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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
hung zu haben, im Stande gewesen wäre, einen
so unhöflichen und rasenden Brief zu schreiben?
Aber was thut nicht eine Närrinn, wie ich war?
Jch schrieb ihn in Gegenwart meines Hochwohl-
gebohrnen Lieutenants. Er hatte seinen Arm um
meinen Nacken geschlagen, da ich ihn schrieb, und
er küßte mich für ieden allerliebsten artigen Gedan-
ken, wie er meine groben Einfälle nennte. Jch
war damals so wohl zufrieden mit mir und meinem
Ritter, daß ich nicht weiß, wozu mich seine Zärt-
lichkeit gebracht hätte, wenn er noch ein wenig mehr
verwegen, und ich nicht besorgt gewesen wäre, durch
eine zuvertraute Gefälligkeit die Hochachtung zu
verlieren, in der ich ihn gegen mich erhalten muß-
te, wenn meine Absichten auf ihn ernsthaft bleiben
sollten. Er liebte mich einige Monate feuriger,
als iemals, und als ihn eine heftige Krankheit über-
fiel, merkte ich erst, wie stark meine Liebe zu ihm
war, die ich ihm nunmehr weder selbst sagen, noch
andern entdecken durfte. Jn dieser ängstlichen
Ungewißheit blieb ich länger, als ein Jahr, und
ich war bey dieser Unruhe so unbesorgt auf mich
selbst, daß ich nicht wußte, was um mich herum
vorgieng, ob ich damals Anbeter hatte, oder nicht.
Jch weiß es in der That nicht. So viel weiß ich,
daß mir um diese Zeit Niemand mit einem schriftli-
chen Antrage beschwerlich fiel. Er würde schlimm
angekommen seyn. Endlich ward mein Lieute-
nant wieder gesund. Seine Krankheit hatte ihn
sehr mürrisch, und verdrüßlich gemacht. Wenig-

stens

Satyriſche Briefe.
hung zu haben, im Stande geweſen waͤre, einen
ſo unhoͤflichen und raſenden Brief zu ſchreiben?
Aber was thut nicht eine Naͤrrinn, wie ich war?
Jch ſchrieb ihn in Gegenwart meines Hochwohl-
gebohrnen Lieutenants. Er hatte ſeinen Arm um
meinen Nacken geſchlagen, da ich ihn ſchrieb, und
er kuͤßte mich fuͤr ieden allerliebſten artigen Gedan-
ken, wie er meine groben Einfaͤlle nennte. Jch
war damals ſo wohl zufrieden mit mir und meinem
Ritter, daß ich nicht weiß, wozu mich ſeine Zaͤrt-
lichkeit gebracht haͤtte, wenn er noch ein wenig mehr
verwegen, und ich nicht beſorgt geweſen waͤre, durch
eine zuvertraute Gefaͤlligkeit die Hochachtung zu
verlieren, in der ich ihn gegen mich erhalten muß-
te, wenn meine Abſichten auf ihn ernſthaft bleiben
ſollten. Er liebte mich einige Monate feuriger,
als iemals, und als ihn eine heftige Krankheit uͤber-
fiel, merkte ich erſt, wie ſtark meine Liebe zu ihm
war, die ich ihm nunmehr weder ſelbſt ſagen, noch
andern entdecken durfte. Jn dieſer aͤngſtlichen
Ungewißheit blieb ich laͤnger, als ein Jahr, und
ich war bey dieſer Unruhe ſo unbeſorgt auf mich
ſelbſt, daß ich nicht wußte, was um mich herum
vorgieng, ob ich damals Anbeter hatte, oder nicht.
Jch weiß es in der That nicht. So viel weiß ich,
daß mir um dieſe Zeit Niemand mit einem ſchriftli-
chen Antrage beſchwerlich fiel. Er wuͤrde ſchlimm
angekommen ſeyn. Endlich ward mein Lieute-
nant wieder geſund. Seine Krankheit hatte ihn
ſehr muͤrriſch, und verdruͤßlich gemacht. Wenig-

ſtens
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[196/0224] Satyriſche Briefe. hung zu haben, im Stande geweſen waͤre, einen ſo unhoͤflichen und raſenden Brief zu ſchreiben? Aber was thut nicht eine Naͤrrinn, wie ich war? Jch ſchrieb ihn in Gegenwart meines Hochwohl- gebohrnen Lieutenants. Er hatte ſeinen Arm um meinen Nacken geſchlagen, da ich ihn ſchrieb, und er kuͤßte mich fuͤr ieden allerliebſten artigen Gedan- ken, wie er meine groben Einfaͤlle nennte. Jch war damals ſo wohl zufrieden mit mir und meinem Ritter, daß ich nicht weiß, wozu mich ſeine Zaͤrt- lichkeit gebracht haͤtte, wenn er noch ein wenig mehr verwegen, und ich nicht beſorgt geweſen waͤre, durch eine zuvertraute Gefaͤlligkeit die Hochachtung zu verlieren, in der ich ihn gegen mich erhalten muß- te, wenn meine Abſichten auf ihn ernſthaft bleiben ſollten. Er liebte mich einige Monate feuriger, als iemals, und als ihn eine heftige Krankheit uͤber- fiel, merkte ich erſt, wie ſtark meine Liebe zu ihm war, die ich ihm nunmehr weder ſelbſt ſagen, noch andern entdecken durfte. Jn dieſer aͤngſtlichen Ungewißheit blieb ich laͤnger, als ein Jahr, und ich war bey dieſer Unruhe ſo unbeſorgt auf mich ſelbſt, daß ich nicht wußte, was um mich herum vorgieng, ob ich damals Anbeter hatte, oder nicht. Jch weiß es in der That nicht. So viel weiß ich, daß mir um dieſe Zeit Niemand mit einem ſchriftli- chen Antrage beſchwerlich fiel. Er wuͤrde ſchlimm angekommen ſeyn. Endlich ward mein Lieute- nant wieder geſund. Seine Krankheit hatte ihn ſehr muͤrriſch, und verdruͤßlich gemacht. Wenig- ſtens

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/224>, abgerufen am 23.11.2024.