selle; und ich meines Orts müßte aller Empfindun- gen der Menschheit unwürdig seyn, wenn ich das Geringste versäumen wollte, Jhre Glückseligkeit eben so vollkommen zu machen, als ich die meinige zu sehn wünsche. Kann ich hoffen, in meinen Wünschen glücklich zu seyn? Das macht mir keine Sorge, daß mein Amt sehr wenig einträglich ist; daß Sie selbst kein Vermögen besitzen; und daß ich kei- ne so nahe Hoffnung vor mir sehe, wie diesem Mangel der zeitlichen Glücksumstände abzuhelfen seyn möchte. Es kann nicht fehlen, eine so tugend- hafte Liebe, wie die unsrige ist, läßt der Himmel nicht unbelohnt. Er wird uns Wege zu unsrer Verbessrung zeigen, die wir als einen Seegen unsrer vernünftigen Absichten ansehn können. Gesetzt aber auch, unsre Umstände verbesserten sich nicht; gesetzt, wir lebten kümmerlich: o wie viel haben wir vor tausend Familien voraus, da uns unsre aufrichtige und zärtliche Liebe nicht Zeit läßt, an unsern Mangel zu denken. Jch wenigstens, Ma- demoiselle, ich traue mir, bey Wasser und Brod der vergnügteste Ehmann zu bleiben, wenn ich das Glück habe, der Jhrige zu seyn.
Antwort.
Nein, wahrhaftig nein, mein Herr, das ist meine Religion nicht. So hoch ich Sie schä- tze, und so lieb ich Sie als einen meiner besten Freunde habe: so wenig kann ich mich entschliessen,
als
Satyriſche Briefe.
ſelle; und ich meines Orts muͤßte aller Empfindun- gen der Menſchheit unwuͤrdig ſeyn, wenn ich das Geringſte verſaͤumen wollte, Jhre Gluͤckſeligkeit eben ſo vollkommen zu machen, als ich die meinige zu ſehn wuͤnſche. Kann ich hoffen, in meinen Wuͤnſchen gluͤcklich zu ſeyn? Das macht mir keine Sorge, daß mein Amt ſehr wenig eintraͤglich iſt; daß Sie ſelbſt kein Vermoͤgen beſitzen; und daß ich kei- ne ſo nahe Hoffnung vor mir ſehe, wie dieſem Mangel der zeitlichen Gluͤcksumſtaͤnde abzuhelfen ſeyn moͤchte. Es kann nicht fehlen, eine ſo tugend- hafte Liebe, wie die unſrige iſt, laͤßt der Himmel nicht unbelohnt. Er wird uns Wege zu unſrer Verbeſſrung zeigen, die wir als einen Seegen unſrer vernuͤnftigen Abſichten anſehn koͤnnen. Geſetzt aber auch, unſre Umſtaͤnde verbeſſerten ſich nicht; geſetzt, wir lebten kuͤmmerlich: o wie viel haben wir vor tauſend Familien voraus, da uns unſre aufrichtige und zaͤrtliche Liebe nicht Zeit laͤßt, an unſern Mangel zu denken. Jch wenigſtens, Ma- demoiſelle, ich traue mir, bey Waſſer und Brod der vergnuͤgteſte Ehmann zu bleiben, wenn ich das Gluͤck habe, der Jhrige zu ſeyn.
Antwort.
Nein, wahrhaftig nein, mein Herr, das iſt meine Religion nicht. So hoch ich Sie ſchaͤ- tze, und ſo lieb ich Sie als einen meiner beſten Freunde habe: ſo wenig kann ich mich entſchlieſſen,
als
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Satyriſche Briefe.
ſelle; und ich meines Orts muͤßte aller Empfindun-
gen der Menſchheit unwuͤrdig ſeyn, wenn ich das
Geringſte verſaͤumen wollte, Jhre Gluͤckſeligkeit
eben ſo vollkommen zu machen, als ich die meinige
zu ſehn wuͤnſche. Kann ich hoffen, in meinen
Wuͤnſchen gluͤcklich zu ſeyn? Das macht mir keine
Sorge, daß mein Amt ſehr wenig eintraͤglich iſt; daß
Sie ſelbſt kein Vermoͤgen beſitzen; und daß ich kei-
ne ſo nahe Hoffnung vor mir ſehe, wie dieſem
Mangel der zeitlichen Gluͤcksumſtaͤnde abzuhelfen
ſeyn moͤchte. Es kann nicht fehlen, eine ſo tugend-
hafte Liebe, wie die unſrige iſt, laͤßt der Himmel
nicht unbelohnt. Er wird uns Wege zu unſrer
Verbeſſrung zeigen, die wir als einen Seegen unſrer
vernuͤnftigen Abſichten anſehn koͤnnen. Geſetzt
aber auch, unſre Umſtaͤnde verbeſſerten ſich nicht;
geſetzt, wir lebten kuͤmmerlich: o wie viel haben
wir vor tauſend Familien voraus, da uns unſre
aufrichtige und zaͤrtliche Liebe nicht Zeit laͤßt, an
unſern Mangel zu denken. Jch wenigſtens, Ma-
demoiſelle, ich traue mir, bey Waſſer und Brod
der vergnuͤgteſte Ehmann zu bleiben, wenn ich das
Gluͤck habe, der Jhrige zu ſeyn.
Antwort.
Nein, wahrhaftig nein, mein Herr, das iſt
meine Religion nicht. So hoch ich Sie ſchaͤ-
tze, und ſo lieb ich Sie als einen meiner beſten
Freunde habe: ſo wenig kann ich mich entſchlieſſen,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/386>, abgerufen am 08.01.2025.
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