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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Ein Traum
eines Harlekins zu erzählen, welche ihre bunte Klei-
dung und zugleich allen Harlekinsverstand verlo-
ren hatte; als wir durch ein neues Abentheuer ge-
stört wurden. Eine Frauenzimmerseele, die ich
nicht wahrgenommen hatte, weil ich ihr den Rü-
cken zukehrte, war mir nachgeschlichen, und fiel
mir von hinten zu um den Hals, um welchen sie
die eine Hand schlug, mit der andern aber die mei-
nige auf eine so zärtliche Art drückte, daß ich aus
dieser wollüstigen Beredsamkeit mehr errathen
konnte, als wenn sie sich mündlich erklärt hätte.
Jch konnte leicht merken, daß es eine von den ir-
renden Schönen wäre, und die Dunkelheit des ein-
samen Orts, wo wir uns befanden, vermehrte
meinen Verdacht. Sie schien in mich so verliebt zu
seyn, als es eine Person von dergleichen Charakter zu
seyn fähig ist. Jch spürte deutlich, daß sie alle Au-
genblicke erhitzter, und in ihrer Vertraulichkeit im-
mer unverschämter ward. Jch war begierig, die-
ser dreisten Schöne ins Gesicht zu sehen. Jch
fand ein Mittel, mich von ihren Armen loszuma-
chen. Jch wandte mich um. Welcher Anblick!
Jch sprang zurück! Bist du es? sagte sie, und
gieng kaltsinnig fort. Meine Leser werden es wohl
ohne Note errathen können, daß dieses die Seele
meiner Frau war. Sie hatte mich verkannt, darum
that sie freundlich. So bald sie mich sah, ward sie
verdrüßlich, und floh. Jch freute mich, daß sie gieng.
Wird nunmehr jemand noch zweifeln, daß unsre
Seelen nach dem Tode eben dasjenige thun, was
sie am meisten in ihrem Leben gethan haben?

Ein

Ein Traum
eines Harlekins zu erzaͤhlen, welche ihre bunte Klei-
dung und zugleich allen Harlekinsverſtand verlo-
ren hatte; als wir durch ein neues Abentheuer ge-
ſtoͤrt wurden. Eine Frauenzimmerſeele, die ich
nicht wahrgenommen hatte, weil ich ihr den Ruͤ-
cken zukehrte, war mir nachgeſchlichen, und fiel
mir von hinten zu um den Hals, um welchen ſie
die eine Hand ſchlug, mit der andern aber die mei-
nige auf eine ſo zaͤrtliche Art druͤckte, daß ich aus
dieſer wolluͤſtigen Beredſamkeit mehr errathen
konnte, als wenn ſie ſich muͤndlich erklaͤrt haͤtte.
Jch konnte leicht merken, daß es eine von den ir-
renden Schoͤnen waͤre, und die Dunkelheit des ein-
ſamen Orts, wo wir uns befanden, vermehrte
meinen Verdacht. Sie ſchien in mich ſo verliebt zu
ſeyn, als es eine Perſon von dergleichen Charakter zu
ſeyn faͤhig iſt. Jch ſpuͤrte deutlich, daß ſie alle Au-
genblicke erhitzter, und in ihrer Vertraulichkeit im-
mer unverſchaͤmter ward. Jch war begierig, die-
ſer dreiſten Schoͤne ins Geſicht zu ſehen. Jch
fand ein Mittel, mich von ihren Armen loszuma-
chen. Jch wandte mich um. Welcher Anblick!
Jch ſprang zuruͤck! Biſt du es? ſagte ſie, und
gieng kaltſinnig fort. Meine Leſer werden es wohl
ohne Note errathen koͤnnen, daß dieſes die Seele
meiner Frau war. Sie hatte mich verkannt, darum
that ſie freundlich. So bald ſie mich ſah, ward ſie
verdruͤßlich, und floh. Jch freute mich, daß ſie gieng.
Wird nunmehr jemand noch zweifeln, daß unſre
Seelen nach dem Tode eben dasjenige thun, was
ſie am meiſten in ihrem Leben gethan haben?

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[60/0060] Ein Traum eines Harlekins zu erzaͤhlen, welche ihre bunte Klei- dung und zugleich allen Harlekinsverſtand verlo- ren hatte; als wir durch ein neues Abentheuer ge- ſtoͤrt wurden. Eine Frauenzimmerſeele, die ich nicht wahrgenommen hatte, weil ich ihr den Ruͤ- cken zukehrte, war mir nachgeſchlichen, und fiel mir von hinten zu um den Hals, um welchen ſie die eine Hand ſchlug, mit der andern aber die mei- nige auf eine ſo zaͤrtliche Art druͤckte, daß ich aus dieſer wolluͤſtigen Beredſamkeit mehr errathen konnte, als wenn ſie ſich muͤndlich erklaͤrt haͤtte. Jch konnte leicht merken, daß es eine von den ir- renden Schoͤnen waͤre, und die Dunkelheit des ein- ſamen Orts, wo wir uns befanden, vermehrte meinen Verdacht. Sie ſchien in mich ſo verliebt zu ſeyn, als es eine Perſon von dergleichen Charakter zu ſeyn faͤhig iſt. Jch ſpuͤrte deutlich, daß ſie alle Au- genblicke erhitzter, und in ihrer Vertraulichkeit im- mer unverſchaͤmter ward. Jch war begierig, die- ſer dreiſten Schoͤne ins Geſicht zu ſehen. Jch fand ein Mittel, mich von ihren Armen loszuma- chen. Jch wandte mich um. Welcher Anblick! Jch ſprang zuruͤck! Biſt du es? ſagte ſie, und gieng kaltſinnig fort. Meine Leſer werden es wohl ohne Note errathen koͤnnen, daß dieſes die Seele meiner Frau war. Sie hatte mich verkannt, darum that ſie freundlich. So bald ſie mich ſah, ward ſie verdruͤßlich, und floh. Jch freute mich, daß ſie gieng. Wird nunmehr jemand noch zweifeln, daß unſre Seelen nach dem Tode eben dasjenige thun, was ſie am meiſten in ihrem Leben gethan haben? Ein

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/60>, abgerufen am 23.11.2024.