Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
großen Veränderungen im Staate ganz im Ver-
trauen einen Wink gab. Ein Brief von Jhro
Excellenz - - - mehr durfte er nicht sagen.
Ein Hofmann, wie er, sagt alles nur halb, und
denkt gar nichts dabey! Jn der That wies er mir
von ferne einen Brief, und ließ mich sehr vorsich-
tig weiter nichts lesen, als: Hochedelgebohrner,
Hochgelahrter.
Mit einemmale verschloß er ihn
ins Pult, brach ab, und sahe mir steif in die Augen.
Jch antwortete ihm mit einem beredten Achselzu-
cken, schlug die Augen in die Höhe, und lächelte.
Wir verstunden beyde einander; er, daß ich seine
Einsicht in das Zukünftige des Staats bewunderte,
und ich, daß er ein Narr war. Nach einer lan-
desverrätherischen Pause von zwo Minuten, nahm
er mich bey der Hand, und sagte: Seria in cra-
stinum!
und sagte mir vielleicht damit sein ganzes
Latein. Womit kann ich Jhnen dienen? mit Un-
garischem Weine? mit Champagner? mit Burgun-
der? Mit Burgunder doch wohl am liebsten. Bur-
gunder, Johann, vom besten, geschwind! rief er
seinem Bedienten zu, der von ferne an der Thüre
stand, und sich die Haare auskämmte. Er kam.
Burgunder? Nein, Gnädiger Herr, ein rother
Landwein. Jch trank ihn als ein wahrer Patriot,
und schlurfte ihn so prüfend durch meine Zähne, als
der Schmarozer kaum thut, welcher gegen Sie,
Gnädiger Herr, niemals mehr Ehrfurcht bezeigt,
als wenn Sie Burgunder und Austern haben. Bey
dem ersten Glase nöthigte er mir eine Schmeicheley

ab,

Satyriſche Briefe.
großen Veraͤnderungen im Staate ganz im Ver-
trauen einen Wink gab. Ein Brief von Jhro
Excellenz ‒ ‒ ‒ mehr durfte er nicht ſagen.
Ein Hofmann, wie er, ſagt alles nur halb, und
denkt gar nichts dabey! Jn der That wies er mir
von ferne einen Brief, und ließ mich ſehr vorſich-
tig weiter nichts leſen, als: Hochedelgebohrner,
Hochgelahrter.
Mit einemmale verſchloß er ihn
ins Pult, brach ab, und ſahe mir ſteif in die Augen.
Jch antwortete ihm mit einem beredten Achſelzu-
cken, ſchlug die Augen in die Hoͤhe, und laͤchelte.
Wir verſtunden beyde einander; er, daß ich ſeine
Einſicht in das Zukuͤnftige des Staats bewunderte,
und ich, daß er ein Narr war. Nach einer lan-
desverraͤtheriſchen Pauſe von zwo Minuten, nahm
er mich bey der Hand, und ſagte: Seria in cra-
ſtinum!
und ſagte mir vielleicht damit ſein ganzes
Latein. Womit kann ich Jhnen dienen? mit Un-
gariſchem Weine? mit Champagner? mit Burgun-
der? Mit Burgunder doch wohl am liebſten. Bur-
gunder, Johann, vom beſten, geſchwind! rief er
ſeinem Bedienten zu, der von ferne an der Thuͤre
ſtand, und ſich die Haare auskaͤmmte. Er kam.
Burgunder? Nein, Gnaͤdiger Herr, ein rother
Landwein. Jch trank ihn als ein wahrer Patriot,
und ſchlurfte ihn ſo pruͤfend durch meine Zaͤhne, als
der Schmarozer kaum thut, welcher gegen Sie,
Gnaͤdiger Herr, niemals mehr Ehrfurcht bezeigt,
als wenn Sie Burgunder und Auſtern haben. Bey
dem erſten Glaſe noͤthigte er mir eine Schmeicheley

