[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. verliert ja seinen ehrlichen Namen dabey? Aberwarum denn? Bey uns wohl nicht, Schwester- chen. Es ist niemand ehrlicher, als ein muthwillig bankruter Kaufmann, und niemand glücklicher, als seine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie altvätrisch bist Du! Mit einem Worte, Dein Lieb- haber mag seyn, wie er will, für mich wäre er nicht. So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann: so lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue, was Du willst, mit meinem Willen sollst Du den alten Jesus Syrach nicht heirathen. Deßwegen wollen wir nicht sitzen bleiben; ich gebe Dir mein Wort. Für unser Geld können wir uns einen Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen feinen geduldigen, und gehorsamen Mann: das lasse ich eher gelten. Lebe wohl und übereile Dich nicht. Jch bin Deine aufrichtige Freundinn etc. Jungfer Muhme, Jhr Herzensbändiger scheint ein allerliebster Pe- wie
Satyriſche Briefe. verliert ja ſeinen ehrlichen Namen dabey? Aberwarum denn? Bey uns wohl nicht, Schweſter- chen. Es iſt niemand ehrlicher, als ein muthwillig bankruter Kaufmann, und niemand gluͤcklicher, als ſeine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie altvaͤtriſch biſt Du! Mit einem Worte, Dein Lieb- haber mag ſeyn, wie er will, fuͤr mich waͤre er nicht. So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann: ſo lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue, was Du willſt, mit meinem Willen ſollſt Du den alten Jeſus Syrach nicht heirathen. Deßwegen wollen wir nicht ſitzen bleiben; ich gebe Dir mein Wort. Fuͤr unſer Geld koͤnnen wir uns einen Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen feinen geduldigen, und gehorſamen Mann: das laſſe ich eher gelten. Lebe wohl und uͤbereile Dich nicht. Jch bin Deine aufrichtige Freundinn ꝛc. Jungfer Muhme, Jhr Herzensbaͤndiger ſcheint ein allerliebſter Pe- wie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0368" n="340"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/> verliert ja ſeinen ehrlichen Namen dabey? Aber<lb/> warum denn? Bey uns wohl nicht, Schweſter-<lb/> chen. Es iſt niemand ehrlicher, als ein muthwillig<lb/> bankruter Kaufmann, und niemand gluͤcklicher,<lb/> als ſeine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie<lb/> altvaͤtriſch biſt Du! Mit einem Worte, Dein Lieb-<lb/> haber mag ſeyn, wie er will, fuͤr mich waͤre er nicht.<lb/> So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann:<lb/> ſo lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue,<lb/> was Du willſt, mit meinem Willen ſollſt Du den<lb/> alten Jeſus Syrach nicht heirathen. Deßwegen<lb/> wollen wir nicht ſitzen bleiben; ich gebe Dir mein<lb/> Wort. Fuͤr unſer Geld koͤnnen wir uns einen<lb/> Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen<lb/> feinen geduldigen, und gehorſamen Mann: das<lb/> laſſe ich eher gelten. Lebe wohl und uͤbereile Dich<lb/> nicht.</p> <closer> <salute>Jch bin Deine aufrichtige Freundinn ꝛc.</salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter"> <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Jungfer Muhme,</hi> </hi> </salute><lb/> <p><hi rendition="#in">J</hi>hr Herzensbaͤndiger ſcheint ein allerliebſter Pe-<lb/> dant zu ſeyn. Was muß er mit ſeiner Ord-<lb/> nung ſagen wollen, die er ſo einfoͤrmig gehalten<lb/> wiſſen will, daß ihm nicht eine Viertelſtunde ver-<lb/> ruͤckt wird? Der haͤtte ſollen einen guten Schul-<lb/> rektor in einem kleinen Staͤdtchen abgeben, wo<lb/> die Knaben von fruͤh um ſechs Uhr an bis auf den<lb/> Abend um zehn Uhr nach dem Takte der Ruthe<lb/> ſich anziehen, lernen, eſſen, trinken, und ſchlafen<lb/> muͤſſen, und das heute wie geſtern, und morgen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [340/0368]
Satyriſche Briefe.
verliert ja ſeinen ehrlichen Namen dabey? Aber
warum denn? Bey uns wohl nicht, Schweſter-
chen. Es iſt niemand ehrlicher, als ein muthwillig
bankruter Kaufmann, und niemand gluͤcklicher,
als ſeine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie
altvaͤtriſch biſt Du! Mit einem Worte, Dein Lieb-
haber mag ſeyn, wie er will, fuͤr mich waͤre er nicht.
So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann:
ſo lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue,
was Du willſt, mit meinem Willen ſollſt Du den
alten Jeſus Syrach nicht heirathen. Deßwegen
wollen wir nicht ſitzen bleiben; ich gebe Dir mein
Wort. Fuͤr unſer Geld koͤnnen wir uns einen
Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen
feinen geduldigen, und gehorſamen Mann: das
laſſe ich eher gelten. Lebe wohl und uͤbereile Dich
nicht.
Jch bin Deine aufrichtige Freundinn ꝛc.
Jungfer Muhme,
Jhr Herzensbaͤndiger ſcheint ein allerliebſter Pe-
dant zu ſeyn. Was muß er mit ſeiner Ord-
nung ſagen wollen, die er ſo einfoͤrmig gehalten
wiſſen will, daß ihm nicht eine Viertelſtunde ver-
ruͤckt wird? Der haͤtte ſollen einen guten Schul-
rektor in einem kleinen Staͤdtchen abgeben, wo
die Knaben von fruͤh um ſechs Uhr an bis auf den
Abend um zehn Uhr nach dem Takte der Ruthe
ſich anziehen, lernen, eſſen, trinken, und ſchlafen
muͤſſen, und das heute wie geſtern, und morgen
wie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |