"Das wären also einige Proben, wie man "einen gewinnsüchtigen Richter mit Gelde zahm "machen soll. Allemal aber geht das nicht "an. Es giebt unter ihnen Leute, welche von "ihrer Pflicht so enge Begriffe haben, daß man "ihnen, ungeachtet aller nur möglichen Behutsam- "keit, dennoch kein baares Geld anbieten darf, "ohne sie zu beleidigen, und uns ihrer bittersten "Empfindlichkeit auszusetzen. Um deswillen ist "es sehr nöthig, daß man die Denkungsart eines "jeden Richters wohl prüfet, ehe man hier einen "Schritt wagt. Nimmt der Richter kein baares "Geld, so bleiben doch noch hundert Wege übrig, "seine theure Pflicht zu überraschen. Jch kenne "einen Mann, welcher sich gewiß sehr unbändig "anstellen würde, wenn man ihm ansinnen wollte, "funfzig Thaler zu nehmen; und eben diesen ge- "wissenhaften Mann will ich mit einem halben Ey- "mer Wein weiter bringen, als einen weniger "gewissenhaften Richter mit funfzig Thalern. "Nur das baare Geld hat ein so verhaßtes Anse- "hen, und viele sind ihrer Muttersprache so wenig "mächtig, daß sie glauben, das Wort sich beste- "chen lassen werde nur in dem Falle gebraucht, "wo ein Richter baares Geld annimmt. Man "mache sich diese Unwissenheit zu Nutze. Es ist "aber nöthig, daß solches mit eben der Vorsicht "geschehe, die ich in dem vorhergehenden mit vie- "ler Sorgfalt angerathen habe. Ein geschickter "Client muß so erfindsam seyn, daß er für ein jedes
"Geschenk
Satyriſche Briefe.
„Das waͤren alſo einige Proben, wie man „einen gewinnſuͤchtigen Richter mit Gelde zahm „machen ſoll. Allemal aber geht das nicht „an. Es giebt unter ihnen Leute, welche von „ihrer Pflicht ſo enge Begriffe haben, daß man „ihnen, ungeachtet aller nur moͤglichen Behutſam- „keit, dennoch kein baares Geld anbieten darf, „ohne ſie zu beleidigen, und uns ihrer bitterſten „Empfindlichkeit auszuſetzen. Um deswillen iſt „es ſehr noͤthig, daß man die Denkungsart eines „jeden Richters wohl pruͤfet, ehe man hier einen „Schritt wagt. Nimmt der Richter kein baares „Geld, ſo bleiben doch noch hundert Wege uͤbrig, „ſeine theure Pflicht zu uͤberraſchen. Jch kenne „einen Mann, welcher ſich gewiß ſehr unbaͤndig „anſtellen wuͤrde, wenn man ihm anſinnen wollte, „funfzig Thaler zu nehmen; und eben dieſen ge- „wiſſenhaften Mann will ich mit einem halben Ey- „mer Wein weiter bringen, als einen weniger „gewiſſenhaften Richter mit funfzig Thalern. „Nur das baare Geld hat ein ſo verhaßtes Anſe- „hen, und viele ſind ihrer Mutterſprache ſo wenig „maͤchtig, daß ſie glauben, das Wort ſich beſte- „chen laſſen werde nur in dem Falle gebraucht, „wo ein Richter baares Geld annimmt. Man „mache ſich dieſe Unwiſſenheit zu Nutze. Es iſt „aber noͤthig, daß ſolches mit eben der Vorſicht „geſchehe, die ich in dem vorhergehenden mit vie- „ler Sorgfalt angerathen habe. Ein geſchickter „Client muß ſo erfindſam ſeyn, daß er fuͤr ein jedes
„Geſchenk
