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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
noch sechzehn Jahre seyn, und das, deucht mich,
ist fast zu jung, eine Wöchnerinn zu werden. Man
macht die guten Dinger vor der Zeit alt, und sie
kommen in das Ehestandskreuz, ehe sie recht anfan-
gen zu leben. Wie ich denn dem Hochgeehrten
Herrn Bruder nicht bergen mag, daß die Fräulein
sehr schwer daran geht. Sie ist von so gutem
jugement, daß sie des Herrn Bruders Verdienste
vollkommen einsieht. Sie gratulirt sich gar höch-
lich, wie es denn auch billig ist, der Ehre, die ihr
angetragen wird, und sie hat mich versichert, daß
sie sich nichts mehr wünsche, als mit der Zeit einen
Mann zu haben, der so rechtschaffen und edel gefin-
net sey, als der Herr Bruder. Nichts minder
sieht sie wohl ein, wie groß das Glück in Ansehung
der zeitlichen Umstände sey, das ihr angetragen
wird. Unbeschadet diesem allen ist sie von dem
Gedanken nicht abzubringen, daß sie noch zu jung
sey. Wenn aber ich es sehr ungern sehe, daß sie
sich in den Kopf gesetzt hat, vor ihrem zwanzigsten
Jahre nicht zu heirathen: so wäre dieses ungefähr
mein unvorgreiflicher Rath, man ließe das Mäd-
chen vollends heran wachsen. Jst sie zwanzig Jah-
re, und der Herr Bruder bleibt auf seiner Mey-
nung, eh bien, vielleicht giebt sichs hernach eher.
Der Herr Bruder ist bey seinen Jahren noch mun-
ter, und vigoureux, und wird dieser gebetenen
dilation gar wohl deferiren können. Es laufen
hier keine fatalia, wie in foro. Selbst beliebigem
Gutachten überlasse dieses alles, was ich hier wohl-

meynend

Satyriſche Briefe.
noch ſechzehn Jahre ſeyn, und das, deucht mich,
iſt faſt zu jung, eine Woͤchnerinn zu werden. Man
macht die guten Dinger vor der Zeit alt, und ſie
kommen in das Eheſtandskreuz, ehe ſie recht anfan-
gen zu leben. Wie ich denn dem Hochgeehrten
Herrn Bruder nicht bergen mag, daß die Fraͤulein
ſehr ſchwer daran geht. Sie iſt von ſo gutem
jugement, daß ſie des Herrn Bruders Verdienſte
vollkommen einſieht. Sie gratulirt ſich gar hoͤch-
lich, wie es denn auch billig iſt, der Ehre, die ihr
angetragen wird, und ſie hat mich verſichert, daß
ſie ſich nichts mehr wuͤnſche, als mit der Zeit einen
Mann zu haben, der ſo rechtſchaffen und edel gefin-
net ſey, als der Herr Bruder. Nichts minder
ſieht ſie wohl ein, wie groß das Gluͤck in Anſehung
der zeitlichen Umſtaͤnde ſey, das ihr angetragen
wird. Unbeſchadet dieſem allen iſt ſie von dem
Gedanken nicht abzubringen, daß ſie noch zu jung
ſey. Wenn aber ich es ſehr ungern ſehe, daß ſie
ſich in den Kopf geſetzt hat, vor ihrem zwanzigſten
Jahre nicht zu heirathen: ſo waͤre dieſes ungefaͤhr
mein unvorgreiflicher Rath, man ließe das Maͤd-
chen vollends heran wachſen. Jſt ſie zwanzig Jah-
re, und der Herr Bruder bleibt auf ſeiner Mey-
nung, eh bien, vielleicht giebt ſichs hernach eher.
Der Herr Bruder iſt bey ſeinen Jahren noch mun-
ter, und vigoureux, und wird dieſer gebetenen
dilation gar wohl deferiren koͤnnen. Es laufen
hier keine fatalia, wie in foro. Selbſt beliebigem
Gutachten uͤberlaſſe dieſes alles, was ich hier wohl-

meynend
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[317/0345] Satyriſche Briefe. noch ſechzehn Jahre ſeyn, und das, deucht mich, iſt faſt zu jung, eine Woͤchnerinn zu werden. Man macht die guten Dinger vor der Zeit alt, und ſie kommen in das Eheſtandskreuz, ehe ſie recht anfan- gen zu leben. Wie ich denn dem Hochgeehrten Herrn Bruder nicht bergen mag, daß die Fraͤulein ſehr ſchwer daran geht. Sie iſt von ſo gutem jugement, daß ſie des Herrn Bruders Verdienſte vollkommen einſieht. Sie gratulirt ſich gar hoͤch- lich, wie es denn auch billig iſt, der Ehre, die ihr angetragen wird, und ſie hat mich verſichert, daß ſie ſich nichts mehr wuͤnſche, als mit der Zeit einen Mann zu haben, der ſo rechtſchaffen und edel gefin- net ſey, als der Herr Bruder. Nichts minder ſieht ſie wohl ein, wie groß das Gluͤck in Anſehung der zeitlichen Umſtaͤnde ſey, das ihr angetragen wird. Unbeſchadet dieſem allen iſt ſie von dem Gedanken nicht abzubringen, daß ſie noch zu jung ſey. Wenn aber ich es ſehr ungern ſehe, daß ſie ſich in den Kopf geſetzt hat, vor ihrem zwanzigſten Jahre nicht zu heirathen: ſo waͤre dieſes ungefaͤhr mein unvorgreiflicher Rath, man ließe das Maͤd- chen vollends heran wachſen. Jſt ſie zwanzig Jah- re, und der Herr Bruder bleibt auf ſeiner Mey- nung, eh bien, vielleicht giebt ſichs hernach eher. Der Herr Bruder iſt bey ſeinen Jahren noch mun- ter, und vigoureux, und wird dieſer gebetenen dilation gar wohl deferiren koͤnnen. Es laufen hier keine fatalia, wie in foro. Selbſt beliebigem Gutachten uͤberlaſſe dieſes alles, was ich hier wohl- meynend

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/345>, abgerufen am 28.11.2024.