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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

"Aus diesem kurzen Plane wird man sehen,
"wie man bey dem Fortgange der Sache, oder in
"andern Fällen, verfahren müsse. Es bezieht sich
"dieser Plan nur auf die Taxordnung der Viktua-
"lien; es versteht sich aber von sich selbst, daß
"man in solchen wichtigen Processen zu eben der
"Zeit, wo man bey des Richters Frau in der Kir-
"che seine Nothdurft vorstellig macht, auch in des
"Richters Stube durch baares Geld der Sache
"den Ausschlag giebt.

"Es sind ausser dem baaren Gelde und den
"Viktualien noch andre Arten, einen Richter zu be-
"stechen. Eine Vorbitte aus dem Munde einer
"schönen Frau macht oft einen überzeugendern Ein-
"druck, als zwanzig alte Rechtsgelehrte. Jch un-
"terstehe mich in diesem Falle nicht, iemanden et-
"was zu rathen. Ein Jeder muß wissen, wie em-
"pfindlich er dabey ist, wie viel ihm daran liegt, sel-
"nen Proceß zu gewinnen; und wie der Richter
"gesinnet sey. So viel bleibt ausgemacht, daß
"das Recept probat ist. Jch kenne einen Gerichts-
"schösser auf dem Lande, der seinem Edelmanne die
"Gerechtigkeit abgepachtet, und den seltnen Ruhm
"bis diese Stunde behauptet hat, daß er gegen alle
"Bauern unpartheyisch ist, nur diejenigen ausge-
"nommen, welche schöne Weiber haben.

"Jch glaube, es ist bey dieser Sache noch ein
"Mittel zu treffen. Ein Frauenzimmer kann oft

durch
Satyriſche Briefe.

„Aus dieſem kurzen Plane wird man ſehen,
„wie man bey dem Fortgange der Sache, oder in
„andern Faͤllen, verfahren muͤſſe. Es bezieht ſich
„dieſer Plan nur auf die Taxordnung der Viktua-
„lien; es verſteht ſich aber von ſich ſelbſt, daß
„man in ſolchen wichtigen Proceſſen zu eben der
„Zeit, wo man bey des Richters Frau in der Kir-
„che ſeine Nothdurft vorſtellig macht, auch in des
„Richters Stube durch baares Geld der Sache
„den Ausſchlag giebt.

„Es ſind auſſer dem baaren Gelde und den
„Viktualien noch andre Arten, einen Richter zu be-
„ſtechen. Eine Vorbitte aus dem Munde einer
„ſchoͤnen Frau macht oft einen uͤberzeugendern Ein-
„druck, als zwanzig alte Rechtsgelehrte. Jch un-
„terſtehe mich in dieſem Falle nicht, iemanden et-
„was zu rathen. Ein Jeder muß wiſſen, wie em-
„pfindlich er dabey iſt, wie viel ihm daran liegt, ſel-
„nen Proceß zu gewinnen; und wie der Richter
„geſinnet ſey. So viel bleibt ausgemacht, daß
„das Recept probat iſt. Jch kenne einen Gerichts-
„ſchoͤſſer auf dem Lande, der ſeinem Edelmanne die
„Gerechtigkeit abgepachtet, und den ſeltnen Ruhm
„bis dieſe Stunde behauptet hat, daß er gegen alle
„Bauern unpartheyiſch iſt, nur diejenigen ausge-
„nommen, welche ſchoͤne Weiber haben.

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„Mittel zu treffen. Ein Frauenzimmer kann oft

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[95/0123] Satyriſche Briefe. „Aus dieſem kurzen Plane wird man ſehen, „wie man bey dem Fortgange der Sache, oder in „andern Faͤllen, verfahren muͤſſe. Es bezieht ſich „dieſer Plan nur auf die Taxordnung der Viktua- „lien; es verſteht ſich aber von ſich ſelbſt, daß „man in ſolchen wichtigen Proceſſen zu eben der „Zeit, wo man bey des Richters Frau in der Kir- „che ſeine Nothdurft vorſtellig macht, auch in des „Richters Stube durch baares Geld der Sache „den Ausſchlag giebt. „Es ſind auſſer dem baaren Gelde und den „Viktualien noch andre Arten, einen Richter zu be- „ſtechen. Eine Vorbitte aus dem Munde einer „ſchoͤnen Frau macht oft einen uͤberzeugendern Ein- „druck, als zwanzig alte Rechtsgelehrte. Jch un- „terſtehe mich in dieſem Falle nicht, iemanden et- „was zu rathen. Ein Jeder muß wiſſen, wie em- „pfindlich er dabey iſt, wie viel ihm daran liegt, ſel- „nen Proceß zu gewinnen; und wie der Richter „geſinnet ſey. So viel bleibt ausgemacht, daß „das Recept probat iſt. Jch kenne einen Gerichts- „ſchoͤſſer auf dem Lande, der ſeinem Edelmanne die „Gerechtigkeit abgepachtet, und den ſeltnen Ruhm „bis dieſe Stunde behauptet hat, daß er gegen alle „Bauern unpartheyiſch iſt, nur diejenigen ausge- „nommen, welche ſchoͤne Weiber haben. „Jch glaube, es iſt bey dieſer Sache noch ein „Mittel zu treffen. Ein Frauenzimmer kann oft durch

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/123>, abgerufen am 23.11.2024.