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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
als 10230000 Rthl. -- -- Hierzu die 50000
Thaler aus der ersten Classe, thut in
Summa / 10280000 Thaler.

Jch bin vor Freuden ganz ausser mir! Das
hätte ich selber nicht gedacht! Es überfällt mich
ein zärtlicher Schauer, wenn ich bedenke, daß
Sie ein so reiches Frauenzimmer sind, und daß
es so ungewiß ist, ob ich hernach das Glück ha-
ben kann, der Jhrige zu werden. Sollte Sie
das Schicksal an einen verheiratheten Bankru-
tirer bringen, so belohnen Sie meinen Eifer.
Es wird alsdann bey Jhnen stehn, ob Sie mich
zu dem beneidenswürdigsten Sterblichen unter
der Sonne machen wollen. Jch vergesse alle
Jhre Abentheuer, vom Hofrathe an bis auf
den Würzkrämer; so gar vom Lieutenante weiß
ich nicht ein Wort mehr. Daran gedenke ich
vollends gar nicht, daß Sie ein Frauenzimmer
sind, welches, allem Ansehen nach, dem künfti-
gen Ehemanne bey der geringsten Beleidigung
beide Augen auskratzen wird. Es gehe mir,
wie es der Himmel beschlossen hat. Wer woll-
te sich dadurch abhalten lassen, ein Mädchen mit
zehn Millionen und 280000 Thlr. -- -- zu hei-
rathen? So verliebt bin ich in meinem Leben
noch nicht gewesen, als ich in diesem Augenbli-
cke bin. Ja, Mademoiselle, alt, krumm, lahm,
bucklicht, blind, verbuhlt, herrschsüchtig, und

aber-

Satyriſche Briefe.
als 10230000 Rthl. — — Hierzu die 50000
Thaler aus der erſten Claſſe, thut in
Summa / 10280000 Thaler.

Jch bin vor Freuden ganz auſſer mir! Das
haͤtte ich ſelber nicht gedacht! Es uͤberfaͤllt mich
ein zaͤrtlicher Schauer, wenn ich bedenke, daß
Sie ein ſo reiches Frauenzimmer ſind, und daß
es ſo ungewiß iſt, ob ich hernach das Gluͤck ha-
ben kann, der Jhrige zu werden. Sollte Sie
das Schickſal an einen verheiratheten Bankru-
tirer bringen, ſo belohnen Sie meinen Eifer.
Es wird alsdann bey Jhnen ſtehn, ob Sie mich
zu dem beneidenswuͤrdigſten Sterblichen unter
der Sonne machen wollen. Jch vergeſſe alle
Jhre Abentheuer, vom Hofrathe an bis auf
den Wuͤrzkraͤmer; ſo gar vom Lieutenante weiß
ich nicht ein Wort mehr. Daran gedenke ich
vollends gar nicht, daß Sie ein Frauenzimmer
ſind, welches, allem Anſehen nach, dem kuͤnfti-
gen Ehemanne bey der geringſten Beleidigung
beide Augen auskratzen wird. Es gehe mir,
wie es der Himmel beſchloſſen hat. Wer woll-
te ſich dadurch abhalten laſſen, ein Maͤdchen mit
zehn Millionen und 280000 Thlr. — — zu hei-
rathen? So verliebt bin ich in meinem Leben
noch nicht geweſen, als ich in dieſem Augenbli-
cke bin. Ja, Mademoiſelle, alt, krumm, lahm,
bucklicht, blind, verbuhlt, herrſchſuͤchtig, und

aber-
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[274/0302] Satyriſche Briefe. als 10230000 Rthl. — — Hierzu die 50000 Thaler aus der erſten Claſſe, thut in Summa / 10280000 Thaler. Jch bin vor Freuden ganz auſſer mir! Das haͤtte ich ſelber nicht gedacht! Es uͤberfaͤllt mich ein zaͤrtlicher Schauer, wenn ich bedenke, daß Sie ein ſo reiches Frauenzimmer ſind, und daß es ſo ungewiß iſt, ob ich hernach das Gluͤck ha- ben kann, der Jhrige zu werden. Sollte Sie das Schickſal an einen verheiratheten Bankru- tirer bringen, ſo belohnen Sie meinen Eifer. Es wird alsdann bey Jhnen ſtehn, ob Sie mich zu dem beneidenswuͤrdigſten Sterblichen unter der Sonne machen wollen. Jch vergeſſe alle Jhre Abentheuer, vom Hofrathe an bis auf den Wuͤrzkraͤmer; ſo gar vom Lieutenante weiß ich nicht ein Wort mehr. Daran gedenke ich vollends gar nicht, daß Sie ein Frauenzimmer ſind, welches, allem Anſehen nach, dem kuͤnfti- gen Ehemanne bey der geringſten Beleidigung beide Augen auskratzen wird. Es gehe mir, wie es der Himmel beſchloſſen hat. Wer woll- te ſich dadurch abhalten laſſen, ein Maͤdchen mit zehn Millionen und 280000 Thlr. — — zu hei- rathen? So verliebt bin ich in meinem Leben noch nicht geweſen, als ich in dieſem Augenbli- cke bin. Ja, Mademoiſelle, alt, krumm, lahm, bucklicht, blind, verbuhlt, herrſchſuͤchtig, und aber-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/302>, abgerufen am 27.11.2024.