Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
"innerlichen Beruf empfindet, zur Zierde des Va-
"terlandes ein Rathsherr zu werden. Diejeni-
"gen, welche an einer so problematischen Sache,
"und an den Sitten der Nachwelt keinen Antheil
"nehmen, können dieses Formular sicher über-
"schlagen, ohne etwas dabey zu verlieren. Die
"folgenden zween Briefe sind schon etwas wichti-
"ger, und mehr praktisch.

Madame,

Jch habe das Glück, Jhr Pathe zu seyn. Die-
ses giebt mir ein Recht, auf alle diejenigen
Aemter Anspruch zu machen, welche durch die
Hand Jhres Mannes vergeben werden. Die
nur unlängst eröffnete Rathsstelle erinnert mich
an dieses Vorrecht. Sie wissen, Madame, wie
vorsichtig und zärtlich meine Aeltern mich iederzeit
erzogen haben. Jhre Sorge, mich durch eine
pöbelmäßige Strenge und einen unzeitigen Fleiß
zu früh niederzudrücken, und zu dem Amte, das
ich itzt suche, ungeschickt zu machen, diese liebrei-
che Vorsorge meiner Aeltern hat mich in den
Stand gesetzt, daß ich itzt bey einem gesunden,
wohlgebauten, und gut genährten Körper das
Vermögen, welches ich geerbt, ruhig genies-
sen, und die kleinen Spöttereyen der Pedan-
ten über den Mangel der Gelehrsamkeit und
des Verstandes gelassen übersehen kann. Jch
weiß, Madame, und Sie wissen es noch

besser
J 4

Satyriſche Briefe.
„innerlichen Beruf empfindet, zur Zierde des Va-
„terlandes ein Rathsherr zu werden. Diejeni-
„gen, welche an einer ſo problematiſchen Sache,
„und an den Sitten der Nachwelt keinen Antheil
„nehmen, koͤnnen dieſes Formular ſicher uͤber-
„ſchlagen, ohne etwas dabey zu verlieren. Die
„folgenden zween Briefe ſind ſchon etwas wichti-
„ger, und mehr praktiſch.

Madame,

Jch habe das Gluͤck, Jhr Pathe zu ſeyn. Die-
ſes giebt mir ein Recht, auf alle diejenigen
Aemter Anſpruch zu machen, welche durch die
Hand Jhres Mannes vergeben werden. Die
nur unlaͤngſt eroͤffnete Rathsſtelle erinnert mich
an dieſes Vorrecht. Sie wiſſen, Madame, wie
vorſichtig und zaͤrtlich meine Aeltern mich iederzeit
erzogen haben. Jhre Sorge, mich durch eine
poͤbelmaͤßige Strenge und einen unzeitigen Fleiß
zu fruͤh niederzudruͤcken, und zu dem Amte, das
ich itzt ſuche, ungeſchickt zu machen, dieſe liebrei-
che Vorſorge meiner Aeltern hat mich in den
Stand geſetzt, daß ich itzt bey einem geſunden,
wohlgebauten, und gut genaͤhrten Koͤrper das
Vermoͤgen, welches ich geerbt, ruhig genieſ-
ſen, und die kleinen Spoͤttereyen der Pedan-
ten uͤber den Mangel der Gelehrſamkeit und
des Verſtandes gelaſſen uͤberſehen kann. Jch
weiß, Madame, und Sie wiſſen es noch

