"Diese beiden Briefe sagen in der That eben "dasjenige, was die sagen, welche ich oben einge- "rückt habe. Sie drücken es nur auf eine feinere "Art aus; und ein Richter muß in der That sehr "unempfindlich, oder ganz altvätrisch seyn, wenn "er sich nicht auf diese Art gewinnen läßt.
"Es giebt noch eine feinere Art, den Richter "zu bestechen. Dieses geschieht im Spielen. "Ein Client hat viel gewonnen, wenn er es dahin "bringen kann, daß er mit seinem Richter ein ho- "hes Spiel spielt. Ein Richter, der sich so weit "verläugnen kann, daß er Geschenke nimmt, wird "gemeiniglich auch bey dem Spiele eigennützig "genug seyn. Alsdann erfodert es die Klug- "heit, daß wir so viel verspielen, als nur mög- "lich seyn will. Wir wagen nichts, wenn er unsre "Absichten auch merkt. Es ist desto besser für "uns. Er kann keinen anständigern Vorwand "haben, unser Geld an sich zu bringen, als durch den "Gewinnst; er sucht aber auch weiter nichts, als "einen anständigen Vorwand, und ist wegen der "Absichten unbekümmert, in denen wir es verspie- "len. Wir werden wohl thun, wenn wir ihm "das Geld, das er gewonnen hat, nicht gleich be- "zahlen. Man schickt es den nächsten Morgen "darauf, und thut, als ob man ungewiß wäre, wie "viel man eigentlich verspielt habe. Bey dieser "Ungewißheit bekömmt man Gelegenheit, ihm "noch einmal so viel zu schicken, als er bekommen
sollte.
Satyriſche Briefe.
„Dieſe beiden Briefe ſagen in der That eben „dasjenige, was die ſagen, welche ich oben einge- „ruͤckt habe. Sie druͤcken es nur auf eine feinere „Art aus; und ein Richter muß in der That ſehr „unempfindlich, oder ganz altvaͤtriſch ſeyn, wenn „er ſich nicht auf dieſe Art gewinnen laͤßt.
„Es giebt noch eine feinere Art, den Richter „zu beſtechen. Dieſes geſchieht im Spielen. „Ein Client hat viel gewonnen, wenn er es dahin „bringen kann, daß er mit ſeinem Richter ein ho- „hes Spiel ſpielt. Ein Richter, der ſich ſo weit „verlaͤugnen kann, daß er Geſchenke nimmt, wird „gemeiniglich auch bey dem Spiele eigennuͤtzig „genug ſeyn. Alsdann erfodert es die Klug- „heit, daß wir ſo viel verſpielen, als nur moͤg- „lich ſeyn will. Wir wagen nichts, wenn er unſre „Abſichten auch merkt. Es iſt deſto beſſer fuͤr „uns. Er kann keinen anſtaͤndigern Vorwand „haben, unſer Geld an ſich zu bringen, als durch den „Gewinnſt; er ſucht aber auch weiter nichts, als „einen anſtaͤndigen Vorwand, und iſt wegen der „Abſichten unbekuͤmmert, in denen wir es verſpie- „len. Wir werden wohl thun, wenn wir ihm „das Geld, das er gewonnen hat, nicht gleich be- „zahlen. Man ſchickt es den naͤchſten Morgen „darauf, und thut, als ob man ungewiß waͤre, wie „viel man eigentlich verſpielt habe. Bey dieſer „Ungewißheit bekoͤmmt man Gelegenheit, ihm „noch einmal ſo viel zu ſchicken, als er bekommen
ſollte.
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Satyriſche Briefe.
„Dieſe beiden Briefe ſagen in der That eben
„dasjenige, was die ſagen, welche ich oben einge-
„ruͤckt habe. Sie druͤcken es nur auf eine feinere
„Art aus; und ein Richter muß in der That ſehr
„unempfindlich, oder ganz altvaͤtriſch ſeyn, wenn
„er ſich nicht auf dieſe Art gewinnen laͤßt.
„Es giebt noch eine feinere Art, den Richter
„zu beſtechen. Dieſes geſchieht im Spielen.
„Ein Client hat viel gewonnen, wenn er es dahin
„bringen kann, daß er mit ſeinem Richter ein ho-
„hes Spiel ſpielt. Ein Richter, der ſich ſo weit
„verlaͤugnen kann, daß er Geſchenke nimmt, wird
„gemeiniglich auch bey dem Spiele eigennuͤtzig
„genug ſeyn. Alsdann erfodert es die Klug-
„heit, daß wir ſo viel verſpielen, als nur moͤg-
„lich ſeyn will. Wir wagen nichts, wenn er unſre
„Abſichten auch merkt. Es iſt deſto beſſer fuͤr
„uns. Er kann keinen anſtaͤndigern Vorwand
„haben, unſer Geld an ſich zu bringen, als durch den
„Gewinnſt; er ſucht aber auch weiter nichts, als
„einen anſtaͤndigen Vorwand, und iſt wegen der
„Abſichten unbekuͤmmert, in denen wir es verſpie-
„len. Wir werden wohl thun, wenn wir ihm
„das Geld, das er gewonnen hat, nicht gleich be-
„zahlen. Man ſchickt es den naͤchſten Morgen
„darauf, und thut, als ob man ungewiß waͤre, wie
„viel man eigentlich verſpielt habe. Bey dieſer
„Ungewißheit bekoͤmmt man Gelegenheit, ihm
„noch einmal ſo viel zu ſchicken, als er bekommen
ſollte.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/104>, abgerufen am 23.11.2024.
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