[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. Jhre Liebe nicht so fort auf die Art erwiedern, wieSie es verlangen: so will ich doch auf eine andre Art gewiß erkenntlich seyn. Und vielleicht ent- schliesse ich mich dennoch, der Jhrige zu werden. Wenn ich ja einmal mit einer Frau betrogen wer- den muß, wie Sie gar gründlich angemerkt haben: so ist es in der That am besten, daß es durch Jhre gütige Besorgung geschieht. Ein Unglück, das man voraus weiß, ist nur halb so empfindlich, als ein unerwartetes Unglück. Noch zur Zeit bin ich freylich nicht aufs äusserste gebracht; aber viel- leicht bin ich dem traurigen Augenblicke nahe, wo ich mich aus Verzweiflung entschliesse, Jhre Hand anzunehmen. Lassen Sie mir Zeit, Mademoi- selle, mich recht zu besinnen. Jch will es mit dem Publico überlegen. Die Sache ist für mich von Folgen, und wichtig genug. Sollten Umstände kommen, welche mir an- Ein jeder bürgerlichen Standes, der seit zehn Ver- R 5
Satyriſche Briefe. Jhre Liebe nicht ſo fort auf die Art erwiedern, wieSie es verlangen: ſo will ich doch auf eine andre Art gewiß erkenntlich ſeyn. Und vielleicht ent- ſchlieſſe ich mich dennoch, der Jhrige zu werden. Wenn ich ja einmal mit einer Frau betrogen wer- den muß, wie Sie gar gruͤndlich angemerkt haben: ſo iſt es in der That am beſten, daß es durch Jhre guͤtige Beſorgung geſchieht. Ein Ungluͤck, das man voraus weiß, iſt nur halb ſo empfindlich, als ein unerwartetes Ungluͤck. Noch zur Zeit bin ich freylich nicht aufs aͤuſſerſte gebracht; aber viel- leicht bin ich dem traurigen Augenblicke nahe, wo ich mich aus Verzweiflung entſchlieſſe, Jhre Hand anzunehmen. Laſſen Sie mir Zeit, Mademoi- ſelle, mich recht zu beſinnen. Jch will es mit dem Publico uͤberlegen. Die Sache iſt fuͤr mich von Folgen, und wichtig genug. Sollten Umſtaͤnde kommen, welche mir an- Ein jeder buͤrgerlichen Standes, der ſeit zehn Ver- R 5
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Satyriſche Briefe.
Jhre Liebe nicht ſo fort auf die Art erwiedern, wie
Sie es verlangen: ſo will ich doch auf eine andre
Art gewiß erkenntlich ſeyn. Und vielleicht ent-
ſchlieſſe ich mich dennoch, der Jhrige zu werden.
Wenn ich ja einmal mit einer Frau betrogen wer-
den muß, wie Sie gar gruͤndlich angemerkt haben:
ſo iſt es in der That am beſten, daß es durch Jhre
guͤtige Beſorgung geſchieht. Ein Ungluͤck, das
man voraus weiß, iſt nur halb ſo empfindlich, als
ein unerwartetes Ungluͤck. Noch zur Zeit bin
ich freylich nicht aufs aͤuſſerſte gebracht; aber viel-
leicht bin ich dem traurigen Augenblicke nahe, wo
ich mich aus Verzweiflung entſchlieſſe, Jhre Hand
anzunehmen. Laſſen Sie mir Zeit, Mademoi-
ſelle, mich recht zu beſinnen. Jch will es mit dem
Publico uͤberlegen. Die Sache iſt fuͤr mich von
Folgen, und wichtig genug.
Sollten Umſtaͤnde kommen, welche mir an-
riethen, Jhre Liebe zu verbitten: ſo habe ich mich
doch auf ein andres Mittel beſonnen, Sie aus
Jhrer Jungfernoth zu reiſſen, und Jhnen ein
Gluͤck zu ſchaffen, das Jhnen fehlt. Was mey-
nen Sie, Mademoiſelle? Jch will ſie ausſpielen!
Ja, ja, im ganzen Ernſte, ausſpielen will ich Sie,
und zwar auf die vortheilhafteſte Art von der Welt.
Haben Sie nur Geduld, meinen Plan anzuhoͤren.
Ein jeder buͤrgerlichen Standes, der ſeit zehn
Jahren in hieſigen Landen muthwillig bankrut
gemacht hat, und ein jeder, der binnen den naͤch-
ſten zehn Jahren auf dieſe legale Art andre um ihr
Ver-
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