[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. "zwar aus einem Buche, das viele von denen Her-"ren nicht gelesen haben, welche doch glauben, "daß sie gelehrt, geschickt, und beredt genug sind, "die Jugend, und künftig eine ganze Gemeine zu "unterweisen. Es fasset diese Stelle ein unver- "gleichliches Recept in sich, wie man bey der Wah "eines Jnformators, und Hofmeisters verfahren "soll. Wer Kinder hat, und diese Stelle, darum "weil sie lateinisch ist, nicht versteht, der lasse "sich solche von seinem Jnformator verdeutschen, "und gebe ihm dabey genau auf die Augen acht, "ob er sich im Gesichte verwandele. Jst er gelehrt, "und geschickt, und wohlgesittet: so wird er diese "Stelle sehr billig finden. Jst er alles dieses "nicht, so wird er es sehr übel nehmen, daß man "ihm die Erklärung einer so pedantischen Aufgabe, "die sich auf unsere Zeiten gar nicht mehr schickt, "zumuthen können. Aber vielleicht versteht er zu "seiner innerlichen Beruhigung so viel Latein nicht, "als nöthig ist, sie deutsch zu erklären. Hier ist die "ganze Stelle: "De paedagogis hoc amplius, ut aut sint nus A 5
Satyriſche Briefe. „zwar aus einem Buche, das viele von denen Her-„ren nicht geleſen haben, welche doch glauben, „daß ſie gelehrt, geſchickt, und beredt genug ſind, „die Jugend, und kuͤnftig eine ganze Gemeine zu „unterweiſen. Es faſſet dieſe Stelle ein unver- „gleichliches Recept in ſich, wie man bey der Wah „eines Jnformators, und Hofmeiſters verfahren „ſoll. Wer Kinder hat, und dieſe Stelle, darum „weil ſie lateiniſch iſt, nicht verſteht, der laſſe „ſich ſolche von ſeinem Jnformator verdeutſchen, „und gebe ihm dabey genau auf die Augen acht, „ob er ſich im Geſichte verwandele. Jſt er gelehrt, „und geſchickt, und wohlgeſittet: ſo wird er dieſe „Stelle ſehr billig finden. Jſt er alles dieſes „nicht, ſo wird er es ſehr uͤbel nehmen, daß man „ihm die Erklaͤrung einer ſo pedantiſchen Aufgabe, „die ſich auf unſere Zeiten gar nicht mehr ſchickt, „zumuthen koͤnnen. Aber vielleicht verſteht er zu „ſeiner innerlichen Beruhigung ſo viel Latein nicht, „als noͤthig iſt, ſie deutſch zu erklaͤren. Hier iſt die „ganze Stelle: „De pædagogis hoc amplius, ut aut ſint nus A 5
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Satyriſche Briefe.
„zwar aus einem Buche, das viele von denen Her-
„ren nicht geleſen haben, welche doch glauben,
„daß ſie gelehrt, geſchickt, und beredt genug ſind,
„die Jugend, und kuͤnftig eine ganze Gemeine zu
„unterweiſen. Es faſſet dieſe Stelle ein unver-
„gleichliches Recept in ſich, wie man bey der Wah
„eines Jnformators, und Hofmeiſters verfahren
„ſoll. Wer Kinder hat, und dieſe Stelle, darum
„weil ſie lateiniſch iſt, nicht verſteht, der laſſe
„ſich ſolche von ſeinem Jnformator verdeutſchen,
„und gebe ihm dabey genau auf die Augen acht,
„ob er ſich im Geſichte verwandele. Jſt er gelehrt,
„und geſchickt, und wohlgeſittet: ſo wird er dieſe
„Stelle ſehr billig finden. Jſt er alles dieſes
„nicht, ſo wird er es ſehr uͤbel nehmen, daß man
„ihm die Erklaͤrung einer ſo pedantiſchen Aufgabe,
„die ſich auf unſere Zeiten gar nicht mehr ſchickt,
„zumuthen koͤnnen. Aber vielleicht verſteht er zu
„ſeiner innerlichen Beruhigung ſo viel Latein nicht,
„als noͤthig iſt, ſie deutſch zu erklaͤren. Hier iſt die
„ganze Stelle:
„De pædagogis hoc amplius, ut aut ſint
„eruditi plane, quam primam eſſe curam ve-
„lim: aut, ſe non eſſe eruditos, ſciant. Nihil
„enim pejus eſt iis, qui paulum aliquid ultra
„primas literas progreſſi, falſam ſibi ſcientiæ
„perſuaſionem induerunt. Nam et cedere præ-
„cipiendi peritis indignantur et, velut jure quo-
„dam poteſtatis, quo fere hoc hominum ge-
nus
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