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0114"n="86"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/><p>„Das waͤren alſo einige Proben, wie man<lb/>„einen gewinnſuͤchtigen Richter mit Gelde zahm<lb/>„machen ſoll. Allemal aber geht das nicht<lb/>„an. Es giebt unter ihnen Leute, welche von<lb/>„ihrer Pflicht ſo enge Begriffe haben, daß man<lb/>„ihnen, ungeachtet aller nur moͤglichen Behutſam-<lb/>„keit, dennoch kein baares Geld anbieten darf,<lb/>„ohne ſie zu beleidigen, und uns ihrer bitterſten<lb/>„Empfindlichkeit auszuſetzen. Um deswillen iſt<lb/>„es ſehr noͤthig, daß man die Denkungsart eines<lb/>„jeden Richters wohl pruͤfet, ehe man hier einen<lb/>„Schritt wagt. Nimmt der Richter kein baares<lb/>„Geld, ſo bleiben doch noch hundert Wege uͤbrig,<lb/>„ſeine theure Pflicht zu uͤberraſchen. Jch kenne<lb/>„einen Mann, welcher ſich gewiß ſehr unbaͤndig<lb/>„anſtellen wuͤrde, wenn man ihm anſinnen wollte,<lb/>„funfzig Thaler zu nehmen; und eben dieſen ge-<lb/>„wiſſenhaften Mann will ich mit einem halben Ey-<lb/>„mer Wein weiter bringen, als einen weniger<lb/>„gewiſſenhaften Richter mit funfzig Thalern.<lb/>„Nur das baare Geld hat ein ſo verhaßtes Anſe-<lb/>„hen, und viele ſind ihrer Mutterſprache ſo wenig<lb/>„maͤchtig, daß ſie glauben, das Wort <hirendition="#fr">ſich beſte-<lb/>„chen laſſen</hi> werde nur in dem Falle gebraucht,<lb/>„wo ein Richter baares Geld annimmt. Man<lb/>„mache ſich dieſe Unwiſſenheit zu Nutze. Es iſt<lb/>„aber noͤthig, daß ſolches mit eben der Vorſicht<lb/>„geſchehe, die ich in dem vorhergehenden mit vie-<lb/>„ler Sorgfalt angerathen habe. Ein geſchickter<lb/>„Client muß ſo erfindſam ſeyn, daß er fuͤr ein jedes<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„Geſchenk</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[86/0114]
Satyriſche Briefe.
„Das waͤren alſo einige Proben, wie man
„einen gewinnſuͤchtigen Richter mit Gelde zahm
„machen ſoll. Allemal aber geht das nicht
„an. Es giebt unter ihnen Leute, welche von
„ihrer Pflicht ſo enge Begriffe haben, daß man
„ihnen, ungeachtet aller nur moͤglichen Behutſam-
„keit, dennoch kein baares Geld anbieten darf,
„ohne ſie zu beleidigen, und uns ihrer bitterſten
„Empfindlichkeit auszuſetzen. Um deswillen iſt
„es ſehr noͤthig, daß man die Denkungsart eines
„jeden Richters wohl pruͤfet, ehe man hier einen
„Schritt wagt. Nimmt der Richter kein baares
„Geld, ſo bleiben doch noch hundert Wege uͤbrig,
„ſeine theure Pflicht zu uͤberraſchen. Jch kenne
„einen Mann, welcher ſich gewiß ſehr unbaͤndig
„anſtellen wuͤrde, wenn man ihm anſinnen wollte,
„funfzig Thaler zu nehmen; und eben dieſen ge-
„wiſſenhaften Mann will ich mit einem halben Ey-
„mer Wein weiter bringen, als einen weniger
„gewiſſenhaften Richter mit funfzig Thalern.
„Nur das baare Geld hat ein ſo verhaßtes Anſe-
„hen, und viele ſind ihrer Mutterſprache ſo wenig
„maͤchtig, daß ſie glauben, das Wort ſich beſte-
„chen laſſen werde nur in dem Falle gebraucht,
„wo ein Richter baares Geld annimmt. Man
„mache ſich dieſe Unwiſſenheit zu Nutze. Es iſt
„aber noͤthig, daß ſolches mit eben der Vorſicht
„geſchehe, die ich in dem vorhergehenden mit vie-
„ler Sorgfalt angerathen habe. Ein geſchickter
„Client muß ſo erfindſam ſeyn, daß er fuͤr ein jedes
„Geſchenk
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/114>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.