"Bedienten selbst finden ihn lächerlich, und er wird "es endlich dem ganzen Hause, da er sich so wenig "Mühe giebt, seine Fehler zu verbergen, oder zu "ändern. Und dennoch wird eben dieser ungesittete "Mensch die bittersten Klagen führen, daß man "ihm in diesem Hause nicht mit der Achtung und "Ehrerbietung begegne, die er im Namen seines "Amtes fordert.
"Es ist ein Unglück, daß gemeiniglich nur die- "jenigen sich dieser Lebensart widmen, welchen die "Armuth ihrer Aeltern, und ihre niedrige Geburt "die Hoffnung benimmt, ihre Absichten auf etwas "höheres als auf die Erlangung einer Dorfpfarre "zu richten. Es geschieht alsdann gar zu leicht, "daß ihre Aufführung entweder zu schüchtern und "kleinmüthig ist, weil sie gewohnt sind, einsam und "im Dunkeln zu leben; oder sie ist zu trotzig und "zu stolz, weil sie zu wenig Gelegenheit gehabt ha- "ben, sich und die Welt kennen zu lernen. Bey- "des sind Folgen, welche ihnen bey der Unterwei- "sung der Jugend nachtheilig sind. Kömmt end- "lich dieses noch dazu, daß ihre Absichten allzuei- "gennützig sind, daß sie die Befördrung in ein Amt, "ie eher ie lieber zu erlangen wünschen, es geschehe "auch wie es wolle: so wird ihnen die übernommene "Arbeit desto verdrüßlicher, und die geringste Ver- "zögerung ihrer Hoffnung unerträglich fallen.
Aber
A 4
Satyriſche Briefe.
„Bedienten ſelbſt finden ihn laͤcherlich, und er wird „es endlich dem ganzen Hauſe, da er ſich ſo wenig „Muͤhe giebt, ſeine Fehler zu verbergen, oder zu „aͤndern. Und dennoch wird eben dieſer ungeſittete „Menſch die bitterſten Klagen fuͤhren, daß man „ihm in dieſem Hauſe nicht mit der Achtung und „Ehrerbietung begegne, die er im Namen ſeines „Amtes fordert.
„Es iſt ein Ungluͤck, daß gemeiniglich nur die- „jenigen ſich dieſer Lebensart widmen, welchen die „Armuth ihrer Aeltern, und ihre niedrige Geburt „die Hoffnung benimmt, ihre Abſichten auf etwas „hoͤheres als auf die Erlangung einer Dorfpfarre „zu richten. Es geſchieht alsdann gar zu leicht, „daß ihre Auffuͤhrung entweder zu ſchuͤchtern und „kleinmuͤthig iſt, weil ſie gewohnt ſind, einſam und „im Dunkeln zu leben; oder ſie iſt zu trotzig und „zu ſtolz, weil ſie zu wenig Gelegenheit gehabt ha- „ben, ſich und die Welt kennen zu lernen. Bey- „des ſind Folgen, welche ihnen bey der Unterwei- „ſung der Jugend nachtheilig ſind. Koͤmmt end- „lich dieſes noch dazu, daß ihre Abſichten allzuei- „gennuͤtzig ſind, daß ſie die Befoͤrdrung in ein Amt, „ie eher ie lieber zu erlangen wuͤnſchen, es geſchehe „auch wie es wolle: ſo wird ihnen die uͤbernommene „Arbeit deſto verdruͤßlicher, und die geringſte Ver- „zoͤgerung ihrer Hoffnung unertraͤglich fallen.
Aber
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Satyriſche Briefe.
„Bedienten ſelbſt finden ihn laͤcherlich, und er wird
„es endlich dem ganzen Hauſe, da er ſich ſo wenig
„Muͤhe giebt, ſeine Fehler zu verbergen, oder zu
„aͤndern. Und dennoch wird eben dieſer ungeſittete
„Menſch die bitterſten Klagen fuͤhren, daß man
„ihm in dieſem Hauſe nicht mit der Achtung und
„Ehrerbietung begegne, die er im Namen ſeines
„Amtes fordert.
„Es iſt ein Ungluͤck, daß gemeiniglich nur die-
„jenigen ſich dieſer Lebensart widmen, welchen die
„Armuth ihrer Aeltern, und ihre niedrige Geburt
„die Hoffnung benimmt, ihre Abſichten auf etwas
„hoͤheres als auf die Erlangung einer Dorfpfarre
„zu richten. Es geſchieht alsdann gar zu leicht,
„daß ihre Auffuͤhrung entweder zu ſchuͤchtern und
„kleinmuͤthig iſt, weil ſie gewohnt ſind, einſam und
„im Dunkeln zu leben; oder ſie iſt zu trotzig und
„zu ſtolz, weil ſie zu wenig Gelegenheit gehabt ha-
„ben, ſich und die Welt kennen zu lernen. Bey-
„des ſind Folgen, welche ihnen bey der Unterwei-
„ſung der Jugend nachtheilig ſind. Koͤmmt end-
„lich dieſes noch dazu, daß ihre Abſichten allzuei-
„gennuͤtzig ſind, daß ſie die Befoͤrdrung in ein Amt,
„ie eher ie lieber zu erlangen wuͤnſchen, es geſchehe
„auch wie es wolle: ſo wird ihnen die uͤbernommene
„Arbeit deſto verdruͤßlicher, und die geringſte Ver-
„zoͤgerung ihrer Hoffnung unertraͤglich fallen.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/35>, abgerufen am 16.07.2024.
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