guten Art, und ich glaube der Kaufmann soll mich verstehn. So klug ist er wenigstens, daß er sie von mir nicht wieder fodern wird. Funfzehnhun- dert Thaler ist eine Kleinigkeit; aber bedenken Sie, mein Herr, daß ich länger nicht, als seit sechs Tagen bey Hofe bin.
Heute früh bin ich in der Kirche gewesen. Meine Weste that ihre gute Wirkung. Der Pre- diger gefiel mir nicht so, wie vor acht Tagen, da ich noch kein Hofmann war. Wenn ich nicht irre, so predigt der Mann zu pedantisch. Für den Pö- bel mag er ganz erbaulich seyn. Seine christlichen Tugenden treten so bürgerlich einher. Bewun- dern Sie immer diesen Einfall; er hat mir heute viel Ehre in der Kapelle gemacht. Morgen ist der zweyte Feyertag, um deswillen werde ich zur Ader lassen.
Leben Sie wohl. Es ist meinem neuen Stan- de gemäß, daß ich meine alten Freunde nach und nach vergesse. Gewiß vergesse ich Sie zuletzt; ich will aber doch thun, was mir möglich ist. Ver- suchen Sie es über acht Tage. Begegnen Sie mir. Jch werde Sie ansehen, ein paar große Augen machen. Jch soll Sie kennen, mein Herr, werde ich sprechen. Sie werden mir Jhren Na- men sagen; ich werde, als vom Traume erwachend, zurück springen, Sie umarmen, und ohne ihre Antwort zu erwarten, mich aus Jhren Armen los reissen, weil mich höchstdringende Geschäffte
nöthi-
Satyriſche Briefe.
guten Art, und ich glaube der Kaufmann ſoll mich verſtehn. So klug iſt er wenigſtens, daß er ſie von mir nicht wieder fodern wird. Funfzehnhun- dert Thaler iſt eine Kleinigkeit; aber bedenken Sie, mein Herr, daß ich laͤnger nicht, als ſeit ſechs Tagen bey Hofe bin.
Heute fruͤh bin ich in der Kirche geweſen. Meine Weſte that ihre gute Wirkung. Der Pre- diger gefiel mir nicht ſo, wie vor acht Tagen, da ich noch kein Hofmann war. Wenn ich nicht irre, ſo predigt der Mann zu pedantiſch. Fuͤr den Poͤ- bel mag er ganz erbaulich ſeyn. Seine chriſtlichen Tugenden treten ſo buͤrgerlich einher. Bewun- dern Sie immer dieſen Einfall; er hat mir heute viel Ehre in der Kapelle gemacht. Morgen iſt der zweyte Feyertag, um deswillen werde ich zur Ader laſſen.
Leben Sie wohl. Es iſt meinem neuen Stan- de gemaͤß, daß ich meine alten Freunde nach und nach vergeſſe. Gewiß vergeſſe ich Sie zuletzt; ich will aber doch thun, was mir moͤglich iſt. Ver- ſuchen Sie es uͤber acht Tage. Begegnen Sie mir. Jch werde Sie anſehen, ein paar große Augen machen. Jch ſoll Sie kennen, mein Herr, werde ich ſprechen. Sie werden mir Jhren Na- men ſagen; ich werde, als vom Traume erwachend, zuruͤck ſpringen, Sie umarmen, und ohne ihre Antwort zu erwarten, mich aus Jhren Armen los reiſſen, weil mich hoͤchſtdringende Geſchaͤffte
noͤthi-
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0204"n="176"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>
guten Art, und ich glaube der Kaufmann ſoll mich<lb/>
verſtehn. So klug iſt er wenigſtens, daß er ſie<lb/>
