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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.


"Jch habe mich schon oben erklärt, in wie
"weit ich es entschuldige, wenn junge
"Mannspersonen alte Weiber heirathen.
"Lächerlich sind sie mir immer, das kann ich
"nicht läugnen. Sind sie aber nur mit ihrem
"guten Vortheile lächerlich, und machen sie nur
"Anstalt, daß ihre bejahrten Schönen sich zu rech-
"ter Zeit abführen: so werden sie etwas haben,
"womit sie sich über die Spöttereyen der Welt trö-
"sten können. Sie kommen mir wie diejenigen
"vor, die vor dem alten Bilde einer Heiligen knien,
"das schon ihr Großvater angebetet hat. Werden
"sie erhört, so ist es schon gnug, nur darf diese
"Andacht nicht zu lange dauern. Oft fehlen wir
"in unsrer Hoffnung, und alsdann ist das Unglück
"nicht zu übersehn. Jch habe einen Freund, wel-
"chen seine Schulden nöthigten, auf diese verzwei-
"felte Art zärtlich zu thun. Er hat sein Unglück
"zwanzig Jahre mit ziemlicher Gelassenheit ertra-
"gen. Schon dreymal hat er alles eingekauft,
"was zur Trauer eines Wittwers gehört, und drey-
"mal hat sich seine fünf und siebenzigjährige Phyl-
"lis entschlossen, wieder gesund zu werden, und
"vom neuen aufzuleben. Er hat mich gebeten, nach-
"stehenden Brief bekannt zu machen, damit er sich
"bey denen entschuldige, welche ihm die ungleiche
"Heirath mit einer fünf und funfzigjährigen Wittwe
"ehedem als eine Thorheit haben auslegen wollen.

Er
Satyriſche Briefe.


Jch habe mich ſchon oben erklaͤrt, in wie
„weit ich es entſchuldige, wenn junge
„Mannsperſonen alte Weiber heirathen.
„Laͤcherlich ſind ſie mir immer, das kann ich
„nicht laͤugnen. Sind ſie aber nur mit ihrem
„guten Vortheile laͤcherlich, und machen ſie nur
„Anſtalt, daß ihre bejahrten Schoͤnen ſich zu rech-
„ter Zeit abfuͤhren: ſo werden ſie etwas haben,
„womit ſie ſich uͤber die Spoͤttereyen der Welt troͤ-
„ſten koͤnnen. Sie kommen mir wie diejenigen
„vor, die vor dem alten Bilde einer Heiligen knien,
„das ſchon ihr Großvater angebetet hat. Werden
„ſie erhoͤrt, ſo iſt es ſchon gnug, nur darf dieſe
„Andacht nicht zu lange dauern. Oft fehlen wir
„in unſrer Hoffnung, und alsdann iſt das Ungluͤck
„nicht zu uͤberſehn. Jch habe einen Freund, wel-
„chen ſeine Schulden noͤthigten, auf dieſe verzwei-
„felte Art zaͤrtlich zu thun. Er hat ſein Ungluͤck
„zwanzig Jahre mit ziemlicher Gelaſſenheit ertra-
„gen. Schon dreymal hat er alles eingekauft,
„was zur Trauer eines Wittwers gehoͤrt, und drey-
„mal hat ſich ſeine fuͤnf und ſiebenzigjaͤhrige Phyl-
„lis entſchloſſen, wieder geſund zu werden, und
„vom neuen aufzuleben. Er hat mich gebeten, nach-
„ſtehenden Brief bekannt zu machen, damit er ſich
„bey denen entſchuldige, welche ihm die ungleiche
„Heirath mit einer fuͤnf und funfzigjaͤhrigen Wittwe
„ehedem als eine Thorheit haben auslegen wollen.

Er
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[352/0380] Satyriſche Briefe. „Jch habe mich ſchon oben erklaͤrt, in wie „weit ich es entſchuldige, wenn junge „Mannsperſonen alte Weiber heirathen. „Laͤcherlich ſind ſie mir immer, das kann ich „nicht laͤugnen. Sind ſie aber nur mit ihrem „guten Vortheile laͤcherlich, und machen ſie nur „Anſtalt, daß ihre bejahrten Schoͤnen ſich zu rech- „ter Zeit abfuͤhren: ſo werden ſie etwas haben, „womit ſie ſich uͤber die Spoͤttereyen der Welt troͤ- „ſten koͤnnen. Sie kommen mir wie diejenigen „vor, die vor dem alten Bilde einer Heiligen knien, „das ſchon ihr Großvater angebetet hat. Werden „ſie erhoͤrt, ſo iſt es ſchon gnug, nur darf dieſe „Andacht nicht zu lange dauern. Oft fehlen wir „in unſrer Hoffnung, und alsdann iſt das Ungluͤck „nicht zu uͤberſehn. Jch habe einen Freund, wel- „chen ſeine Schulden noͤthigten, auf dieſe verzwei- „felte Art zaͤrtlich zu thun. Er hat ſein Ungluͤck „zwanzig Jahre mit ziemlicher Gelaſſenheit ertra- „gen. Schon dreymal hat er alles eingekauft, „was zur Trauer eines Wittwers gehoͤrt, und drey- „mal hat ſich ſeine fuͤnf und ſiebenzigjaͤhrige Phyl- „lis entſchloſſen, wieder geſund zu werden, und „vom neuen aufzuleben. Er hat mich gebeten, nach- „ſtehenden Brief bekannt zu machen, damit er ſich „bey denen entſchuldige, welche ihm die ungleiche „Heirath mit einer fuͤnf und funfzigjaͤhrigen Wittwe „ehedem als eine Thorheit haben auslegen wollen. Er

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/380>, abgerufen am 23.11.2024.