[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. gedacht, auf die ich doch meinen ganzen Werthsetzte? Dieser von Adel war Lieutenant, und ich bildete mir ein, daß er mir bey einigen unschuldi- digen Freyheiten, die ich ihm dann und wann er- laubte, nicht undeutlich zu verstehen gäbe, er wolle mich heirathen, so bald er eine Compagnie haben würde. Ein Soldat, ein Hauptmann, ein zärt- licher Hauptmann ohne Kinder, war der nicht ei- nem bejahrten Hofrathe, und ernsthaften Wittwer mit zwey Kindern vorzuziehn? Jch sollte es wohl glauben, wenigstens glaubte ich es damals. Jn der That hatte ich unter den süssen Träumen eines adlichen Glücks schon mein vier und zwanzigstes Jahr herangebracht; aber ich war auch keine Stun- de mehr sicher, daß mein zärtlicher Herr Lieute- nant nicht Capitain würde. Sollte ich mich selbst an diesem Glücke hindern? Jch that also, was ei- ne Närrinn, wie ich, thun konnte, und schrieb an den Hofrath folgenden Brief. Mein Herr, "Es ist in der That eine große Schmeicheley für den
Satyriſche Briefe. gedacht, auf die ich doch meinen ganzen Werthſetzte? Dieſer von Adel war Lieutenant, und ich bildete mir ein, daß er mir bey einigen unſchuldi- digen Freyheiten, die ich ihm dann und wann er- laubte, nicht undeutlich zu verſtehen gaͤbe, er wolle mich heirathen, ſo bald er eine Compagnie haben wuͤrde. Ein Soldat, ein Hauptmann, ein zaͤrt- licher Hauptmann ohne Kinder, war der nicht ei- nem bejahrten Hofrathe, und ernſthaften Wittwer mit zwey Kindern vorzuziehn? Jch ſollte es wohl glauben, wenigſtens glaubte ich es damals. Jn der That hatte ich unter den ſuͤſſen Traͤumen eines adlichen Gluͤcks ſchon mein vier und zwanzigſtes Jahr herangebracht; aber ich war auch keine Stun- de mehr ſicher, daß mein zaͤrtlicher Herr Lieute- nant nicht Capitain wuͤrde. Sollte ich mich ſelbſt an dieſem Gluͤcke hindern? Jch that alſo, was ei- ne Naͤrrinn, wie ich, thun konnte, und ſchrieb an den Hofrath folgenden Brief. Mein Herr, „Es iſt in der That eine große Schmeicheley fuͤr den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0214" n="186"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/> gedacht, auf die ich doch meinen ganzen Werth<lb/> ſetzte? Dieſer von Adel war Lieutenant, und ich<lb/> bildete mir ein, daß er mir bey einigen unſchuldi-<lb/> digen Freyheiten, die ich ihm dann und wann er-<lb/> laubte, nicht undeutlich zu verſtehen gaͤbe, er wolle<lb/> mich heirathen, ſo bald er eine Compagnie haben<lb/> wuͤrde. Ein Soldat, ein Hauptmann, ein zaͤrt-<lb/> licher Hauptmann ohne Kinder, war der nicht ei-<lb/> nem bejahrten Hofrathe, und ernſthaften Wittwer<lb/> mit zwey Kindern vorzuziehn? Jch ſollte es wohl<lb/> glauben, wenigſtens glaubte ich es damals. Jn<lb/> der That hatte ich unter den ſuͤſſen Traͤumen eines<lb/> adlichen Gluͤcks ſchon mein vier und zwanzigſtes<lb/> Jahr herangebracht; aber ich war auch keine Stun-<lb/> de mehr ſicher, daß mein zaͤrtlicher Herr Lieute-<lb/> nant nicht Capitain wuͤrde. Sollte ich mich ſelbſt<lb/> an dieſem Gluͤcke hindern? Jch that alſo, was ei-<lb/> ne Naͤrrinn, wie ich, thun konnte, und ſchrieb<lb/> an den Hofrath folgenden Brief.</p><lb/> <floatingText> <body> <div type="letter"> <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr,</hi> </hi> </salute><lb/> <p>„<hi rendition="#in">E</hi>s iſt in der That eine große Schmeicheley fuͤr<lb/> „meinen Vater, daß Sie ihm den Beſitz einer<lb/> „frommen und chriſtlich erzognen Tochter zuge-<lb/> „ſtehn. Es wuͤrde Jhrer geſetzten und ernſthaf-<lb/> „ten Liebe nachtheilig ſeyn, wenn Sie weniger auf<lb/> „die Tugend, als auf die aͤuſſerlichen Vorzuͤge<lb/> „eines Frauenzimmers ſaͤhen; und ich habe die<lb/> „Ehre, Sie zu verſichern, daß ich noch nieman-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [186/0214]
Satyriſche Briefe.
gedacht, auf die ich doch meinen ganzen Werth
ſetzte? Dieſer von Adel war Lieutenant, und ich
bildete mir ein, daß er mir bey einigen unſchuldi-
digen Freyheiten, die ich ihm dann und wann er-
laubte, nicht undeutlich zu verſtehen gaͤbe, er wolle
mich heirathen, ſo bald er eine Compagnie haben
wuͤrde. Ein Soldat, ein Hauptmann, ein zaͤrt-
licher Hauptmann ohne Kinder, war der nicht ei-
nem bejahrten Hofrathe, und ernſthaften Wittwer
mit zwey Kindern vorzuziehn? Jch ſollte es wohl
glauben, wenigſtens glaubte ich es damals. Jn
der That hatte ich unter den ſuͤſſen Traͤumen eines
adlichen Gluͤcks ſchon mein vier und zwanzigſtes
Jahr herangebracht; aber ich war auch keine Stun-
de mehr ſicher, daß mein zaͤrtlicher Herr Lieute-
nant nicht Capitain wuͤrde. Sollte ich mich ſelbſt
an dieſem Gluͤcke hindern? Jch that alſo, was ei-
ne Naͤrrinn, wie ich, thun konnte, und ſchrieb
an den Hofrath folgenden Brief.
Mein Herr,
„Es iſt in der That eine große Schmeicheley fuͤr
„meinen Vater, daß Sie ihm den Beſitz einer
„frommen und chriſtlich erzognen Tochter zuge-
„ſtehn. Es wuͤrde Jhrer geſetzten und ernſthaf-
„ten Liebe nachtheilig ſeyn, wenn Sie weniger auf
„die Tugend, als auf die aͤuſſerlichen Vorzuͤge
„eines Frauenzimmers ſaͤhen; und ich habe die
„Ehre, Sie zu verſichern, daß ich noch nieman-
den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |