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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiednen Seelen.
drey Mark erkaufen müßten. Diese würden es
alsdann entgelten sollen, und sie würden es auch
nicht einmal zulassen, daß die Weiber den Beytrag
entrichteten, weil ein Mann es nicht leicht zugestünde,
daß seine Frau Herr sey, so, wie ein jeder nur seinen
Nachbar für einen guten geduldigen Mann, niemals
aber sich selbst dafür hielte. Der Vorschlag wegen
Abschaffung der Geistlichen wäre so abgeschmackt,
und parteyisch, daß ich gewiß glaubte, es könnte
auf denselben niemand fallen, als ein Straßenbe-
reuter. Der geistliche Stand habe allemal das Un-
glück, denen am meisten zu misfallen, welche den
wenigsten Verstand besäßen, und man fände, daß
ordentlich der Pöbel - - - "Was! Pöbel! rief
"mein Projectmacher mit einer grimmigen Stimme;
"Weis der Herr wohl, was er redet? Weis der Herr
"wohl, wer ich bin? Weis der Herr wohl, daß ich
"ein geschworner Mann bin? Daß ich meine theu-
"re Pflicht habe? Das soll er mir nicht umsonst ge-
"than haben! Er ist ein Verräther des Vaterlan-
"des! Ein Rebell! Ein Meyneidiger! Jch will ihm
"meine theure Pflicht --" und damit fiel er über
mich her, und würgte mich mit seinen patriotischen
Klauen dergestalt, daß ich seine Liebe zum Vaterlan-
de auf das erschrecklichste empfunden haben würde,
wenn nicht mein Begleiter mit einer Hand voll
Geld seine theure Pflicht besänftigt hätte. So
gleich ließ er mich los, und gieng fort.

Nunmehr könnte ich mit Ehren von meinem
langen Traume ganz unvermuthet aufwachen. Was

wäre
E 4

von den abgeſchiednen Seelen.
drey Mark erkaufen muͤßten. Dieſe wuͤrden es
alsdann entgelten ſollen, und ſie wuͤrden es auch
nicht einmal zulaſſen, daß die Weiber den Beytrag
entrichteten, weil ein Mann es nicht leicht zugeſtuͤnde,
daß ſeine Frau Herr ſey, ſo, wie ein jeder nur ſeinen
Nachbar fuͤr einen guten geduldigen Mann, niemals
aber ſich ſelbſt dafuͤr hielte. Der Vorſchlag wegen
Abſchaffung der Geiſtlichen waͤre ſo abgeſchmackt,
und parteyiſch, daß ich gewiß glaubte, es koͤnnte
auf denſelben niemand fallen, als ein Straßenbe-
reuter. Der geiſtliche Stand habe allemal das Un-
gluͤck, denen am meiſten zu misfallen, welche den
wenigſten Verſtand beſaͤßen, und man faͤnde, daß
ordentlich der Poͤbel ‒ ‒ ‒ „Was! Poͤbel! rief
„mein Projectmacher mit einer grimmigen Stimme;
„Weis der Herr wohl, was er redet? Weis der Herr
„wohl, wer ich bin? Weis der Herr wohl, daß ich
„ein geſchworner Mann bin? Daß ich meine theu-
„re Pflicht habe? Das ſoll er mir nicht umſonſt ge-
„than haben! Er iſt ein Verraͤther des Vaterlan-
„des! Ein Rebell! Ein Meyneidiger! Jch will ihm
„meine theure Pflicht ‒‒„ und damit fiel er uͤber
mich her, und wuͤrgte mich mit ſeinen patriotiſchen
Klauen dergeſtalt, daß ich ſeine Liebe zum Vaterlan-
de auf das erſchrecklichſte empfunden haben wuͤrde,
wenn nicht mein Begleiter mit einer Hand voll
Geld ſeine theure Pflicht beſaͤnftigt haͤtte. So
gleich ließ er mich los, und gieng fort.

Nunmehr koͤnnte ich mit Ehren von meinem
langen Traume ganz unvermuthet aufwachen. Was

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[71/0071] von den abgeſchiednen Seelen. drey Mark erkaufen muͤßten. Dieſe wuͤrden es alsdann entgelten ſollen, und ſie wuͤrden es auch nicht einmal zulaſſen, daß die Weiber den Beytrag entrichteten, weil ein Mann es nicht leicht zugeſtuͤnde, daß ſeine Frau Herr ſey, ſo, wie ein jeder nur ſeinen Nachbar fuͤr einen guten geduldigen Mann, niemals aber ſich ſelbſt dafuͤr hielte. Der Vorſchlag wegen Abſchaffung der Geiſtlichen waͤre ſo abgeſchmackt, und parteyiſch, daß ich gewiß glaubte, es koͤnnte auf denſelben niemand fallen, als ein Straßenbe- reuter. Der geiſtliche Stand habe allemal das Un- gluͤck, denen am meiſten zu misfallen, welche den wenigſten Verſtand beſaͤßen, und man faͤnde, daß ordentlich der Poͤbel ‒ ‒ ‒ „Was! Poͤbel! rief „mein Projectmacher mit einer grimmigen Stimme; „Weis der Herr wohl, was er redet? Weis der Herr „wohl, wer ich bin? Weis der Herr wohl, daß ich „ein geſchworner Mann bin? Daß ich meine theu- „re Pflicht habe? Das ſoll er mir nicht umſonſt ge- „than haben! Er iſt ein Verraͤther des Vaterlan- „des! Ein Rebell! Ein Meyneidiger! Jch will ihm „meine theure Pflicht ‒‒„ und damit fiel er uͤber mich her, und wuͤrgte mich mit ſeinen patriotiſchen Klauen dergeſtalt, daß ich ſeine Liebe zum Vaterlan- de auf das erſchrecklichſte empfunden haben wuͤrde, wenn nicht mein Begleiter mit einer Hand voll Geld ſeine theure Pflicht beſaͤnftigt haͤtte. So gleich ließ er mich los, und gieng fort. Nunmehr koͤnnte ich mit Ehren von meinem langen Traume ganz unvermuthet aufwachen. Was waͤre E 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/71>, abgerufen am 24.11.2024.