Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
Noch zur Zeit habe ich von beiden keine Antwort.
Jch finde Ursachen zu hoffen, daß die Fräulein nicht
abgeneigt ist. Ein Umgang von etlichen Monaten
hat mich sie kennen lehren, und ich weiß, daß mein
Brief nicht gleichgültig aufgenommen ist. Sie
wird es aber doch auf den Ausspruch ihres Onkels
ankommen lassen. Nur eins befürchte ich noch.
Jhr Onkel glaubt, sie sey zum Heirathen noch viel
zu jung. Jch glaube es nicht, Gnädiger Großpapa,
und ich hoffe, Sie werden meiner Meynung seyn.
Da ich nur zwanzig Jahre alt bin, so ist ein Fräu-
lein von sechzehn Jahren für mich wohl nicht zu
jung. Wäre ich älter, so würde ich mich aller-
dings schämen, ihrem Onkel zu widersprechen. Jch
bitte Sie, Gnädiger Großpapa, an den Herrn
Obersten zu schreiben; Jhr Vorspruch giebt der
Sache auf einmal den Ausschlag. Eilen Sie, das
Glück Jhres Sohnes zu beschleunigen; ein Glück,
von dem mein Leben, und meine ganze Wohlfahrt
abhängt. Der Himmel lasse dafür Jhre Jahre
geseegnet, und Jhr Alter seyn, wie Jhre Jugend.
Dieß ist der Wunsch Jhres Enkels, welcher Jhnen
mit kindlicher Hochachtung die Hände küßt.

Vetter,

Nun kommt Jhr mir abscheulich vor. Es ist
mein Ernst, glaubt es mir, mein ganzer Ernst.
Wenn die Liebe einen jungen Menschen zum Nar-
ren macht: so lache ich über ihn, oder bedaure ihn

auch,

Satyriſche Briefe.
Noch zur Zeit habe ich von beiden keine Antwort.
Jch finde Urſachen zu hoffen, daß die Fraͤulein nicht
abgeneigt iſt. Ein Umgang von etlichen Monaten
hat mich ſie kennen lehren, und ich weiß, daß mein
Brief nicht gleichguͤltig aufgenommen iſt. Sie
wird es aber doch auf den Ausſpruch ihres Onkels
ankommen laſſen. Nur eins befuͤrchte ich noch.
Jhr Onkel glaubt, ſie ſey zum Heirathen noch viel
zu jung. Jch glaube es nicht, Gnaͤdiger Großpapa,
und ich hoffe, Sie werden meiner Meynung ſeyn.
Da ich nur zwanzig Jahre alt bin, ſo iſt ein Fraͤu-
lein von ſechzehn Jahren fuͤr mich wohl nicht zu
jung. Waͤre ich aͤlter, ſo wuͤrde ich mich aller-
dings ſchaͤmen, ihrem Onkel zu widerſprechen. Jch
bitte Sie, Gnaͤdiger Großpapa, an den Herrn
Oberſten zu ſchreiben; Jhr Vorſpruch giebt der
Sache auf einmal den Ausſchlag. Eilen Sie, das
Gluͤck Jhres Sohnes zu beſchleunigen; ein Gluͤck,
von dem mein Leben, und meine ganze Wohlfahrt
abhaͤngt. Der Himmel laſſe dafuͤr Jhre Jahre
geſeegnet, und Jhr Alter ſeyn, wie Jhre Jugend.
Dieß iſt der Wunſch Jhres Enkels, welcher Jhnen
mit kindlicher Hochachtung die Haͤnde kuͤßt.

Vetter,

Nun kommt Jhr mir abſcheulich vor. Es iſt
mein Ernſt, glaubt es mir, mein ganzer Ernſt.
Wenn die Liebe einen jungen Menſchen zum Nar-
ren macht: ſo lache ich uͤber ihn, oder bedaure ihn

