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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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theoretische Wahrheiten sind! Darf man denn des-
wegen nicht weiter davon schreiben? Kann man sie
denn nicht wenigstens unter die juristischen Alterthü-
mer rechnen? Sollten dergleichen Abhandlungen
nicht wenigstens eben so nützlich seyn, als die Abhand-
lungen von den Salben der Griechen, und von den
langen und kurzen Röcken der Römer. Jch wette
darauf, wer davon schreibt, kann sich den Beyfall der
berühmtesten Männer, und wenigstens in vier Wo-
chenblättern den Titel eines doctissimi, clarissimi,
viri celeberrimi, Auctoris actatem venerandi
ver-
sprechen. Nur von der Billigkeit, sich der Wittwen, und
Waisen, ohne Eigennutz anzunehmen, von solchen
Pflichten eines Rechtsgelehrten, die unsre alten Vor-
fahren, die Barbaren, welche nichts von Glossis, und
Brocardicis wußten, für so unentbehrlich hielten; nur
davon soll es nicht erlaubt seyn, etwas zu schreiben,
aus Furcht, man möchte vergebens geschrieben ha-
ben? Das halte ich für grausam! Und dennoch se-
he ich mich gezwungen, dem mir gegebnen Rathe
dieses großen Mannes zu folgen; weil er mein näch-
ster Vetter ist; weil er viel Verstand, und über
zwanzigtausend Gulden besitzt; weil er drey Aerzte
hat, die ihn alle dreye auf einmal mit Medicamenten
versorgen, und er also, wofern diese ihr Handwerk
recht verstehen, nicht lange mehr leben kann. Vor
der ganzen Welt müssen mich diese Gründe rechtfer-
tigen, und wer mir nunmehr noch vorwerfen wollte,
daß ich aus Eigennutze nachgegeben, und nicht die
Liebe zur Wahrheit über alles gehen lassen, der muß
sein Lebtage keinen reichen Vetter gehabt haben.

Und

Abhandlung
theoretiſche Wahrheiten ſind! Darf man denn des-
wegen nicht weiter davon ſchreiben? Kann man ſie
denn nicht wenigſtens unter die juriſtiſchen Alterthuͤ-
mer rechnen? Sollten dergleichen Abhandlungen
nicht wenigſtens eben ſo nuͤtzlich ſeyn, als die Abhand-
lungen von den Salben der Griechen, und von den
langen und kurzen Roͤcken der Roͤmer. Jch wette
darauf, wer davon ſchreibt, kann ſich den Beyfall der
beruͤhmteſten Maͤnner, und wenigſtens in vier Wo-
chenblaͤttern den Titel eines doctiſſimi, clariſſimi,
viri celeberrimi, Auctoris actatem venerandi
ver-
ſprechen. Nur von der Billigkeit, ſich der Wittwen, und
Waiſen, ohne Eigennutz anzunehmen, von ſolchen
Pflichten eines Rechtsgelehrten, die unſre alten Vor-
fahren, die Barbaren, welche nichts von Gloſſis, und
Brocardicis wußten, fuͤr ſo unentbehrlich hielten; nur
davon ſoll es nicht erlaubt ſeyn, etwas zu ſchreiben,
aus Furcht, man moͤchte vergebens geſchrieben ha-
ben? Das halte ich fuͤr grauſam! Und dennoch ſe-
he ich mich gezwungen, dem mir gegebnen Rathe
dieſes großen Mannes zu folgen; weil er mein naͤch-
ſter Vetter iſt; weil er viel Verſtand, und uͤber
zwanzigtauſend Gulden beſitzt; weil er drey Aerzte
hat, die ihn alle dreye auf einmal mit Medicamenten
verſorgen, und er alſo, wofern dieſe ihr Handwerk
recht verſtehen, nicht lange mehr leben kann. Vor
der ganzen Welt muͤſſen mich dieſe Gruͤnde rechtfer-
tigen, und wer mir nunmehr noch vorwerfen wollte,
daß ich aus Eigennutze nachgegeben, und nicht die
Liebe zur Wahrheit uͤber alles gehen laſſen, der muß
ſein Lebtage keinen reichen Vetter gehabt haben.

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[90/0090] Abhandlung theoretiſche Wahrheiten ſind! Darf man denn des- wegen nicht weiter davon ſchreiben? Kann man ſie denn nicht wenigſtens unter die juriſtiſchen Alterthuͤ- mer rechnen? Sollten dergleichen Abhandlungen nicht wenigſtens eben ſo nuͤtzlich ſeyn, als die Abhand- lungen von den Salben der Griechen, und von den langen und kurzen Roͤcken der Roͤmer. Jch wette darauf, wer davon ſchreibt, kann ſich den Beyfall der beruͤhmteſten Maͤnner, und wenigſtens in vier Wo- chenblaͤttern den Titel eines doctiſſimi, clariſſimi, viri celeberrimi, Auctoris actatem venerandi ver- ſprechen. Nur von der Billigkeit, ſich der Wittwen, und Waiſen, ohne Eigennutz anzunehmen, von ſolchen Pflichten eines Rechtsgelehrten, die unſre alten Vor- fahren, die Barbaren, welche nichts von Gloſſis, und Brocardicis wußten, fuͤr ſo unentbehrlich hielten; nur davon ſoll es nicht erlaubt ſeyn, etwas zu ſchreiben, aus Furcht, man moͤchte vergebens geſchrieben ha- ben? Das halte ich fuͤr grauſam! Und dennoch ſe- he ich mich gezwungen, dem mir gegebnen Rathe dieſes großen Mannes zu folgen; weil er mein naͤch- ſter Vetter iſt; weil er viel Verſtand, und uͤber zwanzigtauſend Gulden beſitzt; weil er drey Aerzte hat, die ihn alle dreye auf einmal mit Medicamenten verſorgen, und er alſo, wofern dieſe ihr Handwerk recht verſtehen, nicht lange mehr leben kann. Vor der ganzen Welt muͤſſen mich dieſe Gruͤnde rechtfer- tigen, und wer mir nunmehr noch vorwerfen wollte, daß ich aus Eigennutze nachgegeben, und nicht die Liebe zur Wahrheit uͤber alles gehen laſſen, der muß ſein Lebtage keinen reichen Vetter gehabt haben. Und

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/90>, abgerufen am 25.11.2024.