Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Satyrische Briefe.
Gnädige Frau Amtshauptmanninn,

Eine Abbitte, und eine Ehrenerklärung ist das
wenigste, was ich von Jhnen fodern kann.
Können Sie mir im Ernste einen so schlechten Ge-
schmack zutrauen, daß ich das Gesichte der Kom-
merzenräthinn für reizend halten sollte? Die
Schmeichleyen, die ich ihr gestern sagte, giengen
wenigstens ihr Gesichte nicht an. Könnte ich mir
auch so viel Gewalt anthun, sie zu lieben: so müß-
te es gewiß nur darum geschehen, daß ich mich
an ihrem Mann rächte, der mich in einen so ver-
drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es ist
wahr, die ehrliche Frau verläßt sich auf ihre alten
Reizungen so sehr, als ihr guter Mann auf die
Gerechtigkeit seiner Sache, die er wider mich aus-
zuführen gedenkt; doch will ich hoffen, sie sollen
beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich geste-
hen, die Kommerzenräthinn ist eine billige Frau.
Sie hat mir gestern ins Ohr gesagt, daß Sie,
Gnädige Frau, noch ganz erträglich aussähen, und
gesteht, daß Jhre Hände schön sind. Jch kam
zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein
wenig stolz auf die Billigkeit meiner Sache. Es
kann seyn,
sagte sie mit ihrer hohen Mine, aber
vielleicht wird sie der Herr Amtshauptmann
so gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein-
mal Gelegenheit habe, mündlich mit ihm
davon zu sprechen.
Verstehn Sie diese trium-

phirende
Satyriſche Briefe.
Gnaͤdige Frau Amtshauptmanninn,

Eine Abbitte, und eine Ehrenerklaͤrung iſt das
wenigſte, was ich von Jhnen fodern kann.
Koͤnnen Sie mir im Ernſte einen ſo ſchlechten Ge-
ſchmack zutrauen, daß ich das Geſichte der Kom-
merzenraͤthinn fuͤr reizend halten ſollte? Die
Schmeichleyen, die ich ihr geſtern ſagte, giengen
wenigſtens ihr Geſichte nicht an. Koͤnnte ich mir
auch ſo viel Gewalt anthun, ſie zu lieben: ſo muͤß-
te es gewiß nur darum geſchehen, daß ich mich
an ihrem Mann raͤchte, der mich in einen ſo ver-
drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es iſt
wahr, die ehrliche Frau verlaͤßt ſich auf ihre alten
Reizungen ſo ſehr, als ihr guter Mann auf die
Gerechtigkeit ſeiner Sache, die er wider mich aus-
zufuͤhren gedenkt; doch will ich hoffen, ſie ſollen
beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich geſte-
hen, die Kommerzenraͤthinn iſt eine billige Frau.
Sie hat mir geſtern ins Ohr geſagt, daß Sie,
Gnaͤdige Frau, noch ganz ertraͤglich ausſaͤhen, und
geſteht, daß Jhre Haͤnde ſchoͤn ſind. Jch kam
zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein
wenig ſtolz auf die Billigkeit meiner Sache. Es
kann ſeyn,
ſagte ſie mit ihrer hohen Mine, aber
vielleicht wird ſie der Herr Amtshauptmann
ſo gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein-
mal Gelegenheit habe, muͤndlich mit ihm
davon zu ſprechen.
Verſtehn Sie dieſe trium-