auch,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <p><pb facs="#f0332" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
Noch zur Zeit habe ich von beiden keine Antwort.<lb/>
Jch finde Ur&#x017F;achen zu hoffen, daß die Fra&#x0364;ulein nicht<lb/>
abgeneigt i&#x017F;t. Ein Umgang von etlichen Monaten<lb/>
hat mich &#x017F;ie kennen lehren, und ich weiß, daß mein<lb/>
Brief nicht gleichgu&#x0364;ltig aufgenommen i&#x017F;t. Sie<lb/>
wird es aber doch auf den Aus&#x017F;pruch ihres Onkels<lb/>
ankommen la&#x017F;&#x017F;en. Nur eins befu&#x0364;rchte ich noch.<lb/>
Jhr Onkel glaubt, &#x017F;ie &#x017F;ey zum Heirathen noch viel<lb/>
zu jung. Jch glaube es nicht, Gna&#x0364;diger Großpapa,<lb/>
und ich hoffe, Sie werden meiner Meynung &#x017F;eyn.<lb/>
Da ich nur zwanzig Jahre alt bin, &#x017F;o i&#x017F;t ein Fra&#x0364;u-<lb/>
lein von &#x017F;echzehn Jahren fu&#x0364;r mich wohl nicht zu<lb/>
jung. Wa&#x0364;re ich a&#x0364;lter, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich mich aller-<lb/>
dings &#x017F;cha&#x0364;men, ihrem Onkel zu wider&#x017F;prechen. Jch<lb/>
bitte Sie, Gna&#x0364;diger Großpapa, an den Herrn<lb/>
Ober&#x017F;ten zu &#x017F;chreiben; Jhr Vor&#x017F;pruch giebt der<lb/>
Sache auf einmal den Aus&#x017F;chlag. Eilen Sie, das<lb/>
Glu&#x0364;ck Jhres Sohnes zu be&#x017F;chleunigen; ein Glu&#x0364;ck,<lb/>
von dem mein Leben, und meine ganze Wohlfahrt<lb/>
abha&#x0364;ngt. Der Himmel la&#x017F;&#x017F;e dafu&#x0364;r Jhre Jahre<lb/>
ge&#x017F;eegnet, und Jhr Alter &#x017F;eyn, wie Jhre Jugend.<lb/>
Dieß i&#x017F;t der Wun&#x017F;ch Jhres Enkels, welcher Jhnen<lb/>
mit kindlicher Hochachtung die Ha&#x0364;nde ku&#x0364;ßt.</p>
            </div><lb/>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Vetter,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p><hi rendition="#in">N</hi>un kommt Jhr mir ab&#x017F;cheulich vor. Es i&#x017F;t<lb/>
mein Ern&#x017F;t, glaubt es mir, mein ganzer Ern&#x017F;t.<lb/>
Wenn die Liebe einen jungen Men&#x017F;chen zum Nar-<lb/>
ren macht: &#x017F;o lache ich u&#x0364;ber ihn, oder bedaure ihn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auch,</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0332] Satyriſche Briefe. Noch zur Zeit habe ich von beiden keine Antwort. Jch finde Urſachen zu hoffen, daß die Fraͤulein nicht abgeneigt iſt. Ein Umgang von etlichen Monaten hat mich ſie kennen lehren, und ich weiß, daß mein Brief nicht gleichguͤltig aufgenommen iſt. Sie wird es aber doch auf den Ausſpruch ihres Onkels ankommen laſſen. Nur eins befuͤrchte ich noch. Jhr Onkel glaubt, ſie ſey zum Heirathen noch viel zu jung. Jch glaube es nicht, Gnaͤdiger Großpapa, und ich hoffe, Sie werden meiner Meynung ſeyn. Da ich nur zwanzig Jahre alt bin, ſo iſt ein Fraͤu- lein von ſechzehn Jahren fuͤr mich wohl nicht zu jung. Waͤre ich aͤlter, ſo wuͤrde ich mich aller- dings ſchaͤmen, ihrem Onkel zu widerſprechen. Jch bitte Sie, Gnaͤdiger Großpapa, an den Herrn Oberſten zu ſchreiben; Jhr Vorſpruch giebt der Sache auf einmal den Ausſchlag. Eilen Sie, das Gluͤck Jhres Sohnes zu beſchleunigen; ein Gluͤck, von dem mein Leben, und meine ganze Wohlfahrt abhaͤngt. Der Himmel laſſe dafuͤr Jhre Jahre geſeegnet, und Jhr Alter ſeyn, wie Jhre Jugend. Dieß iſt der Wunſch Jhres Enkels, welcher Jhnen mit kindlicher Hochachtung die Haͤnde kuͤßt. Vetter, Nun kommt Jhr mir abſcheulich vor. Es iſt mein Ernſt, glaubt es mir, mein ganzer Ernſt. Wenn die Liebe einen jungen Menſchen zum Nar- ren macht: ſo lache ich uͤber ihn, oder bedaure ihn auch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/332
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/332>, abgerufen am 20.11.2024.