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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von Swifts letztem Willen.
kann, unter ihrem Fenster wegzugehen, der thut es
gern, und nimmt lieber einen Umweg; denn, wen sie
mit ihren Augen erreicht, der ist ohne Barmherzigkeit
verdammt. Sie glaubt, und glaubt es ganz gewiß,
daß der langmüthige Himmel, bloß aus Hochach-
tung für sie und ihre andächtige Seele, das Viertheil
der Stadt, in welchem sie wohnhaft ist, noch zur Zeit
verschont, und verhindert habe, daß die Erde ihren
Rachen nicht aufgethan, die böse hoffärtige Rotte
zu verschlingen. Unterdessen wünscht sie es doch
vielmals, und zankt mit dem langmüthigen Himmel
alle Morgen in ihren Gebeten, wenn sie aufsteht,
und sieht, daß noch Leute um sie herum woh-
nen, welchen es wohl geht, und daß er nicht
zum wenigsten die Frauenzimmer ihrer Gasse in
ihrer sündlichen Eitelkeit, andern zum Schrecken,
und ihr zum freudigen Troste, diese Nacht über mit
Schwefel und Peche vertilgt hat. Denn wir
Mannspersonen, wir haben noch in ihren erbar-
menden Augen einigen Vorzug; und ich hoffe gewiß,
wenn die erschrecklichen Gerichte, mit denen sie alle
Stunden droht, hereinbrechen werden: So wird sie
sich vom Himmel wenigstens etliche ausbitten, die er
ihr zum sonderbaren Troste erhalten soll. Jch ersu-
che das Parlement, sich dieser Heiligen mit aller
möglichen Vorsicht zu bemächtigen, damit sie nicht
entwische, oder aus Andacht etlichen die Hälse bre-
che, welche sich ihrer Person versichern wollen.
Sie soll in dem abgelegensten Winkel des Tollhau-
ses eingesperrt bleiben, damit sie die andern Narren

nicht

von Swifts letztem Willen.
kann, unter ihrem Fenſter wegzugehen, der thut es
gern, und nimmt lieber einen Umweg; denn, wen ſie
mit ihren Augen erreicht, der iſt ohne Barmherzigkeit
verdammt. Sie glaubt, und glaubt es ganz gewiß,
daß der langmuͤthige Himmel, bloß aus Hochach-
tung fuͤr ſie und ihre andaͤchtige Seele, das Viertheil
der Stadt, in welchem ſie wohnhaft iſt, noch zur Zeit
verſchont, und verhindert habe, daß die Erde ihren
Rachen nicht aufgethan, die boͤſe hoffaͤrtige Rotte
zu verſchlingen. Unterdeſſen wuͤnſcht ſie es doch
vielmals, und zankt mit dem langmuͤthigen Himmel
alle Morgen in ihren Gebeten, wenn ſie aufſteht,
und ſieht, daß noch Leute um ſie herum woh-
nen, welchen es wohl geht, und daß er nicht
zum wenigſten die Frauenzimmer ihrer Gaſſe in
ihrer ſuͤndlichen Eitelkeit, andern zum Schrecken,
und ihr zum freudigen Troſte, dieſe Nacht uͤber mit
Schwefel und Peche vertilgt hat. Denn wir
Mannsperſonen, wir haben noch in ihren erbar-
menden Augen einigen Vorzug; und ich hoffe gewiß,
wenn die erſchrecklichen Gerichte, mit denen ſie alle
Stunden droht, hereinbrechen werden: So wird ſie
ſich vom Himmel wenigſtens etliche ausbitten, die er
ihr zum ſonderbaren Troſte erhalten ſoll. Jch erſu-
che das Parlement, ſich dieſer Heiligen mit aller
moͤglichen Vorſicht zu bemaͤchtigen, damit ſie nicht
entwiſche, oder aus Andacht etlichen die Haͤlſe bre-
che, welche ſich ihrer Perſon verſichern wollen.
Sie ſoll in dem abgelegenſten Winkel des Tollhau-
ſes eingeſperrt bleiben, damit ſie die andern Narren

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[255/0255] von Swifts letztem Willen. kann, unter ihrem Fenſter wegzugehen, der thut es gern, und nimmt lieber einen Umweg; denn, wen ſie mit ihren Augen erreicht, der iſt ohne Barmherzigkeit verdammt. Sie glaubt, und glaubt es ganz gewiß, daß der langmuͤthige Himmel, bloß aus Hochach- tung fuͤr ſie und ihre andaͤchtige Seele, das Viertheil der Stadt, in welchem ſie wohnhaft iſt, noch zur Zeit verſchont, und verhindert habe, daß die Erde ihren Rachen nicht aufgethan, die boͤſe hoffaͤrtige Rotte zu verſchlingen. Unterdeſſen wuͤnſcht ſie es doch vielmals, und zankt mit dem langmuͤthigen Himmel alle Morgen in ihren Gebeten, wenn ſie aufſteht, und ſieht, daß noch Leute um ſie herum woh- nen, welchen es wohl geht, und daß er nicht zum wenigſten die Frauenzimmer ihrer Gaſſe in ihrer ſuͤndlichen Eitelkeit, andern zum Schrecken, und ihr zum freudigen Troſte, dieſe Nacht uͤber mit Schwefel und Peche vertilgt hat. Denn wir Mannsperſonen, wir haben noch in ihren erbar- menden Augen einigen Vorzug; und ich hoffe gewiß, wenn die erſchrecklichen Gerichte, mit denen ſie alle Stunden droht, hereinbrechen werden: So wird ſie ſich vom Himmel wenigſtens etliche ausbitten, die er ihr zum ſonderbaren Troſte erhalten ſoll. Jch erſu- che das Parlement, ſich dieſer Heiligen mit aller moͤglichen Vorſicht zu bemaͤchtigen, damit ſie nicht entwiſche, oder aus Andacht etlichen die Haͤlſe bre- che, welche ſich ihrer Perſon verſichern wollen. Sie ſoll in dem abgelegenſten Winkel des Tollhau- ſes eingeſperrt bleiben, damit ſie die andern Narren nicht

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/255>, abgerufen am 22.11.2024.