſt flattert, ſo weit er kann, in die Hoͤhe, um uͤber den geſchwaͤrzten Wol- ken rauſchend hoch daher zu donnern. Mit den Briefen gehet es uns eben ſo, und wir ſind in Gefahr, bey dieſer Art des Witzes noch mehr auszuſtehn, ie ge- wiſſer ein jeder glaubt, daß es ſehr leicht ſey, Briefe zu ſchreiben, und ie leich- ter es iſt, aus allem, was man geſchrie- ben hat, einen Brief zu machen.
Mit Erlaubniß dieſer meiner Her- ren Collegen, will ich hier die Kunſt ih- res Handwerks ein wenig verrathen. Sie haben geleſen, daß man einen Brief ſo ſchreiben ſoll, wie man rede; aber weiter haben ſie nicht geleſen, ſonſt wuͤr- den ſie gefunden haben, daß man vor- her im Stande ſeyn muͤſſe, vernuͤnftig zu reden und zu denken, wenn man es wagen wolle, vernuͤnftige Briefe zu
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[0005]
Vorbericht.
Wiegenlieder hervor, und der kleinſte
Geiſt flattert, ſo weit er kann, in die
Hoͤhe, um uͤber den geſchwaͤrzten Wol-
ken rauſchend hoch daher zu donnern.
Mit den Briefen gehet es uns eben ſo,
und wir ſind in Gefahr, bey dieſer Art
des Witzes noch mehr auszuſtehn, ie ge-
wiſſer ein jeder glaubt, daß es ſehr leicht
ſey, Briefe zu ſchreiben, und ie leich-
ter es iſt, aus allem, was man geſchrie-
ben hat, einen Brief zu machen.
Mit Erlaubniß dieſer meiner Her-
ren Collegen, will ich hier die Kunſt ih-
res Handwerks ein wenig verrathen.
Sie haben geleſen, daß man einen Brief
ſo ſchreiben ſoll, wie man rede; aber
weiter haben ſie nicht geleſen, ſonſt wuͤr-
den ſie gefunden haben, daß man vor-
her im Stande ſeyn muͤſſe, vernuͤnftig
zu reden und zu denken, wenn man es
wagen wolle, vernuͤnftige Briefe zu
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/5>, abgerufen am 17.02.2025.
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