Fehler von sich selbst zu sagen: wie wird er Dir die Ohren reiben, wenn er Deine Fehler kennen lernt! Das wäre mir unerträglich. Wenn ich schon Frau bin, und Kinder ziehe, soll ich da noch erst mich selbst ziehen und hofmeistern lassen? Nein, Herr Mann, das lasse er bleiben, oder es läuft nicht gut ab!
Mit einem Worte, Schwester, überlege, was Du thust, und mache Dich nicht ohne Noth un- glücklich.
Lebe wohl.
Liebe Jungfer Gevatterinn,
Jch weiß nicht, was ich Jhnen rathen soll. So viel ist gewiß, ich möchte lieber des Herrn R - - - Vater oder Bedienter seyn, als seine Frau. Er verlangt von Jhnen gar zu viel, gewiß gar zu viel. Mein seliger Mann, tröste ihn Gott! hätte mir so kommen sollen, wie Jhnen Jhr Liebhaber begegnet; mit Füssen hätte ich ihn getreten, den Hund! Es kann unmöglich ein gutes Ende nehmen, da er schon so früh anfängt, die Klauen sehen zu lassen. Das wolle der Himmel nicht, was soll daraus werden! Wir armen Weiber! Wir haben die ganze Wirth- schaft, und die Kinder auf dem Halse, wenn unsre Männer aus dem Hause gehen, und vornehmen, was sie wollen. Sollen wir nicht zu Hause un- sern Willen haben, da wir ohnedem halbe Skla- vinnen sind? Ueberlegen Sie es wohl, Jungfer Gevatterinn, bey Jhren Jahren und bey Jhrem
Gelde
Satyriſche Briefe.
Fehler von ſich ſelbſt zu ſagen: wie wird er Dir die Ohren reiben, wenn er Deine Fehler kennen lernt! Das waͤre mir unertraͤglich. Wenn ich ſchon Frau bin, und Kinder ziehe, ſoll ich da noch erſt mich ſelbſt ziehen und hofmeiſtern laſſen? Nein, Herr Mann, das laſſe er bleiben, oder es laͤuft nicht gut ab!
Mit einem Worte, Schweſter, uͤberlege, was Du thuſt, und mache Dich nicht ohne Noth un- gluͤcklich.
Lebe wohl.
Liebe Jungfer Gevatterinn,
Jch weiß nicht, was ich Jhnen rathen ſoll. So viel iſt gewiß, ich moͤchte lieber des Herrn R ‒ ‒ ‒ Vater oder Bedienter ſeyn, als ſeine Frau. Er verlangt von Jhnen gar zu viel, gewiß gar zu viel. Mein ſeliger Mann, troͤſte ihn Gott! haͤtte mir ſo kommen ſollen, wie Jhnen Jhr Liebhaber begegnet; mit Fuͤſſen haͤtte ich ihn getreten, den Hund! Es kann unmoͤglich ein gutes Ende nehmen, da er ſchon ſo fruͤh anfaͤngt, die Klauen ſehen zu laſſen. Das wolle der Himmel nicht, was ſoll daraus werden! Wir armen Weiber! Wir haben die ganze Wirth- ſchaft, und die Kinder auf dem Halſe, wenn unſre Maͤnner aus dem Hauſe gehen, und vornehmen, was ſie wollen. Sollen wir nicht zu Hauſe un- ſern Willen haben, da wir ohnedem halbe Skla- vinnen ſind? Ueberlegen Sie es wohl, Jungfer Gevatterinn, bey Jhren Jahren und bey Jhrem
Gelde
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Satyriſche Briefe.
Fehler von ſich ſelbſt zu ſagen: wie wird er Dir die
Ohren reiben, wenn er Deine Fehler kennen lernt!
Das waͤre mir unertraͤglich. Wenn ich ſchon Frau
bin, und Kinder ziehe, ſoll ich da noch erſt mich
ſelbſt ziehen und hofmeiſtern laſſen? Nein, Herr
Mann, das laſſe er bleiben, oder es laͤuft nicht
gut ab!
Mit einem Worte, Schweſter, uͤberlege, was
Du thuſt, und mache Dich nicht ohne Noth un-
gluͤcklich.
Lebe wohl.
Liebe Jungfer Gevatterinn,
Jch weiß nicht, was ich Jhnen rathen ſoll. So
viel iſt gewiß, ich moͤchte lieber des Herrn
R ‒ ‒ ‒ Vater oder Bedienter ſeyn, als ſeine Frau.
Er verlangt von Jhnen gar zu viel, gewiß gar zu viel.
Mein ſeliger Mann, troͤſte ihn Gott! haͤtte mir ſo
kommen ſollen, wie Jhnen Jhr Liebhaber begegnet;
mit Fuͤſſen haͤtte ich ihn getreten, den Hund! Es
kann unmoͤglich ein gutes Ende nehmen, da er ſchon
ſo fruͤh anfaͤngt, die Klauen ſehen zu laſſen. Das
wolle der Himmel nicht, was ſoll daraus werden!
Wir armen Weiber! Wir haben die ganze Wirth-
ſchaft, und die Kinder auf dem Halſe, wenn unſre
Maͤnner aus dem Hauſe gehen, und vornehmen,
was ſie wollen. Sollen wir nicht zu Hauſe un-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/374>, abgerufen am 22.02.2025.
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