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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

"N. S. Die an mich übersendeten Briefe folgen
"hier mit ergebenstem Danke zurück. Meine
"Frau hat sich über den Ausdruck bald todt ge-
"lacht, wo Sie den armen Professor einen Rie-
"sen aus dem Königreiche Latium nennen. Le-
"ben Sie wohl."

Das war also, mein Herr, der letzte Auftritt
von der kläglichen Comödie, in der ich eine so när-
rische Rolle gespielt hatte! Jch bin nicht im Stan-
de, Jhnen die Empfindungen zu beschreiben, die ich
beym Durchlesen dieses Briefs fühlte. Zorn,
Wut, Schaam, Rache, alles empörte sich in
mir. Jch fiel auf die verzweifeltsten Anschläge, mir
Recht zu verschaffen, oder mich selbst auf ewig vol-
lends unglücklich zu machen. Jch fluchte dem
Himmel, meinem ungetreuen Verräther; ich fluch-
te mir selbst. Dieses alles geschah in einer Rase-
rey von zwo Stunden. Endlich brachen die Thrä-
nen aus, und ich kam einigermaßen wieder zu mir.
Jch Verlassene! Jch unglückselig Verlassene! dach-
te ich bey mir selbst. Jst das die Belohnung einer
zehnjährigen Treue? Jst das die Erfüllung der
Eidschwüre, und der theuersten Versichrung?
Und der meyneidige Bösewicht triumphiret
noch in den Armen meiner Feindinn, seiner
Frau, über meine leichtgläubige Einfalt? Straft
der Himmel dieses Verbrechen nicht, so muß
er ungerecht seyn. So ungefähr schwärmte ich.

Jch
O
Satyriſche Briefe.

„N. S. Die an mich uͤberſendeten Briefe folgen
„hier mit ergebenſtem Danke zuruͤck. Meine
„Frau hat ſich uͤber den Ausdruck bald todt ge-
„lacht, wo Sie den armen Profeſſor einen Rie-
„ſen aus dem Koͤnigreiche Latium nennen. Le-
„ben Sie wohl.„

Das war alſo, mein Herr, der letzte Auftritt
von der klaͤglichen Comoͤdie, in der ich eine ſo naͤr-
riſche Rolle geſpielt hatte! Jch bin nicht im Stan-
de, Jhnen die Empfindungen zu beſchreiben, die ich
beym Durchleſen dieſes Briefs fuͤhlte. Zorn,
Wut, Schaam, Rache, alles empoͤrte ſich in
mir. Jch fiel auf die verzweifeltſten Anſchlaͤge, mir
Recht zu verſchaffen, oder mich ſelbſt auf ewig vol-
lends ungluͤcklich zu machen. Jch fluchte dem
Himmel, meinem ungetreuen Verraͤther; ich fluch-
te mir ſelbſt. Dieſes alles geſchah in einer Raſe-
rey von zwo Stunden. Endlich brachen die Thraͤ-
nen aus, und ich kam einigermaßen wieder zu mir.
Jch Verlaſſene! Jch ungluͤckſelig Verlaſſene! dach-
te ich bey mir ſelbſt. Jſt das die Belohnung einer
zehnjaͤhrigen Treue? Jſt das die Erfuͤllung der
Eidſchwuͤre, und der theuerſten Verſichrung?
Und der meyneidige Boͤſewicht triumphiret
noch in den Armen meiner Feindinn, ſeiner
Frau, uͤber meine leichtglaͤubige Einfalt? Straft
der Himmel dieſes Verbrechen nicht, ſo muß
er ungerecht ſeyn. So ungefaͤhr ſchwaͤrmte ich.

Jch
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[209/0237] Satyriſche Briefe. „N. S. Die an mich uͤberſendeten Briefe folgen „hier mit ergebenſtem Danke zuruͤck. Meine „Frau hat ſich uͤber den Ausdruck bald todt ge- „lacht, wo Sie den armen Profeſſor einen Rie- „ſen aus dem Koͤnigreiche Latium nennen. Le- „ben Sie wohl.„ Das war alſo, mein Herr, der letzte Auftritt von der klaͤglichen Comoͤdie, in der ich eine ſo naͤr- riſche Rolle geſpielt hatte! Jch bin nicht im Stan- de, Jhnen die Empfindungen zu beſchreiben, die ich beym Durchleſen dieſes Briefs fuͤhlte. Zorn, Wut, Schaam, Rache, alles empoͤrte ſich in mir. Jch fiel auf die verzweifeltſten Anſchlaͤge, mir Recht zu verſchaffen, oder mich ſelbſt auf ewig vol- lends ungluͤcklich zu machen. Jch fluchte dem Himmel, meinem ungetreuen Verraͤther; ich fluch- te mir ſelbſt. Dieſes alles geſchah in einer Raſe- rey von zwo Stunden. Endlich brachen die Thraͤ- nen aus, und ich kam einigermaßen wieder zu mir. Jch Verlaſſene! Jch ungluͤckſelig Verlaſſene! dach- te ich bey mir ſelbſt. Jſt das die Belohnung einer zehnjaͤhrigen Treue? Jſt das die Erfuͤllung der Eidſchwuͤre, und der theuerſten Verſichrung? Und der meyneidige Boͤſewicht triumphiret noch in den Armen meiner Feindinn, ſeiner Frau, uͤber meine leichtglaͤubige Einfalt? Straft der Himmel dieſes Verbrechen nicht, ſo muß er ungerecht ſeyn. So ungefaͤhr ſchwaͤrmte ich. Jch O

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/237>, abgerufen am 23.11.2024.