ab,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <p><pb facs="#f0178" n="150"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
großen Vera&#x0364;nderungen im Staate ganz im Ver-<lb/>
trauen einen Wink gab. Ein Brief von Jhro<lb/>
Excellenz &#x2012; &#x2012; &#x2012; mehr durfte er nicht &#x017F;agen.<lb/>
Ein Hofmann, wie er, &#x017F;agt alles nur halb, und<lb/>
denkt gar nichts dabey! Jn der That wies er mir<lb/>
von ferne einen Brief, und ließ mich &#x017F;ehr vor&#x017F;ich-<lb/>
tig weiter nichts le&#x017F;en, als: <hi rendition="#fr">Hochedelgebohrner,<lb/>
Hochgelahrter.</hi> Mit einemmale ver&#x017F;chloß er ihn<lb/>
ins Pult, brach ab, und &#x017F;ahe mir &#x017F;teif in die Augen.<lb/>
Jch antwortete ihm mit einem beredten Ach&#x017F;elzu-<lb/>
cken, &#x017F;chlug die Augen in die Ho&#x0364;he, und la&#x0364;chelte.<lb/>
Wir ver&#x017F;tunden beyde einander; er, daß ich &#x017F;eine<lb/>
Ein&#x017F;icht in das Zuku&#x0364;nftige des Staats bewunderte,<lb/>
und ich, daß er ein Narr war. Nach einer lan-<lb/>
desverra&#x0364;theri&#x017F;chen Pau&#x017F;e von zwo Minuten, nahm<lb/>
er mich bey der Hand, und &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">Seria in cra-<lb/>
&#x017F;tinum!</hi> und &#x017F;agte mir vielleicht damit &#x017F;ein ganzes<lb/>
Latein. Womit kann ich Jhnen dienen? mit Un-<lb/>
gari&#x017F;chem Weine? mit Champagner? mit Burgun-<lb/>
der? Mit Burgunder doch wohl am lieb&#x017F;ten. Bur-<lb/>
gunder, Johann, vom be&#x017F;ten, ge&#x017F;chwind! rief er<lb/>
&#x017F;einem Bedienten zu, der von ferne an der Thu&#x0364;re<lb/>
&#x017F;tand, und &#x017F;ich die Haare auska&#x0364;mmte. Er kam.<lb/>
Burgunder? Nein, Gna&#x0364;diger Herr, ein rother<lb/>
Landwein. Jch trank ihn als ein wahrer Patriot,<lb/>
und &#x017F;chlurfte ihn &#x017F;o pru&#x0364;fend durch meine Za&#x0364;hne, als<lb/>
der Schmarozer kaum thut, welcher gegen Sie,<lb/>
Gna&#x0364;diger Herr, niemals mehr Ehrfurcht bezeigt,<lb/>
als wenn Sie Burgunder und Au&#x017F;tern haben. Bey<lb/>
dem er&#x017F;ten Gla&#x017F;e no&#x0364;thigte er mir eine Schmeicheley<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ab,</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0178] Satyriſche Briefe. großen Veraͤnderungen im Staate ganz im Ver- trauen einen Wink gab. Ein Brief von Jhro Excellenz ‒ ‒ ‒ mehr durfte er nicht ſagen. Ein Hofmann, wie er, ſagt alles nur halb, und denkt gar nichts dabey! Jn der That wies er mir von ferne einen Brief, und ließ mich ſehr vorſich- tig weiter nichts leſen, als: Hochedelgebohrner, Hochgelahrter. Mit einemmale verſchloß er ihn ins Pult, brach ab, und ſahe mir ſteif in die Augen. Jch antwortete ihm mit einem beredten Achſelzu- cken, ſchlug die Augen in die Hoͤhe, und laͤchelte. Wir verſtunden beyde einander; er, daß ich ſeine Einſicht in das Zukuͤnftige des Staats bewunderte, und ich, daß er ein Narr war. Nach einer lan- desverraͤtheriſchen Pauſe von zwo Minuten, nahm er mich bey der Hand, und ſagte: Seria in cra- ſtinum! und ſagte mir vielleicht damit ſein ganzes Latein. Womit kann ich Jhnen dienen? mit Un- gariſchem Weine? mit Champagner? mit Burgun- der? Mit Burgunder doch wohl am liebſten. Bur- gunder, Johann, vom beſten, geſchwind! rief er ſeinem Bedienten zu, der von ferne an der Thuͤre ſtand, und ſich die Haare auskaͤmmte. Er kam. Burgunder? Nein, Gnaͤdiger Herr, ein rother Landwein. Jch trank ihn als ein wahrer Patriot, und ſchlurfte ihn ſo pruͤfend durch meine Zaͤhne, als der Schmarozer kaum thut, welcher gegen Sie, Gnaͤdiger Herr, niemals mehr Ehrfurcht bezeigt, als wenn Sie Burgunder und Auſtern haben. Bey dem erſten Glaſe noͤthigte er mir eine Schmeicheley ab,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/178
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/178>, abgerufen am 23.11.2024.