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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
cher Achtung Sie mir den ganzen Abend hindurch
begegneten. Jch war die erste, die Sie zum Tan-
ze auffoderten, und ich glaube mich nicht zu irren,
wenn ich Sie versichre, daß ich bey aller Jhrer
Bescheidenheit die lose Sprache Jhrer Augen ver-
standen, und Jhr ganzes Herz gesehen habe, als
Sie mir die Hand zum erstenmale küßten. Fast
sind Sie noch ein wenig zu furchtsam. Jch will
Jhrer Schüchternheit auf dem halben Wege ent-
gegen kommen. Jch will Jhnen sagen, daß ich
Sie liebe. Urtheilen Sie, wie jung mein Herz
seyn muß, da es mit dem Jhrigen einerley fühlt.
Wie glücklich werde ich seyn, wenn ich, bey einer
genauern Verbindung mit Jhnen, mich wegen
derjenigen Jahre schadlos halten kann, in denen
ich an der Seite eines abgelebten mürrischen Man-
nes ganz trostlos seufzen müssen. Meine Aeltern
zwangen mich, ihn zu heirathen, weil er Vermö-
gen hatte; ich konnte ihn aber aller, Bemühungen
ungeachtet, dahin nicht bringen, daß er seines Le-
bens überdrüßig geworden wäre. Dreyßig Jahre,
können Sie es wohl glauben, dreyßig Jahre lebte
er noch, und nur mir zum Trotze ist er nicht eher,
als vor fünf Jahren, gestorben. Jch bin ganz frey,
und besitze, ausser einem zärtlichen Herzen, Geld
genug, Sie glücklich zu machen. Wollen Sie
meine Hand annehmen? Hier ist sie. Es kömmt
auf Sie an, wie viel Sie verlangen, Sich einen
Rang zu kaufen, und eine anständige Equipage
anzuschaffen. Mit wem ich mein Herz theile, mit

dem

Satyriſche Briefe.
cher Achtung Sie mir den ganzen Abend hindurch
begegneten. Jch war die erſte, die Sie zum Tan-
ze auffoderten, und ich glaube mich nicht zu irren,
wenn ich Sie verſichre, daß ich bey aller Jhrer
Beſcheidenheit die loſe Sprache Jhrer Augen ver-
ſtanden, und Jhr ganzes Herz geſehen habe, als
Sie mir die Hand zum erſtenmale kuͤßten. Faſt
ſind Sie noch ein wenig zu furchtſam. Jch will
Jhrer Schuͤchternheit auf dem halben Wege ent-
gegen kommen. Jch will Jhnen ſagen, daß ich
Sie liebe. Urtheilen Sie, wie jung mein Herz
ſeyn muß, da es mit dem Jhrigen einerley fuͤhlt.
Wie gluͤcklich werde ich ſeyn, wenn ich, bey einer
genauern Verbindung mit Jhnen, mich wegen
derjenigen Jahre ſchadlos halten kann, in denen
ich an der Seite eines abgelebten muͤrriſchen Man-
nes ganz troſtlos ſeufzen muͤſſen. Meine Aeltern
zwangen mich, ihn zu heirathen, weil er Vermoͤ-
gen hatte; ich konnte ihn aber aller, Bemuͤhungen
ungeachtet, dahin nicht bringen, daß er ſeines Le-
bens uͤberdruͤßig geworden waͤre. Dreyßig Jahre,
koͤnnen Sie es wohl glauben, dreyßig Jahre lebte
er noch, und nur mir zum Trotze iſt er nicht eher,
als vor fuͤnf Jahren, geſtorben. Jch bin ganz frey,
und beſitze, auſſer einem zaͤrtlichen Herzen, Geld
genug, Sie gluͤcklich zu machen. Wollen Sie
meine Hand annehmen? Hier iſt ſie. Es koͤmmt
auf Sie an, wie viel Sie verlangen, Sich einen
Rang zu kaufen, und eine anſtaͤndige Equipage
anzuſchaffen. Mit wem ich mein Herz theile, mit

dem
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[354/0382] Satyriſche Briefe. cher Achtung Sie mir den ganzen Abend hindurch begegneten. Jch war die erſte, die Sie zum Tan- ze auffoderten, und ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich Sie verſichre, daß ich bey aller Jhrer Beſcheidenheit die loſe Sprache Jhrer Augen ver- ſtanden, und Jhr ganzes Herz geſehen habe, als Sie mir die Hand zum erſtenmale kuͤßten. Faſt ſind Sie noch ein wenig zu furchtſam. Jch will Jhrer Schuͤchternheit auf dem halben Wege ent- gegen kommen. Jch will Jhnen ſagen, daß ich Sie liebe. Urtheilen Sie, wie jung mein Herz ſeyn muß, da es mit dem Jhrigen einerley fuͤhlt. Wie gluͤcklich werde ich ſeyn, wenn ich, bey einer genauern Verbindung mit Jhnen, mich wegen derjenigen Jahre ſchadlos halten kann, in denen ich an der Seite eines abgelebten muͤrriſchen Man- nes ganz troſtlos ſeufzen muͤſſen. Meine Aeltern zwangen mich, ihn zu heirathen, weil er Vermoͤ- gen hatte; ich konnte ihn aber aller, Bemuͤhungen ungeachtet, dahin nicht bringen, daß er ſeines Le- bens uͤberdruͤßig geworden waͤre. Dreyßig Jahre, koͤnnen Sie es wohl glauben, dreyßig Jahre lebte er noch, und nur mir zum Trotze iſt er nicht eher, als vor fuͤnf Jahren, geſtorben. Jch bin ganz frey, und beſitze, auſſer einem zaͤrtlichen Herzen, Geld genug, Sie gluͤcklich zu machen. Wollen Sie meine Hand annehmen? Hier iſt ſie. Es koͤmmt auf Sie an, wie viel Sie verlangen, Sich einen Rang zu kaufen, und eine anſtaͤndige Equipage anzuſchaffen. Mit wem ich mein Herz theile, mit dem

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/382>, abgerufen am 23.11.2024.