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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Ein Traum
des angenommen. Vermuthlich haben Sie eine
Wahrheit zu vertheidigen gewußt, ohne welche viel
tausend Menschen unglücklich hätten werden müs-
sen. Jst es nicht das ewige, so wird es doch we-
nigstens das zeitliche Wohl ihrer Mitbürger seyn,
welches Sie mit Hindansetzung Jhres Ruhms und
Jhrer Ehre vertheidigt haben. "Ach! Noch viel mehr!
"war seine Antwort; Noch etwas viel wichtigers!
"Solche Kleinigkeiten gehen mich nichts an! Be-
"denken Sie nur einmal, mein Herr, bedenken Sie nur
"einmal den Rasenden, den Unsinnigen, das Scheusal
"der gelehrten Welt, den - - O! - - Weiter konnte er
vor Zorn nichts sprechen. Was ist denn aber das
Erschreckliche, das dieser Rasende, dieser Unsinnige
begangen hat? "Die ganze Natur möchte sich ent-
"setzen! antwortete er mir. Abscheulicher ist es nie-
"mals erhört worden! Turnus! Die Haare stehen
"mir zu Berge, wenn ich dran gedenke! Ueberlegen
"Sie es nur selbst! Turnus, spricht der verstockte
"Bösewicht, habe blaue Augen gehabt. Und ich,
"mein Herr, als ein so berühmter Scholiast, der
"schon vor zweyhundert Jahren ein großer Mann
"gewesen ist; ich habe es ihm aus einem Manuscri-
"pte des Virgils bewiesen, daß Turnus schwarze
"Augen hatte, und gleichwohl hat er mir öffentlich
"widersprochen, da er doch mein Schüler gewesen
"ist! Jst das wohl erhört?"

Wer war froher, als ich! Nunmehr sahe ich,
daß die Welt wohl nicht untergegangen seyn würde,
wenn mein Held auch nicht Recht behalten hätte,
und ich freute mich, da ich hörte, daß sich ein paar

Kunst-

Ein Traum
des angenommen. Vermuthlich haben Sie eine
Wahrheit zu vertheidigen gewußt, ohne welche viel
tauſend Menſchen ungluͤcklich haͤtten werden muͤſ-
ſen. Jſt es nicht das ewige, ſo wird es doch we-
nigſtens das zeitliche Wohl ihrer Mitbuͤrger ſeyn,
welches Sie mit Hindanſetzung Jhres Ruhms und
Jhrer Ehre vertheidigt haben. „Ach! Noch viel mehr!
„war ſeine Antwort; Noch etwas viel wichtigers!
„Solche Kleinigkeiten gehen mich nichts an! Be-
„denken Sie nur einmal, mein Herr, bedenken Sie nur
„einmal den Raſenden, den Unſinnigen, das Scheuſal
„der gelehrten Welt, den ‒ ‒ O! ‒ ‒ Weiter konnte er
vor Zorn nichts ſprechen. Was iſt denn aber das
Erſchreckliche, das dieſer Raſende, dieſer Unſinnige
begangen hat? „Die ganze Natur moͤchte ſich ent-
„ſetzen! antwortete er mir. Abſcheulicher iſt es nie-
„mals erhoͤrt worden! Turnus! Die Haare ſtehen
„mir zu Berge, wenn ich dran gedenke! Ueberlegen
„Sie es nur ſelbſt! Turnus, ſpricht der verſtockte
„Boͤſewicht, habe blaue Augen gehabt. Und ich,
„mein Herr, als ein ſo beruͤhmter Scholiaſt, der
„ſchon vor zweyhundert Jahren ein großer Mann
„geweſen iſt; ich habe es ihm aus einem Manuſcri-
„pte des Virgils bewieſen, daß Turnus ſchwarze
„Augen hatte, und gleichwohl hat er mir oͤffentlich
„widerſprochen, da er doch mein Schuͤler geweſen
„iſt! Jſt das wohl erhoͤrt?„

Wer war froher, als ich! Nunmehr ſahe ich,
daß die Welt wohl nicht untergegangen ſeyn wuͤrde,
wenn mein Held auch nicht Recht behalten haͤtte,
und ich freute mich, da ich hoͤrte, daß ſich ein paar

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[42/0042] Ein Traum des angenommen. Vermuthlich haben Sie eine Wahrheit zu vertheidigen gewußt, ohne welche viel tauſend Menſchen ungluͤcklich haͤtten werden muͤſ- ſen. Jſt es nicht das ewige, ſo wird es doch we- nigſtens das zeitliche Wohl ihrer Mitbuͤrger ſeyn, welches Sie mit Hindanſetzung Jhres Ruhms und Jhrer Ehre vertheidigt haben. „Ach! Noch viel mehr! „war ſeine Antwort; Noch etwas viel wichtigers! „Solche Kleinigkeiten gehen mich nichts an! Be- „denken Sie nur einmal, mein Herr, bedenken Sie nur „einmal den Raſenden, den Unſinnigen, das Scheuſal „der gelehrten Welt, den ‒ ‒ O! ‒ ‒ Weiter konnte er vor Zorn nichts ſprechen. Was iſt denn aber das Erſchreckliche, das dieſer Raſende, dieſer Unſinnige begangen hat? „Die ganze Natur moͤchte ſich ent- „ſetzen! antwortete er mir. Abſcheulicher iſt es nie- „mals erhoͤrt worden! Turnus! Die Haare ſtehen „mir zu Berge, wenn ich dran gedenke! Ueberlegen „Sie es nur ſelbſt! Turnus, ſpricht der verſtockte „Boͤſewicht, habe blaue Augen gehabt. Und ich, „mein Herr, als ein ſo beruͤhmter Scholiaſt, der „ſchon vor zweyhundert Jahren ein großer Mann „geweſen iſt; ich habe es ihm aus einem Manuſcri- „pte des Virgils bewieſen, daß Turnus ſchwarze „Augen hatte, und gleichwohl hat er mir oͤffentlich „widerſprochen, da er doch mein Schuͤler geweſen „iſt! Jſt das wohl erhoͤrt?„ Wer war froher, als ich! Nunmehr ſahe ich, daß die Welt wohl nicht untergegangen ſeyn wuͤrde, wenn mein Held auch nicht Recht behalten haͤtte, und ich freute mich, da ich hoͤrte, daß ſich ein paar Kunſt-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/42>, abgerufen am 25.11.2024.