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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
weiß ich auch, daß uns in gewissen Fällen die Eh-
re dazu verbindet, wenn es gleich die Gesetze nicht
thun. Die Vorsicht der Gesetzgeber war nöthig,
die Bosheit derjenigen zu steuern, die sich unsers ju-
gendlichen Unverstandes bedienen, um etwas zu ge-
winnen; wider diejenigen aber dürfen wir uns die-
ses Mittels nicht bedienen, die uns als ehrliche Leu-
te geholfen haben, wir setzen uns sonst in eine Classe
mit den Wahnwitzigen und Verschwendern, für
welche die Gesetze auf eben die Art gesorgt haben.
Bin ich in meinem fünf und zwanzigsten Jahre
nicht eben so verbunden ehrlich zu seyn, als im sechs
und zwanzigsten? Der Taufschein wird mich wider
mein ehrliebendes Gewissen nicht schützen, wenn es
mich auch wider den Richter schützt. Mit einem
Worte, dergleichen Rechte der Unmündigen sind
meistentheils nur eine Zuflucht der unbesonnenen
Jugend, welche ohne Verstand borgt, oder der Be-
trüger; beides mag ich mir nicht vorwerfen lassen.

Was soll ich von Jhren übrigen Mitteln sagen,
die Sie mir vorschlagen? Befreyt mich eine unvoll-
kommne Unterschrift von der Verbindlichkeit, die ich
haben würde, wenn ich auch gar nichts unterschrie-
ben hätte? Seinem Gläubiger den Wechsel mit
Gewalt aus den Händen zu reissen, ist eine Art ei-
nes Raubes, die das Rad verdient, und nicht den
Beyfall der vernünftigen Welt, wenn auch diese ver-
nünftige Welt nicht einmal ehrlich wäre.

Ueber den Vorschlag, mich närrisch zu machen,
will ich mich nicht erklären. Sie hätten verdient,

daß

Satyriſche Briefe.
weiß ich auch, daß uns in gewiſſen Faͤllen die Eh-
re dazu verbindet, wenn es gleich die Geſetze nicht
thun. Die Vorſicht der Geſetzgeber war noͤthig,
die Bosheit derjenigen zu ſteuern, die ſich unſers ju-
gendlichen Unverſtandes bedienen, um etwas zu ge-
winnen; wider diejenigen aber duͤrfen wir uns die-
ſes Mittels nicht bedienen, die uns als ehrliche Leu-
te geholfen haben, wir ſetzen uns ſonſt in eine Claſſe
mit den Wahnwitzigen und Verſchwendern, fuͤr
welche die Geſetze auf eben die Art geſorgt haben.
Bin ich in meinem fuͤnf und zwanzigſten Jahre
nicht eben ſo verbunden ehrlich zu ſeyn, als im ſechs
und zwanzigſten? Der Taufſchein wird mich wider
mein ehrliebendes Gewiſſen nicht ſchuͤtzen, wenn es
mich auch wider den Richter ſchuͤtzt. Mit einem
Worte, dergleichen Rechte der Unmuͤndigen ſind
meiſtentheils nur eine Zuflucht der unbeſonnenen
Jugend, welche ohne Verſtand borgt, oder der Be-
truͤger; beides mag ich mir nicht vorwerfen laſſen.

Was ſoll ich von Jhren uͤbrigen Mitteln ſagen,
die Sie mir vorſchlagen? Befreyt mich eine unvoll-
kommne Unterſchrift von der Verbindlichkeit, die ich
haben wuͤrde, wenn ich auch gar nichts unterſchrie-
ben haͤtte? Seinem Glaͤubiger den Wechſel mit
Gewalt aus den Haͤnden zu reiſſen, iſt eine Art ei-
nes Raubes, die das Rad verdient, und nicht den
Beyfall der vernuͤnftigen Welt, wenn auch dieſe ver-
nuͤnftige Welt nicht einmal ehrlich waͤre.

Ueber den Vorſchlag, mich naͤrriſch zu machen,
will ich mich nicht erklaͤren. Sie haͤtten verdient,

daß
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[404/0432] Satyriſche Briefe. weiß ich auch, daß uns in gewiſſen Faͤllen die Eh- re dazu verbindet, wenn es gleich die Geſetze nicht thun. Die Vorſicht der Geſetzgeber war noͤthig, die Bosheit derjenigen zu ſteuern, die ſich unſers ju- gendlichen Unverſtandes bedienen, um etwas zu ge- winnen; wider diejenigen aber duͤrfen wir uns die- ſes Mittels nicht bedienen, die uns als ehrliche Leu- te geholfen haben, wir ſetzen uns ſonſt in eine Claſſe mit den Wahnwitzigen und Verſchwendern, fuͤr welche die Geſetze auf eben die Art geſorgt haben. Bin ich in meinem fuͤnf und zwanzigſten Jahre nicht eben ſo verbunden ehrlich zu ſeyn, als im ſechs und zwanzigſten? Der Taufſchein wird mich wider mein ehrliebendes Gewiſſen nicht ſchuͤtzen, wenn es mich auch wider den Richter ſchuͤtzt. Mit einem Worte, dergleichen Rechte der Unmuͤndigen ſind meiſtentheils nur eine Zuflucht der unbeſonnenen Jugend, welche ohne Verſtand borgt, oder der Be- truͤger; beides mag ich mir nicht vorwerfen laſſen. Was ſoll ich von Jhren uͤbrigen Mitteln ſagen, die Sie mir vorſchlagen? Befreyt mich eine unvoll- kommne Unterſchrift von der Verbindlichkeit, die ich haben wuͤrde, wenn ich auch gar nichts unterſchrie- ben haͤtte? Seinem Glaͤubiger den Wechſel mit Gewalt aus den Haͤnden zu reiſſen, iſt eine Art ei- nes Raubes, die das Rad verdient, und nicht den Beyfall der vernuͤnftigen Welt, wenn auch dieſe ver- nuͤnftige Welt nicht einmal ehrlich waͤre. Ueber den Vorſchlag, mich naͤrriſch zu machen, will ich mich nicht erklaͤren. Sie haͤtten verdient, daß

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/432>, abgerufen am 23.11.2024.