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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
gelehrt, daß gemeiniglich niemand gefährlicher sey,
als ein junger Commissar. Seine Begriffe von
der Pflicht sind noch zu wenig ausgearbeitet. Da
er noch niemals dergleichen Auftrag gehabt, so
glaubt er, er arbeite itzt vor den Augen des Hofs,
und des ganzen Landes. Ein amtsmäßiger Hoch-
muth, und das Verlangen, sein künftiges Glück zu
empfehlen, macht ihn strenge. Er versteht nur
das Finstre und Schwere der Pflicht, und vergißt
die Billigkeit darüber. Er ist hart gegen den Un-
terthan, um ein treuer Diener seines Fürsten zu
scheinen. Die Gesetze sind ihm noch zu neu, als
daß er sie genau kennen sollte. Er weiß es noch
nicht, daß dergleichen Gesetze eben so wohl zum
Besten des Landes, als dazu gegeben sind, die
Rechte des Fürsten zu schützen. Ueberzeugen Sie
ihn, daß er gefehlt, daß er die Gesetze nicht recht
verstanden hat: so wird ihm sein junger Stolz
nicht verstatten, es einzusehn. Auf Jhre Unko-
sten wird er seine Meynung behaupten. Ein Com-
missar muß sehr unrecht haben, wenn er davon
überführt werden soll. Sie werden ihn beleidi-
gen, wenn Sie ihn durch Geschenke auf Jhre Sei-
te bringen wollen. Vielleicht nimmt er sie künf-
tig an; itzt darf er es noch nicht thun, ohne seinem
künftigen Glücke, und dem Ansehn zu schaden, in
das er sich durch seine Gerechtigkeit setzen will.
Er weiß es, daß Sie Selbst Gelegenheit gegeben
haben, daß er zum Richter in Jhrer Streitigkeit
gewählt worden ist. Eben das ist die Ursache,

Gnä-

Satyriſche Briefe.
gelehrt, daß gemeiniglich niemand gefaͤhrlicher ſey,
als ein junger Commiſſar. Seine Begriffe von
der Pflicht ſind noch zu wenig ausgearbeitet. Da
er noch niemals dergleichen Auftrag gehabt, ſo
glaubt er, er arbeite itzt vor den Augen des Hofs,
und des ganzen Landes. Ein amtsmaͤßiger Hoch-
muth, und das Verlangen, ſein kuͤnftiges Gluͤck zu
empfehlen, macht ihn ſtrenge. Er verſteht nur
das Finſtre und Schwere der Pflicht, und vergißt
die Billigkeit daruͤber. Er iſt hart gegen den Un-
terthan, um ein treuer Diener ſeines Fuͤrſten zu
ſcheinen. Die Geſetze ſind ihm noch zu neu, als
daß er ſie genau kennen ſollte. Er weiß es noch
nicht, daß dergleichen Geſetze eben ſo wohl zum
Beſten des Landes, als dazu gegeben ſind, die
Rechte des Fuͤrſten zu ſchuͤtzen. Ueberzeugen Sie
ihn, daß er gefehlt, daß er die Geſetze nicht recht
verſtanden hat: ſo wird ihm ſein junger Stolz
nicht verſtatten, es einzuſehn. Auf Jhre Unko-
ſten wird er ſeine Meynung behaupten. Ein Com-
miſſar muß ſehr unrecht haben, wenn er davon
uͤberfuͤhrt werden ſoll. Sie werden ihn beleidi-
gen, wenn Sie ihn durch Geſchenke auf Jhre Sei-
te bringen wollen. Vielleicht nimmt er ſie kuͤnf-
tig an; itzt darf er es noch nicht thun, ohne ſeinem
kuͤnftigen Gluͤcke, und dem Anſehn zu ſchaden, in
das er ſich durch ſeine Gerechtigkeit ſetzen will.
Er weiß es, daß Sie Selbſt Gelegenheit gegeben
haben, daß er zum Richter in Jhrer Streitigkeit
gewaͤhlt worden iſt. Eben das iſt die Urſache,

Gnaͤ-
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[171/0199] Satyriſche Briefe. gelehrt, daß gemeiniglich niemand gefaͤhrlicher ſey, als ein junger Commiſſar. Seine Begriffe von der Pflicht ſind noch zu wenig ausgearbeitet. Da er noch niemals dergleichen Auftrag gehabt, ſo glaubt er, er arbeite itzt vor den Augen des Hofs, und des ganzen Landes. Ein amtsmaͤßiger Hoch- muth, und das Verlangen, ſein kuͤnftiges Gluͤck zu empfehlen, macht ihn ſtrenge. Er verſteht nur das Finſtre und Schwere der Pflicht, und vergißt die Billigkeit daruͤber. Er iſt hart gegen den Un- terthan, um ein treuer Diener ſeines Fuͤrſten zu ſcheinen. Die Geſetze ſind ihm noch zu neu, als daß er ſie genau kennen ſollte. Er weiß es noch nicht, daß dergleichen Geſetze eben ſo wohl zum Beſten des Landes, als dazu gegeben ſind, die Rechte des Fuͤrſten zu ſchuͤtzen. Ueberzeugen Sie ihn, daß er gefehlt, daß er die Geſetze nicht recht verſtanden hat: ſo wird ihm ſein junger Stolz nicht verſtatten, es einzuſehn. Auf Jhre Unko- ſten wird er ſeine Meynung behaupten. Ein Com- miſſar muß ſehr unrecht haben, wenn er davon uͤberfuͤhrt werden ſoll. Sie werden ihn beleidi- gen, wenn Sie ihn durch Geſchenke auf Jhre Sei- te bringen wollen. Vielleicht nimmt er ſie kuͤnf- tig an; itzt darf er es noch nicht thun, ohne ſeinem kuͤnftigen Gluͤcke, und dem Anſehn zu ſchaden, in das er ſich durch ſeine Gerechtigkeit ſetzen will. Er weiß es, daß Sie Selbſt Gelegenheit gegeben haben, daß er zum Richter in Jhrer Streitigkeit gewaͤhlt worden iſt. Eben das iſt die Urſache, Gnaͤ-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/199>, abgerufen am 23.11.2024.