[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. gebracht. Wegen meiner Liebe lassen Sie Sichnoch weniger leid seyn. Wenn man in Jhren Jahren heirathet, so ist dieses gemeiniglich der letz- te Punkt, wonach man fragt. Aber ich glaube auch, daß ich das Herz habe, Sie zu lieben. Wie weit wird man nicht durch Noth und Kummer ge- bracht! Ein Frauenzimmer, das sich schon so viel in der Welt hat müssen gefallen lassen, als ich, wird nicht viel Ueberwindung mehr brauchen, einem Manne nachzugeben, der eigensinnig, oder, wie man es gemeiniglich nennt, accurat und hypochon- drisch ist. Ein Fehler, den man Jhnen auch schuld giebt, werthester Herr Autor! Gestehn Sie es nur aufrichtig, Sie sind auch eifersüchtig. Die Herren sind es am meisten, die es an andern Män- nern am wenigsten leiden können. O, mein aller- liebster Herr Autor! wie vergnügt wird unsre Ehe seyn! Jch bin wirklich durch die Jahre, durch Noth und Krankheit von meiner ehmaligen Schön- heit so weit herunter gekommen, daß Sie meinet- wegen nicht einen Augenblick in Sorgen seyn dür- fen; und da ich, wie Sie wissen, eben kein Geld habe: so fehlen mir die Mittel, das durch Wohl- thun zu ersetzen, und mir zu verschaffen, was ich durch meinen todten Reiz nicht erlangen kann. Mit einem Worte, unsre Ehe ist, als wenn sie im Himmel geschlossen wäre. Jch erwarte Jhre Er- klärung mit Schmerzen. Jch werde alle meine bisherige Noth vergessen; für die glücklichste Per- son in der Welt werde ich mich halten, wenn ich die R 4
Satyriſche Briefe. gebracht. Wegen meiner Liebe laſſen Sie Sichnoch weniger leid ſeyn. Wenn man in Jhren Jahren heirathet, ſo iſt dieſes gemeiniglich der letz- te Punkt, wonach man fragt. Aber ich glaube auch, daß ich das Herz habe, Sie zu lieben. Wie weit wird man nicht durch Noth und Kummer ge- bracht! Ein Frauenzimmer, das ſich ſchon ſo viel in der Welt hat muͤſſen gefallen laſſen, als ich, wird nicht viel Ueberwindung mehr brauchen, einem Manne nachzugeben, der eigenſinnig, oder, wie man es gemeiniglich nennt, accurat und hypochon- driſch iſt. Ein Fehler, den man Jhnen auch ſchuld giebt, wertheſter Herr Autor! Geſtehn Sie es nur aufrichtig, Sie ſind auch eiferſuͤchtig. Die Herren ſind es am meiſten, die es an andern Maͤn- nern am wenigſten leiden koͤnnen. O, mein aller- liebſter Herr Autor! wie vergnuͤgt wird unſre Ehe ſeyn! Jch bin wirklich durch die Jahre, durch Noth und Krankheit von meiner ehmaligen Schoͤn- heit ſo weit herunter gekommen, daß Sie meinet- wegen nicht einen Augenblick in Sorgen ſeyn duͤr- fen; und da ich, wie Sie wiſſen, eben kein Geld habe: ſo fehlen mir die Mittel, das durch Wohl- thun zu erſetzen, und mir zu verſchaffen, was ich durch meinen todten Reiz nicht erlangen kann. Mit einem Worte, unſre Ehe iſt, als wenn ſie im Himmel geſchloſſen waͤre. Jch erwarte Jhre Er- klaͤrung mit Schmerzen. Jch werde alle meine bisherige Noth vergeſſen; fuͤr die gluͤcklichſte Per- ſon in der Welt werde ich mich halten, wenn ich die R 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0291" n="263"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/> gebracht. Wegen meiner Liebe laſſen Sie Sich<lb/> noch weniger leid