beſſer
J 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
&#x201E;innerlichen Beruf empfindet, zur Zierde des Va-<lb/>
&#x201E;terlandes ein Rathsherr zu werden. Diejeni-<lb/>
&#x201E;gen, welche an einer &#x017F;o problemati&#x017F;chen Sache,<lb/>
&#x201E;und an den Sitten der Nachwelt keinen Antheil<lb/>
&#x201E;nehmen, ko&#x0364;nnen die&#x017F;es Formular &#x017F;icher u&#x0364;ber-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chlagen, ohne etwas dabey zu verlieren. Die<lb/>
&#x201E;folgenden zween Briefe &#x017F;ind &#x017F;chon etwas wichti-<lb/>
&#x201E;ger, und mehr prakti&#x017F;ch.</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#fr">Madame,</hi> </salute><lb/>
              <p><hi rendition="#in">J</hi>ch habe das Glu&#x0364;ck, Jhr Pathe zu &#x017F;eyn. Die-<lb/>
&#x017F;es giebt mir ein Recht, auf alle diejenigen<lb/>
Aemter An&#x017F;pruch zu machen, welche durch die<lb/>
Hand Jhres Mannes vergeben werden. Die<lb/>
nur unla&#x0364;ng&#x017F;t ero&#x0364;ffnete Raths&#x017F;telle erinnert mich<lb/>
an die&#x017F;es Vorrecht. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, Madame, wie<lb/>
vor&#x017F;ichtig und za&#x0364;rtlich meine Aeltern mich iederzeit<lb/>
erzogen haben. Jhre Sorge, mich durch eine<lb/>
po&#x0364;belma&#x0364;ßige Strenge und einen unzeitigen Fleiß<lb/>
zu fru&#x0364;h niederzudru&#x0364;cken, und zu dem Amte, das<lb/>
ich itzt &#x017F;uche, unge&#x017F;chickt zu machen, die&#x017F;e liebrei-<lb/>
che Vor&#x017F;orge meiner Aeltern hat mich in den<lb/>
Stand ge&#x017F;etzt, daß ich itzt bey einem ge&#x017F;unden,<lb/>
wohlgebauten, und gut gena&#x0364;hrten Ko&#x0364;rper das<lb/>
Vermo&#x0364;gen, welches ich geerbt, ruhig genie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und die kleinen Spo&#x0364;ttereyen der Pedan-<lb/>
ten u&#x0364;ber den Mangel der Gelehr&#x017F;amkeit und<lb/>
des Ver&#x017F;tandes gela&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber&#x017F;ehen kann. Jch<lb/>
weiß, Madame, und Sie wi&#x017F;&#x017F;en es noch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 4</fw><fw place="bottom" type="catch">be&#x017F;&#x017F;er</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0163] Satyriſche Briefe. „innerlichen Beruf empfindet, zur Zierde des Va- „terlandes ein Rathsherr zu werden. Diejeni- „gen, welche an einer ſo problematiſchen Sache, „und an den Sitten der Nachwelt keinen Antheil „nehmen, koͤnnen dieſes Formular ſicher uͤber- „ſchlagen, ohne etwas dabey zu verlieren. Die „folgenden zween Briefe ſind ſchon etwas wichti- „ger, und mehr praktiſch. Madame, Jch habe das Gluͤck, Jhr Pathe zu ſeyn. Die- ſes giebt mir ein Recht, auf alle diejenigen Aemter Anſpruch zu machen, welche durch die Hand Jhres Mannes vergeben werden. Die nur unlaͤngſt eroͤffnete Rathsſtelle erinnert mich an dieſes Vorrecht. Sie wiſſen, Madame, wie vorſichtig und zaͤrtlich meine Aeltern mich iederzeit erzogen haben. Jhre Sorge, mich durch eine poͤbelmaͤßige Strenge und einen unzeitigen Fleiß zu fruͤh niederzudruͤcken, und zu dem Amte, das ich itzt ſuche, ungeſchickt zu machen, dieſe liebrei- che Vorſorge meiner Aeltern hat mich in den Stand geſetzt, daß ich itzt bey einem geſunden, wohlgebauten, und gut genaͤhrten Koͤrper das Vermoͤgen, welches ich geerbt, ruhig genieſ- ſen, und die kleinen Spoͤttereyen der Pedan- ten uͤber den Mangel der Gelehrſamkeit und des Verſtandes gelaſſen uͤberſehen kann. Jch weiß, Madame, und Sie wiſſen es noch beſſer J 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/163
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/163>, abgerufen am 22.12.2024.