[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Ein Traum Zwo Seelen, die ich anfangs für Bierschröter Jch richtete also meine Aufmerksamkeit auf die mehr
Ein Traum Zwo Seelen, die ich anfangs fuͤr Bierſchroͤter Jch richtete alſo meine Aufmerkſamkeit auf die mehr
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0040" n="40"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ein Traum</hi> </fw><lb/> <p>Zwo Seelen, die ich anfangs fuͤr Bierſchroͤter<lb/> anſahe, welche aber, wie ich von meinem Begleiter<lb/> erfuhr, in ihrem Leben Critici, und ganz abſcheulich<lb/> gelehrte Maͤnner geweſe<choice><sic>u</sic><corr>n</corr></choice> ſeyn ſollten, verurſachten<lb/> einen großen Auflauf in der Gegend vor dem Stadt-<lb/> thore, wo ſich ſonſt zu gewiſſen Zeiten die Ringer und<lb/> Klopffechter von dem Poͤbel bewundern laſſen. Sie<lb/> hatten einander auf die grimmigſte Art bey den Haa-<lb/> ren angefaßt, und ein jeder bemuͤhte ſich den andern<lb/> zu uͤberwaͤltigen. Dieſer Kampf war merkwuͤrdig,<lb/> aber auch ungewiß, weil ſie einander beide gewach-<lb/> ſen waren. Jch war nicht im Stande, einige Nach-<lb/> richt von den Urſachen ihrer Verbitterung zu erfah-<lb/> ren, denn alles, was ich noch hoͤren konnte, waren<lb/> ſolche Schimpfwoͤrter, welche vielmals der witzigſte<lb/> Kutſcher nicht gelernt hat, wenn er auch in ſeiner<lb/> Mutterſprache noch ſo ſtark iſt. Endlich fiel der eine<lb/> mit großer Heftigkeit zu Boden. Sein Ueberwin-<lb/> der mochte vermuthlich gerechte Sache haben, denn<lb/> er ſchlug, aus Liebe zum Vaterlande und zu den<lb/> ſchoͤnen Wiſſenſchaften, ganz unbarmherzig mit ge-<lb/> ballter Fauſt auf ihn zu. Sie beſudelten ſich beide,<lb/> und erregten einen ſolchen Staub, daß ich nicht ver-<lb/> moͤgend war, weiter etwas von ihnen zu ſehen.</p><lb/> <p>Jch richtete alſo meine Aufmerkſamkeit auf die<lb/> Umſtehenden, welche auf verſchiedne Art an dieſem<lb/> Abentheuer Antheil zu nehmen ſchienen. Einige<lb/> waren ſo muthwillig, daß ſie durch ein unaufhoͤrli-<lb/> ches Huß! Huß! dieſe erhitzten Vertheidiger der<lb/> Wahrheit in ihren kritiſchen Unterſuchungen noch<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mehr</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [40/0040]
Ein Traum
Zwo Seelen, die ich anfangs fuͤr Bierſchroͤter
anſahe, welche aber, wie ich von meinem Begleiter
erfuhr, in ihrem Leben Critici, und ganz abſcheulich
gelehrte Maͤnner geweſen ſeyn ſollten, verurſachten
einen großen Auflauf in der Gegend vor dem Stadt-
thore, wo ſich ſonſt zu gewiſſen Zeiten die Ringer und
Klopffechter von dem Poͤbel bewundern laſſen. Sie
hatten einander auf die grimmigſte Art bey den Haa-
ren angefaßt, und ein jeder bemuͤhte ſich den andern
zu uͤberwaͤltigen. Dieſer Kampf war merkwuͤrdig,
aber auch ungewiß, weil ſie einander beide gewach-
ſen waren. Jch war nicht im Stande, einige Nach-
richt von den Urſachen ihrer Verbitterung zu erfah-
ren, denn alles, was ich noch hoͤren konnte, waren
ſolche Schimpfwoͤrter, welche vielmals der witzigſte
Kutſcher nicht gelernt hat, wenn er auch in ſeiner
Mutterſprache noch ſo ſtark iſt. Endlich fiel der eine
mit großer Heftigkeit zu Boden. Sein Ueberwin-
der mochte vermuthlich gerechte Sache haben, denn
er ſchlug, aus Liebe zum Vaterlande und zu den
ſchoͤnen Wiſſenſchaften, ganz unbarmherzig mit ge-
ballter Fauſt auf ihn zu. Sie beſudelten ſich beide,
und erregten einen ſolchen Staub, daß ich nicht ver-
moͤgend war, weiter etwas von ihnen zu ſehen.
Jch richtete alſo meine Aufmerkſamkeit auf die
Umſtehenden, welche auf verſchiedne Art an dieſem
Abentheuer Antheil zu nehmen ſchienen. Einige
waren ſo muthwillig, daß ſie durch ein unaufhoͤrli-
ches Huß! Huß! dieſe erhitzten Vertheidiger der
Wahrheit in ihren kritiſchen Unterſuchungen noch
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