ſeyn. Wenn man in Jhren<lb/> Jahren heirathet, ſo iſt dieſes gemeiniglich der letz-<lb/> te Punkt, wonach man fragt. Aber ich glaube<lb/> auch, daß ich das Herz habe, Sie zu lieben. Wie<lb/> weit wird man nicht durch Noth und Kummer ge-<lb/> bracht! Ein Frauenzimmer, das ſich ſchon ſo viel in<lb/> der Welt hat muͤſſen gefallen laſſen, als ich, wird<lb/> nicht viel Ueberwindung mehr brauchen, einem<lb/> Manne nachzugeben, der eigenſinnig, oder, wie<lb/> man es gemeiniglich nennt, accurat und hypochon-<lb/> driſch iſt. Ein Fehler, den man Jhnen auch<lb/> ſchuld giebt, wertheſter Herr Autor! Geſtehn Sie<lb/> es nur aufrichtig, Sie ſind auch eiferſuͤchtig. Die<lb/> Herren ſind es am meiſten, die es an andern Maͤn-<lb/> nern am wenigſten leiden koͤnnen. O, mein aller-<lb/> liebſter Herr Autor! wie vergnuͤgt wird unſre<lb/> Ehe ſeyn! Jch bin wirklich durch die Jahre, durch<lb/> Noth und Krankheit von meiner ehmaligen Schoͤn-<lb/> heit ſo weit herunter gekommen, daß Sie meinet-<lb/> wegen nicht einen Augenblick in Sorgen ſeyn duͤr-<lb/> fen; und da ich, wie Sie wiſſen, eben kein Geld<lb/> habe: ſo fehlen mir die Mittel, das durch Wohl-<lb/> thun zu erſetzen, und mir zu verſchaffen, was ich<lb/> durch meinen todten Reiz nicht erlangen kann.<lb/> Mit einem Worte, unſre Ehe iſt, als wenn ſie im<lb/> Himmel geſchloſſen waͤre. Jch erwarte Jhre Er-<lb/> klaͤrung mit Schmerzen. Jch werde alle meine<lb/> bisherige Noth vergeſſen; fuͤr die gluͤcklichſte Per-<lb/> ſon in der Welt werde ich mich halten, wenn ich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R 4</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [263/0291]
Satyriſche Briefe.
gebracht. Wegen meiner Liebe laſſen Sie Sich
noch weniger leid ſeyn. Wenn man in Jhren
Jahren heirathet, ſo iſt dieſes gemeiniglich der letz-
te Punkt, wonach man fragt. Aber ich glaube
auch, daß ich das Herz habe, Sie zu lieben. Wie
weit wird man nicht durch Noth und Kummer ge-
bracht! Ein Frauenzimmer, das ſich ſchon ſo viel in
der Welt hat muͤſſen gefallen laſſen, als ich, wird
nicht viel Ueberwindung mehr brauchen, einem
Manne nachzugeben, der eigenſinnig, oder, wie
man es gemeiniglich nennt, accurat und hypochon-
driſch iſt. Ein Fehler, den man Jhnen auch
ſchuld giebt, wertheſter Herr Autor! Geſtehn Sie
es nur aufrichtig, Sie ſind auch eiferſuͤchtig. Die
Herren ſind es am meiſten, die es an andern Maͤn-
nern am wenigſten leiden koͤnnen. O, mein aller-
liebſter Herr Autor! wie vergnuͤgt wird unſre
Ehe ſeyn! Jch bin wirklich durch die Jahre, durch
Noth und Krankheit von meiner ehmaligen Schoͤn-
heit ſo weit herunter gekommen, daß Sie meinet-
wegen nicht einen Augenblick in Sorgen ſeyn duͤr-
fen; und da ich, wie Sie wiſſen, eben kein Geld
habe: ſo fehlen mir die Mittel, das durch Wohl-
thun zu erſetzen, und mir zu verſchaffen, was ich
durch meinen todten Reiz nicht erlangen kann.
Mit einem Worte, unſre Ehe iſt, als wenn ſie im
Himmel geſchloſſen waͤre. Jch erwarte Jhre Er-
klaͤrung mit Schmerzen. Jch werde alle meine
bisherige Noth vergeſſen; fuͤr die gluͤcklichſte Per-
ſon in der Welt werde ich mich halten, wenn ich
die
R 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |