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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
begierde, eine Unachtsamkeit in ihrer Wirthschaft,
und die träumende Hoffnung auf ein unerwartetes
Glück, das Sie retten soll; dieses sind die gemein-
sten, und wichtigsten Ursachen an dem Umsturze der
größten Häuser. Von denen rede ich nicht, welche
muthwillige Betrüger sind, und deren sind sehr viele;
nur von denen rede ich, die, wie ich, unvorsichtig ge-
nug, aber doch ehrlich sind.

Nun stellen Sie sich einmal vor, wie sehr ich
durch Jhren Brief muß gedemüthigt worden seyn,
da ich sehe, daß Sie mich für einen Betrüger, und
nicht für einen verunglückten Mann ansehen, wel-
cher ein Mittel sucht sich zu retten, ohne sein Gewis-
sen und seine Ehre zu verlieren. Und beides müßte
ich verlieren, wenn ich nur einen einzigen von Jhren
Vorschlägen annähme.

Es gehört wirklich eben so wenig Verstand da-
zu, einen verstellten Eid zu leisten, als wenig Ver-
stand nöthig ist, iemanden dergleichen anzurathen.
Da ich noch in der ersten Classe saß, sahe ich diese
Weisheit schon ein, und mein Präceptor, so ein-
fältig er auch war, überführte mich doch, daß der-
gleichen Kunstgriffe auch den niedrigsten Pöbel
schändeten. Jhnen, als einem Rechtsgelehrten, darf
ich das nicht weiter erklären, und da Sie ein Christ
sind, der Gott zu Ehren alle Wochen einmal fas-
tet: so werden Sie besser, als ich, überzeugt seyn,
wie abscheulich dergleichen betrügrische Eide sind.

Jch weiß die Gesetze wohl, die uns von der
Verbindlichkeit des Wiederersatzes lossprechen, wenn
man in einem gewissen Alter geborgt hat; aber das

weiß
C c 2

Satyriſche Briefe.
begierde, eine Unachtſamkeit in ihrer Wirthſchaft,
und die traͤumende Hoffnung auf ein unerwartetes
Gluͤck, das Sie retten ſoll; dieſes ſind die gemein-
ſten, und wichtigſten Urſachen an dem Umſturze der
groͤßten Haͤuſer. Von denen rede ich nicht, welche
muthwillige Betruͤger ſind, und deren ſind ſehr viele;
nur von denen rede ich, die, wie ich, unvorſichtig ge-
nug, aber doch ehrlich ſind.

Nun ſtellen Sie ſich einmal vor, wie ſehr ich
durch Jhren Brief muß gedemuͤthigt worden ſeyn,
da ich ſehe, daß Sie mich fuͤr einen Betruͤger, und
nicht fuͤr einen verungluͤckten Mann anſehen, wel-
cher ein Mittel ſucht ſich zu retten, ohne ſein Gewiſ-
ſen und ſeine Ehre zu verlieren. Und beides muͤßte
ich verlieren, wenn ich nur einen einzigen von Jhren
Vorſchlaͤgen annaͤhme.

Es gehoͤrt wirklich eben ſo wenig Verſtand da-
zu, einen verſtellten Eid zu leiſten, als wenig Ver-
ſtand noͤthig iſt, iemanden dergleichen anzurathen.
Da ich noch in der erſten Claſſe ſaß, ſahe ich dieſe
Weisheit ſchon ein, und mein Praͤceptor, ſo ein-
faͤltig er auch war, uͤberfuͤhrte mich doch, daß der-
gleichen Kunſtgriffe auch den niedrigſten Poͤbel
ſchaͤndeten. Jhnen, als einem Rechtsgelehrten, darf
ich das nicht weiter erklaͤren, und da Sie ein Chriſt
ſind, der Gott zu Ehren alle Wochen einmal faſ-
tet: ſo werden Sie beſſer, als ich, uͤberzeugt ſeyn,
wie abſcheulich dergleichen betruͤgriſche Eide ſind.

Jch weiß die Geſetze wohl, die uns von der
Verbindlichkeit des Wiedererſatzes losſprechen, wenn
man in einem gewiſſen Alter geborgt hat; aber das

weiß
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[403/0431] Satyriſche Briefe. begierde, eine Unachtſamkeit in ihrer Wirthſchaft, und die traͤumende Hoffnung auf ein unerwartetes Gluͤck, das Sie retten ſoll; dieſes ſind die gemein- ſten, und wichtigſten Urſachen an dem Umſturze der groͤßten Haͤuſer. Von denen rede ich nicht, welche muthwillige Betruͤger ſind, und deren ſind ſehr viele; nur von denen rede ich, die, wie ich, unvorſichtig ge- nug, aber doch ehrlich ſind. Nun ſtellen Sie ſich einmal vor, wie ſehr ich durch Jhren Brief muß gedemuͤthigt worden ſeyn, da ich ſehe, daß Sie mich fuͤr einen Betruͤger, und nicht fuͤr einen verungluͤckten Mann anſehen, wel- cher ein Mittel ſucht ſich zu retten, ohne ſein Gewiſ- ſen und ſeine Ehre zu verlieren. Und beides muͤßte ich verlieren, wenn ich nur einen einzigen von Jhren Vorſchlaͤgen annaͤhme. Es gehoͤrt wirklich eben ſo wenig Verſtand da- zu, einen verſtellten Eid zu leiſten, als wenig Ver- ſtand noͤthig iſt, iemanden dergleichen anzurathen. Da ich noch in der erſten Claſſe ſaß, ſahe ich dieſe Weisheit ſchon ein, und mein Praͤceptor, ſo ein- faͤltig er auch war, uͤberfuͤhrte mich doch, daß der- gleichen Kunſtgriffe auch den niedrigſten Poͤbel ſchaͤndeten. Jhnen, als einem Rechtsgelehrten, darf ich das nicht weiter erklaͤren, und da Sie ein Chriſt ſind, der Gott zu Ehren alle Wochen einmal faſ- tet: ſo werden Sie beſſer, als ich, uͤberzeugt ſeyn, wie abſcheulich dergleichen betruͤgriſche Eide ſind. Jch weiß die Geſetze wohl, die uns von der Verbindlichkeit des Wiedererſatzes losſprechen, wenn man in einem gewiſſen Alter geborgt hat; aber das weiß C c 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/431>, abgerufen am 23.11.2024.