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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Ein Traum

Jch weigerte mich anfänglich, endlich aber ge-
stund ich, nach meiner gewöhnlichen Aufrichtigkeit,
daß mir des Küsters seine Einfälle nicht unrecht
zn seyn schienen. Die Menge der Gratulanten
sey so ansehnlich, daß aus den Hausierzeddeln, und
aus dem Stempelimpost, der auf die guten Wün-
sche gelegt werden sollte, der gemeinen Stadtcasse
eine große Summe zuwachsen könnte. Es wäre
dieses auch, als eine gewisse und beständige Einnah-
me, anzusehen, da man nicht befürchten dürfte, daß
diese Art von poetischen Jnsecten jemals vergehen
würde, wenigstens so lange nicht, als es noch Leute
gäbe, welche sich von Geburts- und Namensta-
gen nähren müßten. Es gereiche auch dieses dem
gemeinen Wesen nicht zur Last, weil man derglei-
chen mechanischen Dichtern gar wohl zulassen könn-
te, daß sie ihre unterthänigste Devotion um etliche
Schillinge steigerten. Die Kopfsteuer auf die
Möpse habe meinen völligen Beyfall, zumal, wenn
sie bey Strafe der Confiscation ausgeschrieben wür-
de. Denn ich wüßte gewiß, ein jedes Frauenzim-
mer würde ihren Schooßhund gern mit zwölf bis
funfzehen Mark lösen, und die Summe lieber ge-
ben, als wenn man auf die Männer eine Kopf-
steuer legte; wenigstens würden sich in diesem letz-
tern Falle viele vor der Strafe der Confiscation
nicht fürchten. Hingegen könnte ich ihm nicht ver-
halten, daß durch seinen Vorschlag eine große Un-
ordnung in den Familien vorgehen dürfte, wenn
die Weiber ihre Herrschaft über die Männer mit

drey
Ein Traum

Jch weigerte mich anfaͤnglich, endlich aber ge-
ſtund ich, nach meiner gewoͤhnlichen Aufrichtigkeit,
daß mir des Kuͤſters ſeine Einfaͤlle nicht unrecht
zn ſeyn ſchienen. Die Menge der Gratulanten
ſey ſo anſehnlich, daß aus den Hauſierzeddeln, und
aus dem Stempelimpoſt, der auf die guten Wuͤn-
ſche gelegt werden ſollte, der gemeinen Stadtcaſſe
eine große Summe zuwachſen koͤnnte. Es waͤre
dieſes auch, als eine gewiſſe und beſtaͤndige Einnah-
me, anzuſehen, da man nicht befuͤrchten duͤrfte, daß
dieſe Art von poetiſchen Jnſecten jemals vergehen
wuͤrde, wenigſtens ſo lange nicht, als es noch Leute
gaͤbe, welche ſich von Geburts- und Namensta-
gen naͤhren muͤßten. Es gereiche auch dieſes dem
gemeinen Weſen nicht zur Laſt, weil man derglei-
chen mechaniſchen Dichtern gar wohl zulaſſen koͤnn-
te, daß ſie ihre unterthaͤnigſte Devotion um etliche
Schillinge ſteigerten. Die Kopfſteuer auf die
Moͤpſe habe meinen voͤlligen Beyfall, zumal, wenn
ſie bey Strafe der Confiſcation ausgeſchrieben wuͤr-
de. Denn ich wuͤßte gewiß, ein jedes Frauenzim-
mer wuͤrde ihren Schooßhund gern mit zwoͤlf bis
funfzehen Mark loͤſen, und die Summe lieber ge-
ben, als wenn man auf die Maͤnner eine Kopf-
ſteuer legte; wenigſtens wuͤrden ſich in dieſem letz-
tern Falle viele vor der Strafe der Confiſcation
nicht fuͤrchten. Hingegen koͤnnte ich ihm nicht ver-
halten, daß durch ſeinen Vorſchlag eine große Un-
ordnung in den Familien vorgehen duͤrfte, wenn
die Weiber ihre Herrſchaft uͤber die Maͤnner mit

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[70/0070] Ein Traum Jch weigerte mich anfaͤnglich, endlich aber ge- ſtund ich, nach meiner gewoͤhnlichen Aufrichtigkeit, daß mir des Kuͤſters ſeine Einfaͤlle nicht unrecht zn ſeyn ſchienen. Die Menge der Gratulanten ſey ſo anſehnlich, daß aus den Hauſierzeddeln, und aus dem Stempelimpoſt, der auf die guten Wuͤn- ſche gelegt werden ſollte, der gemeinen Stadtcaſſe eine große Summe zuwachſen koͤnnte. Es waͤre dieſes auch, als eine gewiſſe und beſtaͤndige Einnah- me, anzuſehen, da man nicht befuͤrchten duͤrfte, daß dieſe Art von poetiſchen Jnſecten jemals vergehen wuͤrde, wenigſtens ſo lange nicht, als es noch Leute gaͤbe, welche ſich von Geburts- und Namensta- gen naͤhren muͤßten. Es gereiche auch dieſes dem gemeinen Weſen nicht zur Laſt, weil man derglei- chen mechaniſchen Dichtern gar wohl zulaſſen koͤnn- te, daß ſie ihre unterthaͤnigſte Devotion um etliche Schillinge ſteigerten. Die Kopfſteuer auf die Moͤpſe habe meinen voͤlligen Beyfall, zumal, wenn ſie bey Strafe der Confiſcation ausgeſchrieben wuͤr- de. Denn ich wuͤßte gewiß, ein jedes Frauenzim- mer wuͤrde ihren Schooßhund gern mit zwoͤlf bis funfzehen Mark loͤſen, und die Summe lieber ge- ben, als wenn man auf die Maͤnner eine Kopf- ſteuer legte; wenigſtens wuͤrden ſich in dieſem letz- tern Falle viele vor der Strafe der Confiſcation nicht fuͤrchten. Hingegen koͤnnte ich ihm nicht ver- halten, daß durch ſeinen Vorſchlag eine große Un- ordnung in den Familien vorgehen duͤrfte, wenn die Weiber ihre Herrſchaft uͤber die Maͤnner mit drey

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/70>, abgerufen am 24.11.2024.