"Ew. Hochedelgeb. mit gegenwärtigen Zeilen ge- "horsamst aufzuwarten, verbindet mich die "unterthänige Hochachtung, die ich gegen Dero "vornehmes Haus noch bis itzt unverändert hege. "Es wird nunmehr ungefähr funfzehn Jahre seyn, "daß ich das Glück hatte, von Jhnen als Jnfor- "mator Jhrer lieben Jugend so viele Wohlthaten "zu genießen, die mir beständig unvergeßlich seyn "werden. Wie geschwind sind diese Jahre ver- "strichen, und wie vielen Veränderungen sind wir "mit denselben unterworfen! Jch kann ohne inni- "ge Regung noch itzt nicht an den schmerzlichen "Verlust gedenken, den Sie vor zehn Jahren durch "den unvermutheten Hintritt Jhrer im Leben so "zärtlich geliebten, und nunmehr in Gott sanft "ruhenden Frau Eheliebste erlitten haben. Ge- "wiß, wenn Gottesfurcht und Tugend den Men- "schen unsterblich machten: so würde diese wohl- "selige Frau vor andern verdient haben, niemals "zu sterben. Aber ihre unveränderte Liebe zu "Ew. Hochedelgeb. ihre vernünftige Bemühung, "die ihr anvertrauten Liebespfänder dem Schöp- "fer zur Ehre, sich zur Freude, und der Welt "zum Besten zu erziehn; ihre Sorgfalt, die
„Ew. Hochedelgeb. mit gegenwaͤrtigen Zeilen ge- „horſamſt aufzuwarten, verbindet mich die „unterthaͤnige Hochachtung, die ich gegen Dero „vornehmes Haus noch bis itzt unveraͤndert hege. „Es wird nunmehr ungefaͤhr funfzehn Jahre ſeyn, „daß ich das Gluͤck hatte, von Jhnen als Jnfor- „mator Jhrer lieben Jugend ſo viele Wohlthaten „zu genießen, die mir beſtaͤndig unvergeßlich ſeyn „werden. Wie geſchwind ſind dieſe Jahre ver- „ſtrichen, und wie vielen Veraͤnderungen ſind wir „mit denſelben unterworfen! Jch kann ohne inni- „ge Regung noch itzt nicht an den ſchmerzlichen „Verluſt gedenken, den Sie vor zehn Jahren durch „den unvermutheten Hintritt Jhrer im Leben ſo „zaͤrtlich geliebten, und nunmehr in Gott ſanft „ruhenden Frau Eheliebſte erlitten haben. Ge- „wiß, wenn Gottesfurcht und Tugend den Men- „ſchen unſterblich machten: ſo wuͤrde dieſe wohl- „ſelige Frau vor andern verdient haben, niemals „zu ſterben. Aber ihre unveraͤnderte Liebe zu „Ew. Hochedelgeb. ihre vernuͤnftige Bemuͤhung, „die ihr anvertrauten Liebespfaͤnder dem Schoͤp- „fer zur Ehre, ſich zur Freude, und der Welt „zum Beſten zu erziehn; ihre Sorgfalt, die
„Pflich-
N 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0227"n="199"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Hochedelgebohrner Herr,<lb/>
Hochzuehrender Herr Commiſſionrath,<lb/>
Vornehmer Goͤnner.</hi></hi></salute><lb/><p>„<hirendition="#in">E</hi>w. Hochedelgeb. mit gegenwaͤrtigen Zeilen ge-<lb/>„horſamſt aufzuwarten, verbindet mich die<lb/>„unterthaͤnige Hochachtung, die ich gegen Dero<lb/>„vornehmes Haus noch bis itzt unveraͤndert hege.<lb/>„Es wird nunmehr ungefaͤhr funfzehn Jahre ſeyn,<lb/>„daß ich das Gluͤck hatte, von Jhnen als Jnfor-<lb/>„mator Jhrer lieben Jugend ſo viele Wohlthaten<lb/>„zu genießen, die mir beſtaͤndig unvergeßlich ſeyn<lb/>„werden. Wie geſchwind ſind dieſe Jahre ver-<lb/>„ſtrichen, und wie vielen Veraͤnderungen ſind wir<lb/>„mit denſelben unterworfen! Jch kann ohne inni-<lb/>„ge Regung noch itzt nicht an den ſchmerzlichen<lb/>„Verluſt gedenken, den Sie vor zehn Jahren durch<lb/>„den unvermutheten Hintritt Jhrer im Leben ſo<lb/>„zaͤrtlich geliebten, und nunmehr in Gott ſanft<lb/>„ruhenden Frau Eheliebſte erlitten haben. Ge-<lb/>„wiß, wenn Gottesfurcht und Tugend den Men-<lb/>„ſchen unſterblich machten: ſo wuͤrde dieſe wohl-<lb/>„ſelige Frau vor andern verdient haben, niemals<lb/>„zu ſterben. Aber ihre unveraͤnderte Liebe zu<lb/>„Ew. Hochedelgeb. ihre vernuͤnftige Bemuͤhung,<lb/>„die ihr anvertrauten Liebespfaͤnder dem Schoͤp-<lb/>„fer zur Ehre, ſich zur Freude, und der Welt<lb/>„zum Beſten zu erziehn; ihre Sorgfalt, die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">„Pflich-</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[199/0227]
Satyriſche Briefe.
Hochedelgebohrner Herr,
Hochzuehrender Herr Commiſſionrath,
Vornehmer Goͤnner.
„Ew. Hochedelgeb. mit gegenwaͤrtigen Zeilen ge-
„horſamſt aufzuwarten, verbindet mich die
„unterthaͤnige Hochachtung, die ich gegen Dero
„vornehmes Haus noch bis itzt unveraͤndert hege.
„Es wird nunmehr ungefaͤhr funfzehn Jahre ſeyn,
„daß ich das Gluͤck hatte, von Jhnen als Jnfor-
„mator Jhrer lieben Jugend ſo viele Wohlthaten
„zu genießen, die mir beſtaͤndig unvergeßlich ſeyn
„werden. Wie geſchwind ſind dieſe Jahre ver-
„ſtrichen, und wie vielen Veraͤnderungen ſind wir
„mit denſelben unterworfen! Jch kann ohne inni-
„ge Regung noch itzt nicht an den ſchmerzlichen
„Verluſt gedenken, den Sie vor zehn Jahren durch
„den unvermutheten Hintritt Jhrer im Leben ſo
„zaͤrtlich geliebten, und nunmehr in Gott ſanft
„ruhenden Frau Eheliebſte erlitten haben. Ge-
„wiß, wenn Gottesfurcht und Tugend den Men-
„ſchen unſterblich machten: ſo wuͤrde dieſe wohl-
„ſelige Frau vor andern verdient haben, niemals
„zu ſterben. Aber ihre unveraͤnderte Liebe zu
„Ew. Hochedelgeb. ihre vernuͤnftige Bemuͤhung,
„die ihr anvertrauten Liebespfaͤnder dem Schoͤp-
„fer zur Ehre, ſich zur Freude, und der Welt
„zum Beſten zu erziehn; ihre Sorgfalt, die
„Pflich-
N 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/227>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.