phirende
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <pb facs="#f0142" n="114"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi> </fw><lb/>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#fr">Gna&#x0364;dige Frau Amtshauptmanninn,</hi> </salute><lb/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>ine Abbitte, und eine Ehrenerkla&#x0364;rung i&#x017F;t das<lb/>
wenig&#x017F;te, was ich von Jhnen fodern kann.<lb/>
Ko&#x0364;nnen Sie mir im Ern&#x017F;te einen &#x017F;o &#x017F;chlechten Ge-<lb/>
&#x017F;chmack zutrauen, daß ich das Ge&#x017F;ichte der Kom-<lb/>
merzenra&#x0364;thinn fu&#x0364;r reizend halten &#x017F;ollte? Die<lb/>
Schmeichleyen, die ich ihr ge&#x017F;tern &#x017F;agte, giengen<lb/>
wenig&#x017F;tens ihr Ge&#x017F;ichte nicht an. Ko&#x0364;nnte ich mir<lb/>
auch &#x017F;o viel Gewalt anthun, &#x017F;ie zu lieben: &#x017F;o mu&#x0364;ß-<lb/>
te es gewiß nur darum ge&#x017F;chehen, daß ich mich<lb/>
an ihrem Mann ra&#x0364;chte, der mich in einen &#x017F;o ver-<lb/>
drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es i&#x017F;t<lb/>
wahr, die ehrliche Frau verla&#x0364;ßt &#x017F;ich auf ihre alten<lb/>
Reizungen &#x017F;o &#x017F;ehr, als ihr guter Mann auf die<lb/>
Gerechtigkeit &#x017F;einer Sache, die er wider mich aus-<lb/>
zufu&#x0364;hren gedenkt; doch will ich hoffen, &#x017F;ie &#x017F;ollen<lb/>
beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich ge&#x017F;te-<lb/>
hen, die Kommerzenra&#x0364;thinn i&#x017F;t eine billige Frau.<lb/>
Sie hat mir ge&#x017F;tern ins Ohr ge&#x017F;agt, daß Sie,<lb/>
Gna&#x0364;dige Frau, noch ganz ertra&#x0364;glich aus&#x017F;a&#x0364;hen, und<lb/>
ge&#x017F;teht, daß Jhre Ha&#x0364;nde &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;ind. Jch kam<lb/>
zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein<lb/>
wenig &#x017F;tolz auf die Billigkeit meiner Sache. <hi rendition="#fr">Es<lb/>
kann &#x017F;eyn,</hi> &#x017F;agte &#x017F;ie mit ihrer hohen Mine, <hi rendition="#fr">aber<lb/>
vielleicht wird &#x017F;ie der Herr Amtshauptmann<lb/>
&#x017F;o gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein-<lb/>
mal Gelegenheit habe, mu&#x0364;ndlich mit ihm<lb/>
davon zu &#x017F;prechen.</hi> Ver&#x017F;tehn Sie die&#x017F;e trium-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">phirende</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0142] Satyriſche Briefe. Gnaͤdige Frau Amtshauptmanninn, Eine Abbitte, und eine Ehrenerklaͤrung iſt das wenigſte, was ich von Jhnen fodern kann. Koͤnnen Sie mir im Ernſte einen ſo ſchlechten Ge- ſchmack zutrauen, daß ich das Geſichte der Kom- merzenraͤthinn fuͤr reizend halten ſollte? Die Schmeichleyen, die ich ihr geſtern ſagte, giengen wenigſtens ihr Geſichte nicht an. Koͤnnte ich mir auch ſo viel Gewalt anthun, ſie zu lieben: ſo muͤß- te es gewiß nur darum geſchehen, daß ich mich an ihrem Mann raͤchte, der mich in einen ſo ver- drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es iſt wahr, die ehrliche Frau verlaͤßt ſich auf ihre alten Reizungen ſo ſehr, als ihr guter Mann auf die Gerechtigkeit ſeiner Sache, die er wider mich aus- zufuͤhren gedenkt; doch will ich hoffen, ſie ſollen beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich geſte- hen, die Kommerzenraͤthinn iſt eine billige Frau. Sie hat mir geſtern ins Ohr geſagt, daß Sie, Gnaͤdige Frau, noch ganz ertraͤglich ausſaͤhen, und geſteht, daß Jhre Haͤnde ſchoͤn ſind. Jch kam zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein wenig ſtolz auf die Billigkeit meiner Sache. Es kann ſeyn, ſagte ſie mit ihrer hohen Mine, aber vielleicht wird ſie der Herr Amtshauptmann ſo gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein- mal Gelegenheit habe, muͤndlich mit ihm davon zu ſprechen. Verſtehn Sie dieſe trium- phirende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/142
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/142>, abgerufen am 20.11.2024.