[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. "gessen, mir, aus Hochachtung gegen Jhren seli-"Herrn Vater, alle Mühe bisher gegeben habe. "Damit ja kein Laster übrig bleibt, dessen Sie "Sich nicht schuldig machen: so erdenken Sie auch "eine rechte derbe, und ungeschickte Lügen. Wer "war denn die gefährliche Freundinn, die Sie und "mich betrog? Jhr herzallerliebster Lieutenant "war es. Jhres Vaters Johann müßte blind, "oder mehr verschwiegen gewesen seyn, wenn ich "nicht hätte erfahren sollen, daß Sie den unbe- "scheidnen Brief in seinen Armen an mich geschrie- "ben. Nein, Mademoiselle, was für den Lieu- "tenant zu schlecht ist, das ist auch für mich nicht "gut genug. Jhr herrliches Recept wider die Liebe "hat seine unvergleichliche Wirkung gethan. Es "ist seit der Zeit, als ich es so frisch hinunter ge- "schluckt, mir nicht einen Augenblick eingefallen, "Sie hoch zu achten, geschweige zu lieben. Was "bin ich doch mit allen meinen Arzeneyen für ein "Pfuscher gegen Sie! Jch verwahre Jhren Brief "noch sehr sorgfältig, als ein sichres Gegengift "wider alle Liebe, dafern mir es ja wider Ver- "muthen einmal einfallen sollte, mich zu erinnern, "daß sie vor eilf Jahren, eine schreckliche lange "Zeit, schön und reizend gewesen sind. Sie können "leben oder sterben, wie es Jhnen gefällt. Aber "bleiben Sie immer leben. Jch gebe Jhnen mein "Wort, daß ich Sie niemals sprechen werde. Jch "rieche immer noch nach Rhabarber und Essenzen. "Erinnern Sie Sich wohl, wie sehr Jhnen sonst davor
Satyriſche Briefe. „geſſen, mir, aus Hochachtung gegen Jhren ſeli-„Herrn Vater, alle Muͤhe bisher gegeben habe. „Damit ja kein Laſter uͤbrig bleibt, deſſen Sie „Sich nicht ſchuldig machen: ſo erdenken Sie auch „eine rechte derbe, und ungeſchickte Luͤgen. Wer „war denn die gefaͤhrliche Freundinn, die Sie und „mich betrog? Jhr herzallerliebſter Lieutenant „war es. Jhres Vaters Johann muͤßte blind, „oder mehr verſchwiegen geweſen ſeyn, wenn ich „nicht haͤtte erfahren ſollen, daß Sie den unbe- „ſcheidnen Brief in ſeinen Armen an mich geſchrie- „ben. Nein, Mademoiſelle, was fuͤr den Lieu- „tenant zu ſchlecht iſt, das iſt auch fuͤr mich nicht „gut genug. Jhr herrliches Recept wider die Liebe „hat ſeine unvergleichliche Wirkung gethan. Es „iſt ſeit der Zeit, als ich es ſo friſch hinunter ge- „ſchluckt, mir nicht einen Augenblick eingefallen, „Sie hoch zu achten, geſchweige zu lieben. Was „bin ich doch mit allen meinen Arzeneyen fuͤr ein „Pfuſcher gegen Sie! Jch verwahre Jhren Brief „noch ſehr ſorgfaͤltig, als ein ſichres Gegengift „wider alle Liebe, dafern mir es ja wider Ver- „muthen einmal einfallen ſollte, mich zu erinnern, „daß ſie vor eilf Jahren, eine ſchreckliche lange „Zeit, ſchoͤn und reizend geweſen ſind. Sie koͤnnen „leben oder ſterben, wie es Jhnen gefaͤllt. Aber „bleiben Sie immer leben. Jch gebe Jhnen mein „Wort, daß ich Sie niemals ſprechen werde. Jch „rieche immer noch nach Rhabarber und Eſſenzen. „Erinnern Sie Sich wohl, wie ſehr Jhnen ſonſt davor
