[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.von den abgeschiednen Seelen. "schen, und bey den chrystallnen Fluthen, welche hier"über diese Kiesel rollen, habe Mitleiden mit dem "Unglückseligsten! "Laß mich seufzen, laß mich klagen, "Und den stummen Buchen sagen, "Wie mich Sylvia gequält! "Gönnt mirs ihr verschwiegnen Bäume, "Daß ich von der Marter träume, "Die mein Mund so oft erzählt! "Laß mich seufzen, laß mich klagen, "Und den stummen Buchen sagen, "Wie mich Sylvia gequält! Hier konnte ich mich nicht länger enthalten, über "Nun weis ich Aermster nicht, was weiter übrig ist, "Als daß ich meinen Rumpf an einen Eichbaum henke, "Vielleicht liebst du mich todt, weil ich dich lebend kränke. Kaum hatte er diese Worte gesagt, als er von Jch erschrack, ich befürchtete; seine Verzweif- Schäfer.
von den abgeſchiednen Seelen. „ſchen, und bey den chryſtallnen Fluthen, welche hier„uͤber dieſe Kieſel rollen, habe Mitleiden mit dem „Ungluͤckſeligſten! „Laß mich ſeufzen, laß mich klagen, „Und den ſtummen Buchen ſagen, „Wie mich Sylvia gequaͤlt! „Goͤnnt mirs ihr verſchwiegnen Baͤume, „Daß ich von der Marter traͤume, „Die mein Mund ſo oft erzaͤhlt! „Laß mich ſeufzen, laß mich klagen, „Und den ſtummen Buchen ſagen, „Wie mich Sylvia gequaͤlt! Hier konnte ich mich nicht laͤnger enthalten, uͤber „Nun weis ich Aermſter nicht, was weiter uͤbrig iſt, „Als daß ich meinen Rumpf an einen Eichbaum henke, „Vielleicht liebſt du mich todt, weil ich dich lebend kraͤnke. Kaum hatte er dieſe Worte geſagt, als er von Jch erſchrack, ich befuͤrchtete; ſeine Verzweif- Schaͤfer.
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von den abgeſchiednen Seelen.
„ſchen, und bey den chryſtallnen Fluthen, welche hier
„uͤber dieſe Kieſel rollen, habe Mitleiden mit dem
„Ungluͤckſeligſten!
„Laß mich ſeufzen, laß mich klagen,
„Und den ſtummen Buchen ſagen,
„Wie mich Sylvia gequaͤlt!
„Goͤnnt mirs ihr verſchwiegnen Baͤume,
„Daß ich von der Marter traͤume,
„Die mein Mund ſo oft erzaͤhlt!
„Laß mich ſeufzen, laß mich klagen,
„Und den ſtummen Buchen ſagen,
„Wie mich Sylvia gequaͤlt!
Hier konnte ich mich nicht laͤnger enthalten, uͤber
dieſen Opernſchaͤfer zu lachen. „Und du lachſt
„noch! ſchrie er, indem er von der Erde aufſprang.
„Und du ſpotteſt noch mit meiner Verzweiflung!
„Nun weis ich Aermſter nicht, was weiter uͤbrig iſt,
„Als daß ich meinen Rumpf an einen Eichbaum henke,
„Vielleicht liebſt du mich todt, weil ich dich lebend kraͤnke.
Kaum hatte er dieſe Worte geſagt, als er von
mir, und in die Straͤucher eilte!
Jch erſchrack, ich befuͤrchtete; ſeine Verzweif-
lung duͤrfte nicht ohne Wirkung ſeyn. Jch wollte
ihm nachgehen, um ſeiner Raſerey Einhalt zu thun,
aber mein Fuͤhrer hielt mich zuruͤck. Du kannſt
ganz ruhig ſeyn, ſagte er. Dieſes iſt der Schat-
ten eines von den Schaͤfern, welche ihr Leben am
hoͤchſten bringen, wenn ſie alle Tage verzweifeln,
und welche ſich niemals beſſer aufbefinden, als wenn
ſie von Gift und Dolche reden. Er war in ſeinem
Leben ſehr zaͤrtlich, und glaubte, fuͤr keine Creatur
ſchicke es ſich beſſer zaͤrtlich zu ſeyn, als fuͤr einen
Schaͤfer.
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