von mir nicht wieder fodern wird. Funfzehnhun-<lb/>
dert Thaler iſt eine Kleinigkeit; aber bedenken<lb/>
Sie, mein Herr, daß ich laͤnger nicht, als ſeit ſechs<lb/>
Tagen bey Hofe bin.</p><lb/><p>Heute fruͤh bin ich in der Kirche geweſen.<lb/>
Meine Weſte that ihre gute Wirkung. Der Pre-<lb/>
diger gefiel mir nicht ſo, wie vor acht Tagen, da<lb/>
ich noch kein Hofmann war. Wenn ich nicht irre,<lb/>ſo predigt der Mann zu pedantiſch. Fuͤr den Poͤ-<lb/>
bel mag er ganz erbaulich ſeyn. Seine chriſtlichen<lb/>
Tugenden treten ſo buͤrgerlich einher. Bewun-<lb/>
dern Sie immer dieſen Einfall; er hat mir heute<lb/>
viel Ehre in der Kapelle gemacht. Morgen iſt der<lb/>
zweyte Feyertag, um deswillen werde ich zur<lb/>
Ader laſſen.</p><lb/><p>Leben Sie wohl. Es iſt meinem neuen Stan-<lb/>
de gemaͤß, daß ich meine alten Freunde nach und<lb/>
nach vergeſſe. Gewiß vergeſſe ich Sie zuletzt;<lb/>
ich will aber doch thun, was mir moͤglich iſt. Ver-<lb/>ſuchen Sie es uͤber acht Tage. Begegnen Sie<lb/>
mir. Jch werde Sie anſehen, ein paar große<lb/>
Augen machen. Jch ſoll Sie kennen, mein Herr,<lb/>
werde ich ſprechen. Sie werden mir Jhren Na-<lb/>
men ſagen; ich werde, als vom Traume erwachend,<lb/>
zuruͤck ſpringen, Sie umarmen, und ohne ihre<lb/>
Antwort zu erwarten, mich aus Jhren Armen<lb/>
los reiſſen, weil mich hoͤchſtdringende Geſchaͤffte<lb/><fwplace="bottom"type="catch">noͤthi-</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[176/0204]
Satyriſche Briefe.
guten Art, und ich glaube der Kaufmann ſoll mich
verſtehn. So klug iſt er wenigſtens, daß er ſie
von mir nicht wieder fodern wird. Funfzehnhun-
dert Thaler iſt eine Kleinigkeit; aber bedenken
Sie, mein Herr, daß ich laͤnger nicht, als ſeit ſechs
Tagen bey Hofe bin.
Heute fruͤh bin ich in der Kirche geweſen.
Meine Weſte that ihre gute Wirkung. Der Pre-
diger gefiel mir nicht ſo, wie vor acht Tagen, da
ich noch kein Hofmann war. Wenn ich nicht irre,
ſo predigt der Mann zu pedantiſch. Fuͤr den Poͤ-
bel mag er ganz erbaulich ſeyn. Seine chriſtlichen
Tugenden treten ſo buͤrgerlich einher. Bewun-
dern Sie immer dieſen Einfall; er hat mir heute
viel Ehre in der Kapelle gemacht. Morgen iſt der
zweyte Feyertag, um deswillen werde ich zur
Ader laſſen.
Leben Sie wohl. Es iſt meinem neuen Stan-
de gemaͤß, daß ich meine alten Freunde nach und
nach vergeſſe. Gewiß vergeſſe ich Sie zuletzt;
ich will aber doch thun, was mir moͤglich iſt. Ver-
ſuchen Sie es uͤber acht Tage. Begegnen Sie
mir. Jch werde Sie anſehen, ein paar große
Augen machen. Jch ſoll Sie kennen, mein Herr,
werde ich ſprechen. Sie werden mir Jhren Na-
men ſagen; ich werde, als vom Traume erwachend,
zuruͤck ſpringen, Sie umarmen, und ohne ihre
Antwort zu erwarten, mich aus Jhren Armen
los reiſſen, weil mich hoͤchſtdringende Geſchaͤffte
noͤthi-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/204>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.