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0266" n="238"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/> „geſſen, mir, aus Hochachtung gegen Jhren ſeli-<lb/> „Herrn Vater, alle Muͤhe bisher gegeben habe.<lb/> „Damit ja kein Laſter uͤbrig bleibt, deſſen Sie<lb/> „Sich nicht ſchuldig machen: ſo erdenken Sie auch<lb/> „eine rechte derbe, und ungeſchickte Luͤgen. Wer<lb/> „war denn die gefaͤhrliche Freundinn, die Sie und<lb/> „mich betrog? Jhr herzallerliebſter Lieutenant<lb/> „war es. Jhres Vaters Johann muͤßte blind,<lb/> „oder mehr verſchwiegen geweſen ſeyn, wenn ich<lb/> „nicht haͤtte erfahren ſollen, daß Sie den unbe-<lb/> „ſcheidnen Brief in ſeinen Armen an mich geſchrie-<lb/> „ben. Nein, Mademoiſelle, was fuͤr den Lieu-<lb/> „tenant zu ſchlecht iſt, das iſt auch fuͤr mich nicht<lb/> „gut genug. Jhr herrliches Recept wider die Liebe<lb/> „hat ſeine unvergleichliche Wirkung gethan. Es<lb/> „iſt ſeit der Zeit, als ich es ſo friſch hinunter ge-<lb/> „ſchluckt, mir nicht einen Augenblick eingefallen,<lb/> „Sie hoch zu achten, geſchweige zu lieben. Was<lb/> „bin ich doch mit allen meinen Arzeneyen fuͤr ein<lb/> „Pfuſcher gegen Sie! Jch verwahre Jhren Brief<lb/> „noch ſehr ſorgfaͤltig, als ein ſichres Gegengift<lb/> „wider alle Liebe, dafern mir es ja wider Ver-<lb/> „muthen einmal einfallen ſollte, mich zu erinnern,<lb/> „daß ſie vor eilf Jahren, eine ſchreckliche lange<lb/> „Zeit, ſchoͤn und reizend geweſen ſind. Sie koͤnnen<lb/> „leben oder ſterben, wie es Jhnen gefaͤllt. Aber<lb/> „bleiben Sie immer leben. Jch gebe Jhnen mein<lb/> „Wort, daß ich Sie niemals ſprechen werde. Jch<lb/> „rieche immer noch nach Rhabarber und Eſſenzen.<lb/> „Erinnern Sie Sich wohl, wie ſehr Jhnen ſonſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">davor</fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [238/0266]
Satyriſche Briefe.
„geſſen, mir, aus Hochachtung gegen Jhren ſeli-
„Herrn Vater, alle Muͤhe bisher gegeben habe.
„Damit ja kein Laſter uͤbrig bleibt, deſſen Sie
„Sich nicht ſchuldig machen: ſo erdenken Sie auch
„eine rechte derbe, und ungeſchickte Luͤgen. Wer
„war denn die gefaͤhrliche Freundinn, die Sie und
„mich betrog? Jhr herzallerliebſter Lieutenant
„war es. Jhres Vaters Johann muͤßte blind,
„oder mehr verſchwiegen geweſen ſeyn, wenn ich
„nicht haͤtte erfahren ſollen, daß Sie den unbe-
„ſcheidnen Brief in ſeinen Armen an mich geſchrie-
„ben. Nein, Mademoiſelle, was fuͤr den Lieu-
„tenant zu ſchlecht iſt, das iſt auch fuͤr mich nicht
„gut genug. Jhr herrliches Recept wider die Liebe
„hat ſeine unvergleichliche Wirkung gethan. Es
„iſt ſeit der Zeit, als ich es ſo friſch hinunter ge-
„ſchluckt, mir nicht einen Augenblick eingefallen,
„Sie hoch zu achten, geſchweige zu lieben. Was
„bin ich doch mit allen meinen Arzeneyen fuͤr ein
„Pfuſcher gegen Sie! Jch verwahre Jhren Brief
„noch ſehr ſorgfaͤltig, als ein ſichres Gegengift
„wider alle Liebe, dafern mir es ja wider Ver-
„muthen einmal einfallen ſollte, mich zu erinnern,
„daß ſie vor eilf Jahren, eine ſchreckliche lange
„Zeit, ſchoͤn und reizend geweſen ſind. Sie koͤnnen
„leben oder ſterben, wie es Jhnen gefaͤllt. Aber
„bleiben Sie immer leben. Jch gebe Jhnen mein
„Wort, daß ich Sie niemals ſprechen werde. Jch
„rieche immer noch nach Rhabarber und Eſſenzen.
„Erinnern Sie Sich wohl, wie ſehr Jhnen ſonſt
davor
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |