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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

Um acht Uhr geht der Mann auf die Schrei-
bestube. Er küßt Sie zum Abschiede, und geht!
Sehn Sie nun, Jungfer Muhme, darauf können
Sie also sichre Rechnung machen, daß wenn er
Sie den ersten Tag früh um acht Uhr geküßt hat,
so küßt er Sie das ganze Jahr lang früh um acht
Uhr. Beträgt in einem Jahre, richtig gerechnet,
dreyhundert und fünf und sechzig Küsse zum Früh-
stücke, und wenn wir ein Schaltjahr haben, noch
einen Kuß mehr.

Von acht bis zwölf Uhr haben Sie Zeit, Jh-
re Wirthschaft zu besorgen, und, wie Jhr zukünf-
tiger Eheherr sehr tiefsinnig sich ausdrückt, sich der
Herrschaft in der Küche zu bemächtigen.

Um zwölf Uhr kömmt er heim. Sorgen
Sie ja, daß Sie fein nach Rauche riechen, und
Rus am Arme haben, damit er die gute Wirthinn
sieht. Aber vor allen Dingen sorgen Sie, daß
das Essen mit dem zwölften Schlage auf dem Ti-
sche steht.

Bis um zwey Uhr wird gegessen, und wie
ich hoffen will, nichts gethan, als Caffee getrunken.

Um zwey Uhr geht er wieder an seine Arbeit,
und Sie gehn ins Bette. Denn so ein Barbar
wird er doch nicht seyn, daß er Jhnen dieses ver-
wehren wollte. Schlafen kostet ja kein Geld, und
wenn Sie schlafen, so widersprechen Sie auch
nicht; zween Hauptpunkte, die Jhr Sittenpredi-
ger sehr einzuschärfen sucht! Bis um sieben Uhr
also thun Sie, was Jhnen gefällt, und dieses wer-

den
Satyriſche Briefe.

Um acht Uhr geht der Mann auf die Schrei-
beſtube. Er kuͤßt Sie zum Abſchiede, und geht!
Sehn Sie nun, Jungfer Muhme, darauf koͤnnen
Sie alſo ſichre Rechnung machen, daß wenn er
Sie den erſten Tag fruͤh um acht Uhr gekuͤßt hat,
ſo kuͤßt er Sie das ganze Jahr lang fruͤh um acht
Uhr. Betraͤgt in einem Jahre, richtig gerechnet,
dreyhundert und fuͤnf und ſechzig Kuͤſſe zum Fruͤh-
ſtuͤcke, und wenn wir ein Schaltjahr haben, noch
einen Kuß mehr.

Von acht bis zwoͤlf Uhr haben Sie Zeit, Jh-
re Wirthſchaft zu beſorgen, und, wie Jhr zukuͤnf-
tiger Eheherr ſehr tiefſinnig ſich ausdruͤckt, ſich der
Herrſchaft in der Kuͤche zu bemaͤchtigen.

Um zwoͤlf Uhr koͤmmt er heim. Sorgen
Sie ja, daß Sie fein nach Rauche riechen, und
Rus am Arme haben, damit er die gute Wirthinn
ſieht. Aber vor allen Dingen ſorgen Sie, daß
das Eſſen mit dem zwoͤlften Schlage auf dem Ti-
ſche ſteht.

Bis um zwey Uhr wird gegeſſen, und wie
ich hoffen will, nichts gethan, als Caffee getrunken.

Um zwey Uhr geht er wieder an ſeine Arbeit,
und Sie gehn ins Bette. Denn ſo ein Barbar
wird er doch nicht ſeyn, daß er Jhnen dieſes ver-
wehren wollte. Schlafen koſtet ja kein Geld, und
wenn Sie ſchlafen, ſo widerſprechen Sie auch
nicht; zween Hauptpunkte, die Jhr Sittenpredi-
ger ſehr einzuſchaͤrfen ſucht! Bis um ſieben Uhr
alſo thun Sie, was Jhnen gefaͤllt, und dieſes wer-

den
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[342/0370] Satyriſche Briefe. Um acht Uhr geht der Mann auf die Schrei- beſtube. Er kuͤßt Sie zum Abſchiede, und geht! Sehn Sie nun, Jungfer Muhme, darauf koͤnnen Sie alſo ſichre Rechnung machen, daß wenn er Sie den erſten Tag fruͤh um acht Uhr gekuͤßt hat, ſo kuͤßt er Sie das ganze Jahr lang fruͤh um acht Uhr. Betraͤgt in einem Jahre, richtig gerechnet, dreyhundert und fuͤnf und ſechzig Kuͤſſe zum Fruͤh- ſtuͤcke, und wenn wir ein Schaltjahr haben, noch einen Kuß mehr. Von acht bis zwoͤlf Uhr haben Sie Zeit, Jh- re Wirthſchaft zu beſorgen, und, wie Jhr zukuͤnf- tiger Eheherr ſehr tiefſinnig ſich ausdruͤckt, ſich der Herrſchaft in der Kuͤche zu bemaͤchtigen. Um zwoͤlf Uhr koͤmmt er heim. Sorgen Sie ja, daß Sie fein nach Rauche riechen, und Rus am Arme haben, damit er die gute Wirthinn ſieht. Aber vor allen Dingen ſorgen Sie, daß das Eſſen mit dem zwoͤlften Schlage auf dem Ti- ſche ſteht. Bis um zwey Uhr wird gegeſſen, und wie ich hoffen will, nichts gethan, als Caffee getrunken. Um zwey Uhr geht er wieder an ſeine Arbeit, und Sie gehn ins Bette. Denn ſo ein Barbar wird er doch nicht ſeyn, daß er Jhnen dieſes ver- wehren wollte. Schlafen koſtet ja kein Geld, und wenn Sie ſchlafen, ſo widerſprechen Sie auch nicht; zween Hauptpunkte, die Jhr Sittenpredi- ger ſehr einzuſchaͤrfen ſucht! Bis um ſieben Uhr alſo thun Sie, was Jhnen gefaͤllt, und dieſes wer- den

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/370>, abgerufen am 23.11.2024.